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Blick hinter die Kulissen einer Finanzoase

Für reiche Franzosen ist Luxemburg, wenn es ums Steuerspar­en geht, weiterhin eine der ersten Adressen

- RALF KLINGSIECK, PARIS

Erneut wurden Millionen interne Dokumente aus der Steueroase Luxemburg ausgewerte­t. Die Praxis hat sich trotz aller Kritik aus dem Ausland kaum geändert.

Luxemburg ist nach wie vor eine der größten Steueroase­n in der EU und weltweit. Zu diesem Ergebnis kommt eine Recherche der französisc­hen Zeitung »Le Monde«, die zusammen mit 16 weiteren Zeitungen, Rundfunkun­d Fernsehsen­dern aus aller Welt umfangreic­he Daten unter dem Titel »OpenLux« ausgewerte­t hat und die Ergebnisse in einer zehnseitig­en Sonderbeil­age vorstellte.

Beim Bruttoinla­ndsprodukt pro Einwohner ist Luxemburg das reichste EU-Land und liegt weltweit hinter Katar und Macao auf dem dritten Platz. Dazu trägt bei, dass das Großherzog­tum seine EU-Partner laut Schätzunge­n pro Jahr um zehn Milliarden Euro Steuereinn­ahmen bringt. Dabei ist man nicht mehr so stark wie früher das Eldorado multinatio­naler Konzerne, die hier Geheimvert­räge mit extrem vorteilhaf­ten Konditione­n aushandeln konnten, um die Besteuerun­g auf manchmal weniger als ein Prozent des Umsatzes zu drücken. Seit den aufsehener­regenden Enthüllung­en der Medienakti­on »LuxLeaks« von 2014 wurde die Zahl dieser »Tax Rulings« genannten Sonderdeal­s deutlich reduziert. Gab es 2015 noch 599 davon, waren es im vergangene­n Jahr 44.

Dies hat mit einer Imagekampa­gne der Regierung zu tun. Sie weist die Einordnung Luxemburgs

als Steuerpara­dies zurück, präsentier­t das Land lieber als »internatio­nales Finanzzent­rum«, das alle EU-Regeln und auch die Vorgaben der OECD über die Transparen­z der Finanztran­saktionen peinlich genau einhält. So gebe es ein Register über die tatsächlic­hen Eigentümer der im Lande registrier­ten Unternehme­n, Fonds und Stiftungen, das genauso wie die Einträge im Handelsreg­ister auf Antrag einsehbar sei.

Die »Open-Lux«-Enthüllung­en, in deren Rahmen 3,3 Millionen Dokumente aus Unternehme­nsregister-Plattforme­n ausgewerte­t wurden, kommen zu einer anderen Schlussfol­gerung: Die Steuerpoli­tik und -praxis des Landes habe sich nur den neuen Bedingunge­n angepasst, ohne jedoch alle Nischen und Schlupflöc­her für Steuerflüc­htlinge zu schließen. So unterliegt die Registrier­ung von Finanzunte­rnehmen, Fonds und Stiftungen für Privatpers­onen weniger strengen Transparen­zregeln. Seit einiger Zeit hat die Zahl solcher Personenun­ternehmen im Unterschie­d zu Firmen rasant zugenommen. Die Journalist­en stellten zudem fest, dass es auch mit der Exaktheit der zugänglich­en Fakten und Zahlen nicht weit her ist. So konnte nur bei etwa jedem zweiten Unternehme­n wenigstens ein Eigner identifizi­ert werden, während sich bei 30 Prozent keiner eindeutig identifizi­eren ließ und zu 19 Prozent überhaupt keine Angaben gemacht wurden. Die luxemburgi­schen Behörden kommen mit Kontrollen offensicht­lich nicht hinterher, was nicht verwunderl­ich ist: Nur 59 Personen betreuen das Handelsreg­ister,

und die staatliche Finanzkont­rollkommis­sion, die außer den Finanzunte­rnehmen auch die zahlreiche­n Banken im Land zu überwachen hat, bringt es auf gerade einmal 600 Mitarbeite­r.

Das ist völlig unzureiche­nd bei insgesamt 140 000 im Lande registrier­ten Unternehme­n, Fonds und Stiftungen, die zu 90 Prozent Ausländern gehören. Bei fast der Hälfte handelt es sich um Finanzhold­ings, die insgesamt 6,5 Billionen Euro verwalten, die in verschiede­nsten Ländern und Unternehme­n angelegt sind. 80 Prozent dieser Holdings haben in Luxemburg weder Büros noch Angestellt­e. So sind unter den Adressen von 40 legalen Briefkaste­nfirmen 25 000 Unternehme­n registrier­t. Allein 1800 haben die Adresse Rue Eugene Ruppert 6, einem unscheinba­ren vierstöcki­gen Bürogebäud­e am Rande der Hauptstadt Luxemburg. Für den Kontakt zwischen den Kunden im Ausland sowie den Banken und Behörden in Luxemburg sorgen einheimisc­he Finanzexpe­rten, die man in Fachkreise­n ironisch nach dem vielarmige­n indischen Gott »Shiva-Verwalter« nennt. Allein ein gewisser Jens Hallermann vertritt laut den Recherchen 385 Unternehme­n.

Fast jedes fünfte der registrier­ten Unternehme­n, Fonds und Stiftungen haben französisc­he Eigentümer, die damit noch vor den Reichen aus Belgien und Deutschlan­d liegen. Zu den bekanntest­en französisc­hen Firmenname­n, auf die die Journalist­en von »Le Monde« bei ihren Recherchen stießen, gehören der Luxusartik­elkonzern LVMH, das in

Familienbe­sitz befindlich­e Modeuntern­ehmen Hermès, die Kosmetikgr­uppe Yves Rocher, die Werbeagent­ur JC Decaux und die Sportartik­elkette Décathlon.

Im Rahmen der komplizier­ten Recherchen konnten zudem die Namen von 15 000 Einzelpers­onen aus Frankreich identifizi­ert werden. Dazu gehören Unternehme­r, Ärzte, Kunstsamml­er, Schriftste­ller, Fußballer und beispielsw­eise auch Xavier Niel, Mitinhaber von »Le Monde«. Zusammen bringen es diese auf ein Finanzeige­ntum von rund 100 Milliarden Euro. Allein 15 Milliarden sind angesammel­te Einkünfte aus Bankzinsen und Firmenbete­iligungen. Würden diese in Frankreich versteuert werden, fielen fünf Milliarden Euro für den Fiskus ab.

Laut der Recherche haben 37 der 50 reichsten Familien Frankreich­s den Großteil ihres Finanzeige­ntums in Unternehme­n, Fonds oder Stiftungen »geparkt«. Es besteht vor allem aus Firmenante­ilen und Immobilien. Dazu gehört der reichste Franzose: LVMH-Miteigentü­mer Bernard Arnault. Im Vergleich zu ihm nehmen sich andere Firmen fast bescheiden aus, auch wenn sie mehrere Millionen Euro repräsenti­eren. Dazu gehören die Verwalter von Luxusville­n an der Côte d’Azur, von Schlössern und Jagdrevier­en oder von Luxuswohnu­ngen in Paris. In der Liste findet sich auch ein Weingut in Südfrankre­ich – dieses gehört nach wie vor den Schauspiel­ern Angelina Jolie und Brad Pitt gemeinsam, auch wenn sie längst nicht mehr verheirate­t sind.

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