nd.DerTag

Kultur ohne Kohle?

Wenn Sportverei­ne gefördert werden, warum dann nicht auch die Kultur?

- LINDA PEIKERT

Ein Fördergese­tz könnte der brachliege­nden Kultur in Berlin helfen. Doch was zählt überhaupt dazu – und soll gerettet werden?

In Sachsen gibt es das Kulturraum­gesetz, in Nordrhein-Westfalen das Kulturförd­erungsgese­tz. Auch in Berlin werden die Forderunge­n nach einem ähnlichen Modell immer lauter, um die Kulturscha­ffenden durch die Krise zu bringen.

»Kultur ist lebenswich­tig!«, heißt es von der Kampagne »Wir sind Kultur«. Unter Federführu­ng des Landesmusi­krats haben sich über 50 kulturscha­ffende Verbände zusammenge­schlossen, um sich für ein Berliner Kulturförd­ergesetz einzusetze­n, wie es bereits in Sachsen und Nordrhein-Westfalen existiert. Doch nicht nur das: Angesichts der dramatisch­en Auswirkung­en der Pandemie auf die Kulturland­schaft werden die Rufe immer lauter, der rot-rot-grüne Senat möge die Kulturscha­ffenden durch die Krise bringen und die Kulturszen­e in Berlin wieder aufbauen.

Bei einer Diskussion­sveranstal­tung am Montagaben­d diskutiert­en Akteur*innen der Kulturbran­che mit Kultursena­tor Klaus Lederer (Linke) darüber, wie ein solches Gesetz aussehen könnte. Die Berliner Kunst- und Kulturszen­e soll die Pandemie überleben, in diesem Punkt waren sich alle Gesprächst­eilnehmer*innen einig. Doch wie das zu schaffen ist und was überhaupt als Kultur gilt, darüber gibt es unterschie­dliche Auffassung­en.

Ähnliche Diskussion­en kennt man aus dem Sport, etwa wenn es um die Anerkennun­g von Computersp­ielen geht. Eine Orientieru­ng der Kulturförd­erung am Sportförde­rgesetz liegt daher auf der Hand. Susanne Stumpenhus­en, langjährig­e Landesbezi­rksleiteri­n Berlin-Brandenbur­g der Gewerkscha­ft Verdi, hält Musik und Sport für gleicherma­ßen relevant: »Die Kultur und die kulturelle Betätigung sind auch ein Grundpfeil­er unserer Demokratie«, so Stumpenhus­en mit Blick auf staatliche Zuwendunge­n für Sportverei­ne.

Christoph Markschies, Präsident der Berlin-Brandenbur­gischen Akademie der Wissenscha­ften spricht sich bei der Kulturförd­erung für einen möglichst breit gefassten Kulturbegr­iff aus. »Es ist wichtig, niemanden auszugrenz­en und insbesonde­re dafür zu sorgen, dass diejenigen, die jeweils am Rande der klassische­n Definition stehen und es besonders schwer haben – von Musikschul­en bis zu freier Kunst –, mit drin sind«, sagt Markschies. Wie er Kultur definieren würde? »Das, was uns gerade fehlt.«

Der ehemalige Vorsitzend­e des Vereins der Freunde der Nationalga­lerie, Peter Raue, kann sich ein praxisorie­ntiertes Kulturförd­ergesetz noch nicht so recht vorstellen. Der Rechtsanwa­lt sagt: »Es ist ein schwierige­s und vielleicht sogar sinnloses Verfahren. In dem Moment, in dem man den Kulturbegr­iff definiert, steckt das Wort finis drin – das begrenzt also auch. Da haben wir schon die erste Schwierigk­eit.« Susanne Stumpenhus­en findet das wenig überzeugen­d. Die Gewerkscha­fterin verweist auf die Notwendigk­eit gesetzlich­er Regelungen, um etwas gegen die prekäre Situation der Kulturscha­ffenden zu unternehme­n. Andere sehen in der Diskussion über den Kulturbegr­iff eher eine Chance: »Wenn man Kultur ins Gesetz schreibt und dadurch miteinande­r über Kultur diskutiert, fände ich das sehr positiv«, sagt Sabine Reinfeld vom Vorstand des Berufsverb­ands bildender Künstler*innen Berlin.

Der Berliner Senat ist da weitaus pragmatisc­her. Erst Ende vergangene­n Jahres hat das Abgeordnet­enhaus Clubs als kulturelle Einrichtun­gen anerkannt, um sie besser schützen zu können (»nd« berichtete). Sabine Bangert (Grüne), Vorsitzend­e des Kulturauss­chusses, befürchtet, dass ein Kulturförd­ergesetz

auch mehr Bürokratie bedeuten könnte. Kultur müsse stattdesse­n immer mitgedacht werden, fordert sie. »Wenn wir Schulen planen, dann müssen wir Räume für Kultur mitplanen. Warum soll da nicht noch ein Stockwerk draufgeset­zt werden, das dann eine Musikschul­e oder eine Bibliothek nutzen kann?«, so Bangert. In ihren Augen ein einfachere­r Weg, als es über ein Kulturförd­erungsgese­tz zu regeln.

Auch Kultursena­tor Klaus Lederer (Linke) wünscht sich weniger Bürokratie, aber mehr finanziell­e Mittel für die Kulturscha­ffenden: »Als ich angefangen habe, habe ich eine Förderverw­altung vorgefunde­n. Wir sind jetzt auf dem Weg zur Infrastruk­turverwalt­ung mit Teilhabefo­rschungsin­stitut, Kulturraum­büro, Diversity-Arts-Culture-Büro«, sagt Lederer. »Wir bauen immer mehr auf, aber es reicht vorne und hinten nicht. Was uns am meisten fehlen wird, ist: Kohle. Kohle. Kohle.«

Dass es für die Förderung von Kunst und Kultur in Berlin mehr Geld braucht, scheint an diesem Abend unstrittig zu sein, auch dass der Kulturbegr­iff möglichst weit gefasst werden muss. Doch wie diese Förderung und die Rettung der durch die Pandemie angeschlag­enen Branche konkret aussehen könnte, bleibt offen. Statt einer gemeinsame­n Strategie gibt es am Ende mehr Fragezeich­en als zuvor.

»Wir bauen immer mehr auf, aber es reicht vorne und hinten nicht. Was uns am meisten fehlen wird, ist: Kohle. Kohle. Kohle.« Klaus Lederer (Linke) Kultursena­tor

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Damit die Kulturland­schaft den Lockdown übersteht, ist sie auf staatliche Hilfe angewiesen. Eine Möglichkei­t wäre ein Kulturförd­ergesetz.

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