nd.DerTag

Westlicher Hochmut

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Wolfgang Hübner über die EU-Absage an den russischen Impfstoff

Es ist eine Geste von westlichem Egoismus und Hochmut: Die Europäisch­e Union denkt offenbar nicht daran, sich um den russischen Impfstoff Sputnik V zu bemühen. Jedenfalls sagte EU-Kommissar Thierry Breton, man habe »absolut keinen Bedarf«. So? Bisher macht die Einkaufsto­ur der EU in Sachen Anti-Corona-Vakzine nicht den Eindruck, als laufe da alles wie am Schnürchen. Lieferprob­leme, Exportstop­ps, Astra-Zenica-Probleme – da hat es schon oft geholpert. Mit der Folge, dass Zeit verloren ging.

Die meisten Fachleute gehen inzwischen davon aus, dass Impfstoffe gegen Corona jedes Jahr aufs Neue gebraucht werden. Kanzlerin Angela Merkel hatte Impftermin­e für alle bis September in Aussicht gestellt – das war vor den zahlreiche­n Pannen. Die EU wollte sogar armen Ländern Impfstoff zur Verfügung stellen; dazu hatte die Weltgesund­heitsorgan­isation aufgerufen. Davon ist keine Rede mehr: EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen sagte Impfstoff-Spenden vorerst ab. Insofern ist ein Verzicht auf das russische Vakzin eine EU-nationalis­tische Aufwallung. Natürlich soll Sputnik V gründlich geprüft werden. Aber dann soll es gleichbere­chtigt behandelt werden. Alles andere wäre ein Affront gegen Russland, gegen den globalen Süden und gegen die Impfwillig­en in der EU.

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