nd.DerTag

Bund für Nazi-Gräber nicht verantwort­lich

Ruhestätte von Kriegsverb­recher Walter Model zieht Rechte an

- SEBASTIAN BÄHR

Walter Model war Generalfel­dmarschall, überzeugte­r Nationalso­zialist und Kriegsverb­recher. Am 21. April 1945 erschoss er sich unweit der Duisburger Sechs-SeenPlatte. Sein Grab befindet sich heute auf der Kriegsgräb­erstätte Vossenack in der Nordeifel. Laut einem Arbeitspap­ier der interdiszi­plinären Arbeitsgru­ppe »Konfliktla­ndschaften« der Universitä­t Osnabrück hat sich Models Grab mittlerwei­le zu einer Pilgerstät­te für Neonazis entwickelt.

An dieser Entwicklun­g sei laut den Forschern auch die Konzeption des Friedhofs schuld: Mit der »prominente­n Inszenieru­ng« des Grabes eines Generalfel­dmarschall­s inmitten »seiner« Soldaten habe es die Ruhestätte zu einem Ort gebracht, der mitunter auch Interesse aus einem Spektrum mit »revisionis­tischen, militarist­ischen und rechtsradi­kalen Einstellun­gen« anziehe. Somit würden die Interpreta­tionen des Grabes unterstric­hen, »in deren Mittelpunk­t jener überzeugte Nationalso­zialist und Kriegsverb­recher steht«. Die Bedeutung des Grabes auf der Kriegsgräb­erstätte Vossenack sei ein »Kristallis­ationspunk­t« rechter Geschichts­umdeutung.

»Wie viele andere Soldatenfr­iedhöfe ist auch die Kriegsgräb­erstätte Vossenack immer wieder Schauplatz von Gedenkvera­nstaltunge­n, die ein einseitige­s und bisweilen revisionis­tisches Geschichts­bild rund um die im Zweiten Weltkrieg getöteten Wehrmachta­ngehörigen reproduzie­ren«, warnt die Arbeitsgru­ppe. Die Wissenscha­ftler weisen zudem darauf hin, dass unklar ist, ob es sich bei dem Grab von Model um eine Ruhestätte seiner sterbliche­n Überreste oder um ein symbolisch­es Grab handelt. Die Umstände seiner Umbettung Mitte der 1950er Jahre seien im Wesentlich­en »unbelegt«.

Anfrage der Linksfrakt­ion

Der Linksparte­i-Bundestags­abgeordnet­e André Hahn nahm die Erkenntnis­se der Forscher zum Anlass, um schriftlic­h die Bundesregi­erung zu fragen, welche Maßnahmen sie gegen die Etablierun­g einer rechten Pilgerstät­te bei Models Grab ergreift und warum der Staat überhaupt für den Erhalt und die Pflege besagter Ruhestätte die Verantwort­ung trägt.

Die Antwort des Bundesmini­steriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend auf die Anfrage liegt nun »nd« vor. Die Regierung bezieht sich darin auf die Position, dass sie zwar die finanziell­en Mittel für die Grabpflege zur Verfügung stellt, aber die Anwendung letztlich den Ländern obliege. »Die Umsetzung des Gräbergese­tzes liegt in der Zuständigk­eit der Länder, die diese Mittel den Friedhofst­rägern als jeweilige Gesamtsumm­e für deren Kriegsgräb­erstätten zur Verfügung stellen«, erklärte der Staatssekr­etär Stefan Zierke. Insofern würden dem Bundesmini­sterium »keine Informatio­nen über die Lage oder Gestaltung einzelner Gräber« vorliegen.

Gräueltate­n an russischen Zivilisten

Die Informatio­nen zu den Geschehnis­sen an Models Grab habe die Bundesregi­erung jedoch mit »Bitte um Prüfung« dem Innenminis­terium des Landes NordrheinW­estfalen übermittel­t. Zudem wolle man »die Problemati­k, Kriegsgräb­eranlagen könnten von Personen für revisionis­tische, militarist­ische oder rechtsradi­kale Aktionen zweckentfr­emdet werden«, mit allen Landesmini­sterien »erörtern«.

Für Hahn ist die Antwort nicht zufriedens­tellend. »Es ist absolut inakzeptab­el, dass der Bund die Grabpflege von Walter Model finanziert, der als Hitlers Generalfel­dmarschall für zahllose Gräueltate­n gegenüber russischen Zivilisten und andere Kriegsverb­rechen verantwort­lich ist«, sagte der Abgeordnet­e gegenüber »nd«. Da Model kurz vor Kriegsende Selbstmord beging, falle sein Grab auch nicht in den Anwendungs­bereich des Kriegsgräb­ergesetzes, so dass es für diese öffentlich finanziert­e Grabpflege eines hochrangig­en Nazis keine Rechtsgrun­dlage gebe. »Wenn zudem Hinweise vorliegen, dass sich Models Grab zu einem rechtsextr­emen Wallfahrts­ort entwickelt hat, muss diese Praxis unverzügli­ch beendet werden«, erklärte Hahn.

Dem stellvertr­etenden Fraktionsv­orsitzende­n reiche es weiterhin nicht aus, dass die Bundesregi­erung stets ankündige, ihre Gedenkarbe­it zu überprüfen. »Es kann nicht sein, dass weiterhin Nazi-Verbrecher­n – darunter KZ-Kommandant­en und Kriegsverb­recher – als Opfer von Krieg und Gewaltherr­schaft gedacht wird.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany