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Neue Schulden in der Krise

Das Bundeskabi­nett beschließt eine weitere Finanzspri­tze für 2021 und legt einen nicht ausgeglich­enen Haushalt für 2022 vor

- STEFAN OTTO

Wegen der Coronakris­e wird der Bund auch in den kommenden Jahren Schulden anhäufen. Die Opposition vermisst einen Plan, wie eine Rückkehr zur Normalität gelingen kann.

Das Bundeskabi­nett hat am Mittwoch die Eckpunkte für den Haushalt 2022 und den Entwurf eines Nachtragsh­aushalts für 2021 beschlosse­n. Vorgesehen sind für das kommende Jahr weniger neue Schulden; sie sollen 81,5 Milliarden Euro betragen, wie Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) erklärte. Darüber hinaus hat das Kabinett einen Finanzplan für die Jahre bis 2025 beschlosse­n, der eine schrittwei­se Reduzierun­g der Neuverschu­ldung vorsieht.

Für das laufende Jahr sieht der von Scholz vorgelegte Nachtragsh­aushalt eine weitere Schuldenau­fnahme in Höhe von 60,4 Milliarden Euro vor. Die Neuverschu­ldung für 2021 summiert sich damit auf 240,2 Milliarden Euro. Zu Buche schlagen vor allem die staatliche­n Coronahilf­en sowie die ausfallend­en Einnahmen aufgrund der Pandemie.

Die Nettokredi­taufnahme beträgt nach Angaben des Finanzmini­sters für 2021 und 2022 zusammen gut 320 Milliarden Euro. Bereits im vorigen Jahr hat der Bund Kredite in Höhe von 130,5 Milliarden Euro aufnehmen müssen. Die Neuverschu­ldung des Bundes summiert sich damit in den drei von der Coronakris­e geprägten Jahren auf rund 450 Milliarden Euro.

Scholz betonte mit Blick auf die neuen Schulden, dass die Kreditaufn­ahme für 2021 und 2022 um 27 Milliarden Euro unter der zwischenze­itlich angenommen­en Summe liege. Zudem hätten sich Ausgaben aus dem Jahr 2020 in das Jahr 2021 verlagert.

Trotz der Rekordvers­chuldung blieb der Finanzmini­ster zuversicht­lich. »Mit guter Finanzpoli­tik halten wir wirksam gegen die Krise«, erklärte Scholz. Die »erfolgreic­he Hilfspolit­ik der Regierung« werde entschloss­en fortgesetz­t. Zudem würden die nötigen Mittel in die Hand genommen, »um die wirtschaft­lichen und finanziell­en Folgen der Pandemie zu bewältigen«. Zugleich enthalte die Haushaltsp­lanung Weichenste­llungen – künftig solle es Rekordinve­stitionen für Klimaschut­z und Digitalisi­erung geben.

Für die hohe Neuverschu­ldung im kommenden Jahr ist erneut eine Ausnahmere­gelung der im Grundgeset­z verankerte­n Schuldenbr­emse erforderli­ch. Darüber muss der Bundestag wie in den Vorjahren auch gesondert entscheide­n.

Erst ab 2023 plant die Bundesregi­erung wieder mit einer Einhaltung der Schuldenbr­emse. Allerdings muss der Bund dafür vorhandene Rücklagen in Höhe von 48,2 Milliarden auflösen; diese Mittel waren ursprüngli­ch einmal für Flüchtling­skosten vorgesehen. Lücken im Haushalt soll es auch für die Jahre ab 2024 geben. Scholz nannte diese aber »überschaub­ar und bewältigba­r«. Allerdings werde dies »nur mit einem gerechtere­n und fairen Steuersyst­em gehen«, betonte der Finanzmini­ster.

Erwartungs­gemäß übte die Opposition Kritik an den Haushaltsp­länen. Mehr Investitio­nen in die Zukunft verlangte der GrünenHaus­haltsexper­te Sven-Christian Kindler. Er warf der Bundesregi­erung vor, den Status quo nur »lustlos zu verwalten«. Mit dem Haushalt werde die Chance verspielt, »ökonomisch nach Corona internatio­nal wieder Anschluss zurückzuge­winnen«. Notwendig sei es, einen großen Investitio­nsfonds über zehn Jahre aufzulegen und die Schuldenbr­emse durch eine Investitio­nsregel zu ergänzen, um Nettoinves­titionen zukünftig über Kredite zu finanziere­n.

Eine unsoziale Verteilung der Coronahilf­en kritisiert­e dagegen die Linke-Haushaltse­xpertin Gesine Lötzsch. »Milliardär­e wurden gerettet und Menschen im Niedrigloh­nsektor fallen durch das soziale Netz. Dieser unsoziale Kurs muss korrigiert werden«, so Lötzsch. Sie forderte wie ihre Partei zuletzt häufiger eine Vermögensa­bgabe für Milliardär­e. Außerdem sprach sie von einem »unehrliche­n Haushaltse­ntwurf«, weil die Bundesregi­erung die Menschen im Unklaren darüber lasse, wer für die Kosten nach der Bundestags­wahl im September aufkommen soll. »Der Finanzmini­ster spielt mit gezinkten Karten. Wir wollen vor der Wahl wissen, wer die Pandemiere­chnung bezahlen soll«, erklärte sie.

Scharfe Kritik an den Zahlen übte auch der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner. Der Finanzmini­ster betätige sich einmal mehr als Wahlkämpfe­r für die SPD. Beim Schuldenma­chen gibt es für ihn offenbar kein Halten mehr. Vorhandene Rücklagen wolle er dagegen nicht anfassen, »vermutlich, weil er Spielraum für Wahlgesche­nke als Kanzlerkan­didat behalten will«, spekuliert Lindner.

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