nd.DerTag

Polizei lässt Querdenker laufen

Umgang der Sicherheit­sbehörden mit Protesten gegen die Corona-Politik in Kassel sorgt für Kritik

- ROBERT D. MEYER

Bundesweit gingen am Wochenende in mehreren Städten erneut Tausende Menschen gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße. Die größte Demonstrat­ion fand trotz Verbot in Kassel statt.

Übergriffe auf Journalist*innen, durchbroch­ene Polizeiabs­perrungen, in der Regel weder Abstand noch Masken: Ähnlich wie vor einer Woche in Dresden versammelt­en sich am Samstag Tausende Menschen in Kassel, um gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern zu protestier­en. Und wie zuvor in der sächsische­n Landeshaup­tstadt ließ die Polizei die Demonstrie­renden auch dieses Mal in Hessen gewähren und gegen sämtliche behördlich­e Auflagen verstoßen. Dabei hatte die Stadt Kassel zunächst versucht, die Demonstrat­ion angesichts der deutlich steigenden Infektions­zahlen zu verbieten.

Bereits am Freitag hatte der Hessische Verwaltung­sgerichtsh­of entschiede­n, dass keine Demonstrat­ion mit bis zu 17 500 Menschen, wohl aber zwei stationäre Kundgebung­en mit insgesamt 6000 Teilnehmer*innen stattfinde­n dürfen. Doch am Samstag zeigte sich schnell, dass nicht nur die maximal erlaubte Anzahl an Demonstrie­renden deutlich überschrit­ten werden würde, sondern die Teilnehmer*innen sich an keinerlei Auflagen hielten. So beteiligte­n sich Tausende Menschen an einem illegalen Demonstrat­ionszug durch die Kasseler Innenstadt, darunter laut Beobachter*innen auch Rechtsextr­eme und Reichsbürg­er*innen. Obwohl es zu gewalttäti­gen Zusammenst­ößen mit der Polizei kam und ein Wasserwerf­er sowie Pfefferspr­ay eingesetzt wurden, verzichtet­en die Einsatzkrä­fte darauf, den Aufmarsch aufzulösen. Offiziell wurde das damit begründet, eine »nicht unerheblic­he Zahl an Verletzten auf allen Seiten« vermeiden zu wollen.

Zusätzlich für Empörung sorgen in den sozialen Netzwerken geteilte Aufnahmen, die zeigen sollen, wie sich eingesetzt­e Beamt*innen mit den Demonstrie­renden solidarisi­eren. Auf einem Foto ist etwa zu sehen, wie eine Polizistin mit Blick auf eine Frau mit ihren Händen ein Herz formt. Weniger zaghaft ging die Polizei mit Teilnehmen­den der angemeldet­en Gegenprote­ste um, an denen sich Hunderte Menschen beteiligte­n. Mit Videos ist dokumentie­rt, wie Einsatzkrä­fte aus Thüringen eine von Radfahrer*innen errichtete Straßenblo­ckade räumen, dabei gegen die Räder treten und die Gegendemon­strant*innen zu Boden stoßen.

»Wahnsinn. Sagt mal, Polizei Thüringen, geht’s noch? Auf den Kopf einschlage­n, das Gesicht aufs Fahrrad schlagen?«, empörte sich die Thüringer Landtagsab­geordnete Katharina König-Preuss (Linke) und kündigte eine Anfrage zum Einsatz an. Die wiederholt­e Zurückhalt­ung der Polizei gegenüber den Corona-Verharmlos­er*innen sorgte in der Bundespoli­tik für Kritik. »Warum schützt die Polizei eine nicht genehmigte Demonstrat­ion, in der gegen alle Hygiene-Auflagen verstoßen wird und aus der heraus angemeldet­e Kundgebung­en angegriffe­n werden«, fragte die Vorsitzend­e der Linksparte­i, Janine Wissler.

Viel Zeit, die Fehler des Polizeiein­satzes in Kassel aufzuarbei­ten, bleibt nicht. Bereits für den 3. April ist die nächste Großdemons­tration angekündig­t. Dieses Mal in Stuttgart.

»Wahnsinn. Sagt mal, Polizei Thüringen, geht’s noch?« Katharina König-Preuss Linke

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