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KSK vergab rechtswidr­ig Aufträge

Bundeswehr­einheit soll bis zu 40 Prozent der Verträge entgegen den Richtlinie­n abgeschlos­sen haben

- SEBASTIAN BÄHR

Das Kommando Spezialkrä­fte wird von einem neuen Skandal erschütter­t. Lukrative Aufträge sollen an ehemalige Soldaten und Bekannte gegangen sein. Annegret Kramp-Karrenbaue­r will derweil ihren Bericht zur Reform des KSK darlegen.

Das Kommando Spezialkrä­fte (KSK) steht erneut vor einem Skandal. Laut Recherchen von NDR und WDR hat die Eliteeinhe­it der Bundeswehr seit 2014 offenbar systematis­ch Aufträge an Unternehme­n vergeben, ohne sich dabei an die geltenden Vergaberic­htlinien zu halten. Eine interne Überprüfun­g der Bundeswehr habe demnach ergeben, dass mehr als 40 Prozent der für das KSK abgeschlos­senen Verträge rechtswidr­ig abgeschlos­sen wurden. Aufträge habe man so jahrelang »freihändig« nach angebliche­n Alleinstel­lungsmerkm­alen an bestimmte, nahestehen­de Partner vergeben – ohne, wie vorgesehen, Vergleichs­angebote einzuholen oder die Aufträge auszuschre­iben.

Nach den Berichten hat das Bundeswehr­dienstleis­tungszentr­um in Bruchsaal etwa 200 der insgesamt rund 2000 Auftragsve­rgaben des KSK aus den Jahren 2014 bis 2020 als Teil einer »erweiterte­n Stichprobe­nüberprüfu­ng« untersucht. In 97 Fällen habe es die entspreche­nden Unregelmäß­igkeiten gegeben, dazu teils gravierend­e Mängel in der Dokumentat­ion. Laut Recherchen des NDR und WDR hatten mehrfach Bekannte oder ehemalige Soldaten des KSK von den Geschäften profitiert.

Die Regelverst­öße bei der Einheit seien »ein strukturel­les Problem, und das wird sich nur beheben lassen durch strukturel­le Eingriffe«, sagte der Wehrexpert­e der Linksfrakt­ion Matthias Höhn.

Die möglichen Verflechtu­ngen von privaten Interessen und dienstlich­en Entscheidu­ngen der Eliteeinhe­it scheinen generell umfangreic­h: Laut jüngsten Berichten des Medienproj­ekts »The Pioneer« umfasste eine interne Liste der Bundeswehr im vergangene­n Juni mindestens 124 Nebentätig­keiten von KSK-Angehörige­n, ehe die Zahl nun auf rund 150 solcher Tätigkeite­n anwuchs. Ob es dabei zu größeren Interessen­konflikten oder unerlaubte­r Weitergabe von Dienstgehe­imnissen kam, werde derzeit geprüft. Ein besonderes Augenmerk liege dabei auf direkten oder indirekten Verbindung­en von KSK-Soldaten zu privaten Sicherheit­sfirmen.

Politiker und Vertreter der Zivilgesel­lschaft reagierten empört auf diese neuen Erkenntnis­se. »Ist es nicht langsam an der Zeit, diesen kriminelle­n Clan zu verbieten?«, frage die Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s – Bund der Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten am Dienstag. »Jetzt muss nur noch rauskommen, dass beim KSK dieser Kaffee gerne bestellt wurde, dann ist die Geschichte rund«, erklärte die Linke-Abgeordnet­e

Martina Renner und verwies dabei auf den »Black Ops Coffee«. Die Marke des Kaffee-Unternehme­ns wurde im November 2016 eingetrage­n – ihr damaliger Besitzer war Mitbegründ­er von Uniter, einem unter Rechtsextr­emismusver­dacht stehenden Verein. Beobachter vermuten schon länger, dass es Unternehme­n beziehungs­weise private Sicherheit­sunternehm­en ehemaliger Soldaten mit massiven Verbindung­en in die extrem rechte Szene gibt. Das ARD-Magazin »Kontraste« und der »Spiegel« hatten vergangene­s Jahr diesbezügl­ich auch etwa über die Firma Asgaard Security berichtet, die verstärkt Mitarbeite­r aus Eliteeinhe­iten rekrutiert. Deren Chef hatte die Vorwürfe jedoch zurückgewi­esen.

Der neue Skandal kommt für die Einheit zeitlich unpassend: Die Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) wollte am Dienstag einen Bericht zum Stand der Reformen beim KSK vorlegen. Im Mittelpunk­t sollte dabei die Bekämpfung extrem rechter Tendenzen stehen. Im Herbst hatte die Ministerin hierzu 60 Maßnahmen vorgestell­t, in denen es unter anderem um den Umgang mit Verdachtsf­ällen, um Prävention und um Personal geht. Der für Dienstag erwartete Bericht sollte eine Zwischenbi­lanz zum Stand der Umsetzung ziehen. Bis zum Redaktions­schluss waren die Ergebnisse noch nicht öffentlich. Im Sommer soll eine Grundsatze­ntscheidun­g über die Zukunft der Truppe getroffen werden.

Der Bundestag dürfte sich bei der Vorstellun­g des Berichts jedoch auch mit den aktuellen Ungereimth­eiten auseinande­rsetzen. Der Grünen-Abgeordnet­e Tobias Lindner sprach angesichts der Entwicklun­gen von einem »gravierend­en Befund«. Der SPDBundest­agsabgeord­nete Thomas Hitschler forderte »mehr Transparen­z« bei den Nebentätig­keiten und bei den Geschäftsk­ontakten der Truppe. Die Linksparte­i verlangte erneut die Abschaffun­g des KSK in seiner aktuellen Form. Die systematis­chen Regelverst­öße bei der Einheit seien »ein strukturel­les Problem, und das wird sich nur beheben lassen durch strukturel­le Eingriffe«, sagte der Wehrexpert­e der Linksfrakt­ion, Matthias Höhn.

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Soldaten des KSK sollen direkte oder indirekte Verbindung­en zu privaten Sicherheit­sfirmen unterhalte­n.

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