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Journalist­en öfter angegriffe­n

Bei Corona-Demos entlädt sich Gewalt auch gegen Pressevert­reter

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Sie werden bedroht, bespuckt und geschlagen: 2020 gab es bundesweit die meisten Angriffe auf Pressevert­reter in den vergangene­n sechs Jahren.

Leipzig. In Deutschlan­d sind im vergangene­n Jahr laut einer Studie 69 Journalist­innen und Journalist­en tätlich angegriffe­n worden. 49 Angriffe (71 Prozent) wurden auf Versammlun­gen der »Querdenken«-Bewegung oder ähnlichen Protestver­anstaltung­en gegen die Corona-Politik verzeichne­t. Die Zahlen gehen aus der jährlichen Erhebung des Europäisch­en Zentrums für Presse- und Medienfrei­heit (ECPMF) in Leipzig hervor, die am Dienstag veröffentl­icht wurde.

Demnach lag die Zahl der Attacken gegen Medienvert­reter 2020 so hoch wie noch nie seit der ersten Erhebung 2015. Damals war mit 44 Attacken der bisherige Höchststan­d registrier­t worden. 2019 wurden nur 14 Fälle gezählt. Bis Mitte März 2021 wurden bislang acht Angriffe gezählt.

58 Attacken auf Medienvert­reter (84 Prozent) und damit erneut die meisten wurden 2020 auf Versammlun­gen festgestel­lt. 31 Angriffe hatten laut der Nichtregie­rungsorgan­isation einen eindeutig rechten Hintergrun­d. Fünf Fälle waren dem politisch linken Spektrum zuzuordnen, davon wurden allein drei bei einer Demonstrat­ion im Januar in Leipzig verübt. 33 Angriffe konnten politisch nicht eindeutig verortet werden.

Regionaler Schwerpunk­t war 2020 mit 23 Attacken Berlin – auch hier spielten Proteste gegen die Corona-Maßnahmen die entscheide­nde Rolle. So gab es laut Studie in der Hauptstadt allein bei zwei Demonstrat­ionen am ersten und letzten Augustwoch­enende zehn tätliche Angriffe auf Journalist­en.

Auch Sachsen bleibt laut Studie mit 19 Attacken ein Kernland medienfein­dlicher Angriffe. Allein sieben Vorfälle wurden bei einer »Querdenken«-Demonstrat­ion in Leipzig am 7. November gezählt. Die drittmeist­en Angriffe gab es in Bayern (sieben).

Medienvert­reter, die eine Kamera dabeihaben, seien besonders gefährdet, hieß es weiter. Dies sei bei 60 der 69 Taten der Fall gewesen. In knapp der Hälfte davon habe sich der Angriff direkt gegen die Kamera gerichtet, die häufig als Provokatio­n empfunden werde. Dass die Kamera jedoch auch in 22 Fällen verschont blieb, zeige, dass schon die bloße Zugehörigk­eit zum Berufsstan­d zur Gewalt motiviere, erklärten die Autoren.

»Die permanente­n Angriffe und Drohungen schränken die Arbeit von Journalist­innen und Journalist­en ein«, resümierte ECPMF-Geschäftsf­ührer Lutz Kinkel und betonte: »Wenn sie Dreharbeit­en abbrechen müssen und sich nicht mehr frei bewegen können, ist auch die Pressefrei­heit in Deutschlan­d gefährdet.«

Die Corona-Politik treibe seit dem Frühjahr 2020 »eine breite Allianz aus Verschwöru­ngsgläubig­en, Reichsbürg­ern, Neonazis und Esoteriker­n auf Deutschlan­ds Straßen«, erklärte das Zentrum weiter. Gemeinsam sei dieser heterogene­n Masse, dass sie eine freie und pluralisti­sche Presse ablehne und dies »mit der Ideologie extremer Rechter und Denkmuster­n der Verschwöru­ngsszene« verknüpfe.

Die medienpoli­tische Sprecherin der Grünen-Bundestags­fraktion, Margit Stumpp, bezeichnet­e die Befunde als »erschrecke­nd und alarmieren­d« und monierte fehlendes Problembew­usstsein beim Bundesinne­nministeri­um.

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