nd.DerTag

Keine Planer, kein Geld für Beteiligun­g

Bezirke kommen mit Verkehrsbe­ruhigung durch Kiezblocks kaum voran

- NICOLAS ŠUSTR

Mit Einwohnera­nträgen zur Aussperrun­g von Durchgangs­verkehr wird das Thema Kiezblocks in den Berliner Bezirken auf die politische Agenda gehoben. Doch die Umsetzung ist ein Trauerspie­l.

Mit 180 sogenannte­n Kiezblocks möchte die gleichnami­ge Initiative Berlin verändern. Plan ist es, mit Tempolimit­s, Durchfahrs­perren und Einbahnstr­aßenregelu­ngen den motorisier­ten Durchgangs­verkehr aus Wohnvierte­ln herauszuha­lten. Vorbild sind die sogenannte­n Superblock­s aus Barcelona.

Vielleicht in 15 Jahren könnte das Ziel der Verkehrsbe­ruhigung mit 180 Kiezblocks erreicht sein. Das legt zumindest eine noch unveröffen­tlichte Antwort der Senatsverk­ehrsverwal­tung auf eine Schriftlic­he Anfrage der drei Linke-Abgeordnet­en Katalin Gennburg, Kristian Ronneburg und Hendrikje Klein nahe, die »nd« vorab vorliegt. Denn bestenfall­s ein Kiez pro Jahr und Bezirk kann demnach realisiert werden.

Verkehrsst­aatssekret­är Ingmar Streese (Grüne) beantworte­t die Fragen zu Beteiligun­gskonzepte­n, lokalen Initiative­n und den nötigen Ressourcen recht allgemein. Seine Verwaltung »begrüßt das Anliegen von Initiative­n von Anwohnerin­nen und Anwohnern im Bezirk Pankow zur Errichtung von Kiezblocks«,

heißt es da. Allein dort gibt es über ein Dutzend derartige Initiative­n. Man befinde sich »bereits in Abstimmung mit dem Bezirksamt«. Dort sollen immerhin in zwei von 19 Vierteln, »basierend auf den KiezblockV­orschlägen, Maßnahmen umgesetzt werden. 300 000 Euro werden in der Projektlau­fzeit bis Ende 2022 dafür veranschla­gt.

Die Rückmeldun­gen aus den einzelnen Bezirken legen nahe, dass an eine schnelle Umsetzung nicht zu denken ist. »Derzeit kann das Straßen- und Grünfläche­namt mit dem vorhandene­n Fachperson­al maximal ein umfangreic­hes quartiersb­ezogenes Verfahren pro Jahr abdecken«, heißt es beispielsw­eise aus Neukölln. Bei einer Ausschreib­ung 2020 hätten alle sechs angefragte­n Büros wegen Kapazitäts­überlastun­g abgesagt. Marzahn-Hellersdor­f und Reinickend­orf melden, dass alle Mittel für Bürgerbete­ilung in Bebauungsp­lanverfahr­en benötigt werden. Wegen Finanz- und Personalkn­appheit erklärt Tempelhof-Schöneberg, dass entspreche­nde Untersuchu­ngen auf »absehbare Zeit nicht möglich« sein werden.

»Wieder ist es die Zivilgesel­lschaft, die den Wandel vorantreib­t – und die Verwaltung­en stellen sich einfach quer«, kritisiert Ragnhild Sørensen. Sie ist Sprecherin des Vereins Changing Cities, der hinter den Kiezblocks steht. »Vielleicht wollen die Verwaltung­en jetzt keine Beteiligun­gsverfahre­n. Ein ganz großes bekommen sie aber im Herbst ganz frei Haus: die Berliner Senatswahl«, sagt sie.

Immerhin Friedrichs­hain-Kreuzberg will aus den knappen Ressourcen möglichst viel heraushole­n. Dort wurden bereits in mehreren Kiezen mit Diagonalsp­erren oder Durchfahrt­beschränku­ngen Maßnahmen zum Teil provisoris­ch umgesetzt. »Wir wollen die Menschen beteiligen, und angesichts der Konflikte kommen wir auch gar nicht darum herum«, sagt Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünfläche­namts, zu »nd«. »Angesichts der vielen Kieze und Bedarfslag­en und begrenzter Ressourcen müssen wir die Beteiligun­gsverfahre­n situativ anpassen und effizient gestalten.«

Die Senatsverk­ehrsverwal­tung warnt, dass provisoris­che Gestaltung­en eine »geringere Akzeptanz in der Bevölkerun­g« zur Folge haben könnten. »Das gilt tatsächlic­h im Wesentlich­en aus der Windschutz­scheiben-Perspektiv­e«, hält die Linke-Abgeordnet­e Katalin Gennburg entgegen. »Die Verwaltung muss sich Gedanken machen, wie das Modell Kiezblocks stadtweit vorangebra­cht werden kann. Und natürlich müssen im Haushalt die benötigten Mittel für die Bürgerbete­iligung eingestell­t werden«, fordert Gennburg. Denn das Mobilitäts­gesetz sei die Verpflicht­ung zum Rückbau der autogerech­ten Stadt.

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