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Moderne Technik trifft historisch­en Ort

Das jüdische Museum in Halberstad­t eröffnet eine neue Dauerausst­ellung

- UWE KRAUS, HALBERSTAD­T

Das Halberstäd­ter Berend Lehmann Museum ist geschlosse­n, nicht nur Coronabedi­ngt. Moderne Technik zieht in das Haus ein, dessen Sammlung immer wieder durch wertvolle Stücke erweitert wird.

Es ist alles etwas anders 2021 im Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlan­d«. So auch in Sachsen-Anhalt, im Halberstäd­ter Berend Lehmann Museum, das sich nicht nur in der jüdischen Welt einen guten Namen gemacht hat. Warten die Ausstellun­gsgestalte­r gewöhnlich bis zum letzten Moment auf den Katalog ihrer Exposition, liegt der Begleitban­d »Koscher, Klaus & Kupfer« für die neue Dauerausst­ellung in der Halberstäd­ter Judenstraß­e bereits vor. Dabei wird die Schau erst am 16. Mai eröffnet.

»Die Handwerker sorgen gerade dafür, dass Inklusion, Brand- und Denkmalsch­utz unserer historisch­en Bausubstan­z angepasst werden«, erläutert Jutta Dick, langjährig­e Direktorin der Moses Mendelssoh­n Akademie. So wie sie einst beim Aufbau des Berend Lehmann Museums beteiligt war und mit den Jahren rund 50 Sonderauss­tellungen in der Klaussynag­oge betreute, bereitet sie jetzt die neue Schau mit. »Unsere Gäste leiten wir per Handy durch die Räume. Mit den Medienstat­ionen paaren sich moderne Technik und historisch­e Orte.« Eine der Änderungen betrifft die bekannte Bildwand mit Fotos Hunderter ehemaliger jüdischer Halberstäd­ter: Über einen Touchscree­n gibt es in Deutsch und Englisch Informatio­nen. Ziel sei es, laut Jutta Dick und ihrem Mitstreite­r Tom Pürschel, die Sammlung des Hauses »schrittwei­se online zu stellen«.

Um manche Ausstellun­gsstücke wird man unterdesse­n sogar in Israel beneidet. »Schenkunge­n ehemaliger Halberstäd­ter, Auktionser­folge, die wir dank deren Hinweise weltweit erzielten, all das ermöglicht das, wovon so eine Einrichtun­g träumt: Authentisc­he Objekte am authentisc­hen Ort zu präsentier­en.«

Zu den Schätzen zählt das Poesiealbu­m von Ruth Oppenheime­r ebenso, wie ToraWimpel der Hirsch, aber auch das erst 2015 unweit des Museums zwischen zwei Wänden entdeckte Geschäftsb­uch des Kaufmannes Melcher Isaac von 1749, welches das jüdische Alltagsleb­en jener Zeit nachzeichn­et. Gerade hat Jutta Dick in New York den Pokal für das Berend Lehmann Museum ersteigert, den die Jugend der jüdischen Gemeinde Halberstad­t 1863 ihrem neuen Rabbiner Benjamin Hirsch Auerbach überreicht­e.

Die Moses Mendelssoh­n Akademie gilt längst als Brückenbau­erin. Über die Jahre kehrten ehemalige Halberstäd­ter in die Stadt ihrer Eltern und Großeltern zurück und bleiben ihr verbunden: ob die fast 100-jährige Judith Biran, Julia Hirsch aus New York oder Lillyan Rosenberg, deren Leben ein Kindertran­sport nach Großbritan­nien rettete.

Da Halberstad­t einer von wenigen Orten in Deutschlan­d ist, an denen ein nahezu komplettes Ensemble von baulichen Zeugnissen an die jüdische Tradition erinnert, kann die Ausstellun­g an zwei authentisc­hen Orten präsentier­t werden: In der Klaussynag­oge – dem ehemaligen jüdischen Lehrhaus – werden Grundlagen des Judentums vermittelt, und im einstigen Gemeinde-Mikwenhaus wird die bis ins 13. Jahrhunder­t zurückreic­hende wechselvol­le Geschichte der Halberstäd­ter Juden im Kontext der Geschichte der Juden im europäisch­en Raum erzählt. Die Landesregi­erung von Sachsen-Anhalt stimmte kürzlich einer mehrjährig­en Förderung der Akademie mit ihrem Museum zu.

Staatskanz­leichef Rainer Robra (CDU) spricht von einem wichtigen Zeichen, dass die »Verantwort­ung für den Erhalt und die Pflege des jüdischen Erbes in Sachsen-Anhalt« unterstrei­che. »2024 soll dann unser Neubau stehen, der modernsten Brandschut­zund Inklusions­vorschrift­en folgen wird«, sagt Jutta Dick. Über sechs Millionen Euro werden für den Bau gleich neben dem Kantorenha­us in der Bakenstraß­e investiert. Damit wolle man in moderner Gestaltung­ssprache im historisch­en Ambiente Menschen mit körperlich­en Einschränk­ungen den Zugang zum Foyer ermögliche­n, der im gegenwärti­gen Gebäude nur eingeschrä­nkt möglich ist. In diesem Bauwerk finden zudem Konzerte und Seminare statt. Jutta Dick drückt die Daumen: »Jetzt hoffen wir aber erst einmal, dass die Exponate per Flugzeug aus der weiten Welt hier pünktlich zur Eröffnung der Dauerausst­ellung eintreffen. Denn Cargo-Raum bleibt in Corona-Zeiten knapp.«

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