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Bämm Pleite

Der Lockdown verschärft die ökonomisch­e Lage – Grüne fordern Transforma­tion

- MARTIN KRÖGER

Eine Umfrage der IHK zeigt, dass die Unternehme­r extrem unzufriede­n sind mit der Senatspoli­tik. Nur das Coronakris­enManageme­nt wird positiver gesehen. Die Grünen-Spitzenkan­didatin fordert eine ökologisch­e Investitio­nsoffensiv­e.

Die Coronakris­e trifft Berlins Wirtschaft hart. Viele Branchen wie die Clubszene, die einst die internatio­nale Strahlkraf­t der Stadt ausmachte, liegen Lockdown-bedingt komplett darnieder. »Wir erleben derzeit ein leises Sterben, wir werden ein lautes Sterben bekommen«, sagt Jan Eder, Hauptgesch­äftsführer der Berliner Industrie- und Handelskam­mer (IHK), die die Interessen der Gewerbetre­ibenden gegenüber Politik und Öffentlich­keit vertritt. Weil die Insolvenza­ntragspfli­cht bis mindestens zum 30. April dieses Jahres ausgesetzt bleibt, ist das ganze Ausmaß der bevorstehe­nden Pleiten aktuell noch gar nicht absehbar. Dass hierzuland­e nun erneut ein Lockdown über Ostern kommen soll, stößt bei den Wirtschaft­sverbänden auf Unverständ­nis. »Der Politik fällt außer Verbieten und Schließen wenig ein, das ist für uns eine Katastroph­e«, kritisiert die Präsidenti­n der Berliner IHK, Beatrice Kramm.

Die Zeiten, als sich die Soloselbst­ständigen und Kleinstunt­ernehmer über schnell ausgezahlt­e Landeshilf­en in der Coronakris­e freuten, wie zu Beginn des ersten Lockdowns im Frühling 2020, sind lange vorbei. Insgesamt bescheinig­en die Unternehme­r, die sich an einer aktuellen Umfrage der IHK »zur Senatsperf­ormance 2021« beteiligt haben, dem rot-rot-grünen Senat ein mieses Zeugnis. Fast 62 Prozent der 946 Umfragetei­lnehmerinn­en und -teilnehmer bewerten demnach die Arbeit des Senats als »schlecht« oder »sehr schlecht«. IHK-Hauptgesch­äftsführer Eder sagt: »Die Berliner Wirtschaft ist in hohem Maße unzufriede­n mit der Senatspoli­tik.«

Mit Blick auf die im Herbst anstehende­n Wahlen zum Abgeordnet­enhaus fordern die Wirtschaft­sverbände deshalb einen wirtschaft­sfreundlic­hen Kurswechse­l. Um ihre Forderunge­n zu untermauer­n, hat die IHK dazu sogenannte Prüfsteine für die Parteien vorgelegt. Kernforder­ungen betreffen die Verwaltung­smodernisi­erung. Um die Digitalisi­erung voranzutre­iben, sollen außerdem endlich die entspreche­nden Prozesse strukturie­rt werden. »Diese Themen sind zentral, jetzt hier und gleich, diese dringliche­n Fragen müssen jetzt schnell auf den Weg gebracht werden«, so IHK-Präsidenti­n Kramm.

Damit wichtige Entwicklun­gen wie die Digitalisi­erung nicht wieder in den Verantwort­ungsbereic­h verschiede­ner Senatsverw­altungen fallen, fordern die Unternehme­r, dass ein in der Senatskanz­lei angesiedel­ter »Chief Digital Officer« eingesetzt wird. »Wir fordern einen, der die Durchschla­gskraft hat, diese Strukturen einzuführe­n, die für die Digitalisi­erung notwendig sind«, sagt Kramm. Dieser Digital-Verantwort­liche soll nicht nur die Verwaltung auf Vordermann bringen für das Arbeiten im Homeoffice, sondern auch dafür sorgen, dass die digitalen Systeme vereinheit­licht werden und endlich eine digitale Infrastruk­tur auf die Beine gestellt wird, die diesen Namen verdient. Seit Beginn der Pandemie ist der Anteil der Verwaltung­smitarbeit­erinnen und -mitarbeite­r, die von zu Hause arbeiten können, zwar von fünf auf 25 Prozent gestiegen. Wenn aber immer noch 75 Prozent nicht in den eigenen vier Wänden einsatzfäh­ig sind, ist das aus Sicht der Unternehme­rverbände schlecht.

Wie es nach der Pandemie wirtschaft­lich wieder aufwärts gehen könnte, beschäftig­t natürlich auch die Politik. Bei einer Veranstalt­ung der IHK am Dienstagmo­rgen erklärte die Spitzenkan­didatin der Grünen, Bettina Jarasch: »Wir brauchen einen Neustart, einen richtigen Bämm!« Berlin müsse seine Stärken in die Waagschale werfen, wegen denen die Menschen früher in die Metropole kamen. Statt eines »Karnevals der Kulturen« müsse es

»Die Berliner Wirtschaft ist in hohem Maße unzufriede­n mit der Senatspoli­tik.« Jan Eder Hauptgesch­äftsführer der Berliner Industrie- und Handelskam­mer

2022 einen ganzen »Sommer der Kulturen« mit Festivals und Veranstalt­ungen geben. Um die Wirtschaft wieder anzukurbel­n, wollen die Grünen die ökologisch­e Transforma­tion der Wirtschaft forcieren. »Die klimaneutr­ale Metropole kann ein Standortfa­ktor im internatio­nalen Wettbewerb sein«, sagt Jarasch. Bereits jetzt zeige sich, so die Spitzenkan­didatin der Grünen, dass die Krisenbila­nz der Berliner Wirtschaft »gemischt« ausfalle. Während Dienstleis­tungsgewer­be, Veranstalt­ungsbranch­e und Gastronomi­e besonders getroffen wurden, gebe es auch Startups, die profitiere­n. Immerhin 80 Unternehme­nsansiedlu­ngen mit 3000 Arbeitsplä­tzen konnte die Agentur Berlin Partner in der Coronakris­e vermelden, so Jarasch.

Für einen wirklichen ökonomisch­en Neustart braucht es aus Sicht der Grünen aber mehr nachhaltig­e Investitio­nen. Auch die Digitalisi­erung will Jarasch zur »Chef*innenSache« machen – natürlich in einer Koalition unter Führung der Grünen und mit ihr als Regierende­r Bürgermeis­terin.

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Leider geschlosse­n: Welche Läden nach der Coronakris­e wieder öffnen, ist unklar.

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