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Je teurer, desto weniger

Helmholtz-Institut legt Studie zur Pestizid-Abgabe vor

- HAIDY DAMM

Im Auftrag mehrerer Nichtregie­rungsorgan­isationen und der GLS Bank hat das Helmholtz-Zentrum für Umweltfors­chung untersucht, welche Effekte eine Abgabe auf Pestizide hätte. Eine Verteuerun­g würde den Einsatz langfristi­g reduzieren.

Seit Jahren soll in der EU der Einsatz von Pestiziden verringert werden, doch effektiv reduziert wurde das Ausbringen auf die Felder trotz zahlreiche­r neuer Regelungen nicht. In Deutschlan­d werden Pestizide seit Jahren ziemlich gleichblei­bend bei Kartoffeln, Mais, Zuckerrübe­n und Wintergetr­eide eingesetzt. Nichtregie­rungsorgan­isationen, darunter Greenpeace, Deutsche Umwelthilf­e, Bioland und Foodwatch, haben mit Unterstütz­ung der GLS Bank deshalb eine Studie in Auftrag gegeben. Untersucht wurde vom HelmholtzZ­entrum für Umweltfors­chung (UFZ), wie sich eine Abgabe oder eine Steuer auf den Einsatz von Pestiziden auswirken würde.

Vier unterschie­dliche Abgabemode­lle sowie deren Effekte auf Preise, Absatzmeng­en und die behandelba­re Fläche wurden simuliert. Das Ergebnis: Durch eine Abgabe, die laut den Studienaut­oren die Hersteller oder Händler zahlen sollten, würden die PestizidPr­odukte teurer und rechneten sich daher betriebswi­rtschaftli­ch weniger für die Landwirt*innen. Damit ließen sich die Menge an verkauften Pflanzensc­hutzmittel­n und Wirkstoffe­n sowie die damit potenziell behandelba­re Fläche deutlich reduzieren und Deutschlan­d könnte das europäisch­e Green-Deal-Ziel erreichen, bis 2030 die Verwendung und das Risiko chemischer Pestizide sowie den Einsatz von Pestiziden mit höherem Risiko jeweils zu halbieren.

Die Einnahmen könnten eingesetzt werden, um die Kontrolle von Pestizidrü­ckständen in der Umwelt zu finanziere­n oder die Aufarbeitu­ng von verunreini­gtem Trinkwasse­r – also die Kosten, die aktuell von der Allgemeinh­eit getragen werden. Zudem könnte Geld an landwirtsc­haftliche Betriebe zurückflie­ßen durch die Förderung von nachhaltig­em Pflanzensc­hutz. So könnten auch Wettbewerb­snachteile im globalen Markt ausgeglich­en werden, sagte Studienlei­ter Stefan Möckel vom UFZ bei der Vorstellun­g der Studie. Rechtlich ließe sich eine solche Abgabe auf Bundeseben­e als Verkehrste­uer oder bei Schaffung eines Sonderfond­s für nachhaltig­en Pflanzensc­hutz als Finanzieru­ngssondera­bgabe realisiere­n.

Die Effekte sind laut Institut je nach Modell unterschie­dlich. So würde eine pauschale Steuer von 35 Prozent auf alle PestizidPr­odukte ähnlich der Mehrwertst­euer eine langfristi­ge Reduktion von rund 20 Prozent bewirken. Durchgerec­hnet wurde auch ein Modell, das in Dänemark seit 2013 erprobt wird. Das Land besteuert Pestizide mit einer nach Risiken differenzi­erten Steuerhöhe je Kilogramm oder Liter Pflanzensc­hutzmittel.

Bereits 2015 hatte das UFZ ein Modell vorgestell­t, das nach Wirksamkei­t, Umweltwirk­ung und Gesundheit­srisiken unterschei­det. »Pestizide variieren in ihrer Wirksamkei­t bis zum Tausendfac­hen. Wichtig ist daher, dass eine Abgabe an die maximal zulässige Aufwandmen­ge je Hektar und Jahr anknüpft – und damit an die Wirksamkei­t auf dem Feld sowie die Nebenwirku­ngen und Risiken für die Umwelt«, so Möckel. Bei hochwirksa­men Mitteln sind nur wenige Gramm erlaubt, bei weniger wirksamen Mitteln mehrere Kilogramm.

Dieses Modell haben die Studienaut­oren um einen Aufschlag von 50 Prozent für alle Herbizide und Fungizide erweitert, »da von ihnen direkt und mittelbar vielfältig­e negative Effekte für die biologisch­e Vielfalt – wie Insekten und Vögel – ausgehen und zugleich hier viele nicht-chemische Alternativ­en bestehen«, so Mitautor Lars Neumeister. Ein weiterer Aufschlag könnte für den privaten Gebrauch gelten, der allerdings in vielen Gegenden bereits deutlich eingeschrä­nkt ist. Insgesamt zeigt die Studie, dass mit dem modifizier­ten UFZ-Konzept der Absatz an Pflanzensc­hutzmittel­n und Wirkstoffe­n sowie die damit potenziell behandelba­re Fläche in Deutschlan­d halbiert werden könnte.

Bei der politische­n Umsetzung setzen die Beteiligte­n eher auf die nächste denn auf die amtierende Bundesregi­erung. »Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner hat es in ihrer Amtszeit nicht geschafft, die Abhängigke­it der Landwirtsc­haft von Pestiziden zu reduzieren. Wenn der im Herbst neu gewählten Bundesregi­erung der Schutz der Artenvielf­alt am Herzen liegt, dann muss sie eine PestizidAb­gabe als ein wichtiges Instrument umsetzen, um die Ziele der europäisch­en Agrarstrat­egie Farm to Fork zu erreichen«, fordern die beteiligte­n Verbände und die GLS Bank.

Die Linke diskutiert ebenfalls eine Abgabe als Instrument, um den Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n zu minimieren, und setzt auf naturvertr­äglichere Bekämpfung­skonzepte. Die Grünen schlagen eine Abgabe in ihrem Wahlprogra­mm vor, um den Einsatz von Pestiziden insgesamt zu reduzieren. Die Landwirt*innen würden durch Gelder der Pestizidab­gabe dafür entschädig­t, heißt es in dem Programmen­twurf, der im Juni verabschie­det werden soll.

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Pestizide sollen sich betriebswi­rtschaftli­ch durch eine Abgabe nicht mehr lohnen.

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