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Ein Plan für mehr Gleichwert­igkeit

Mit acht Punkten strebt die Linksparte­i »föderale Fairness« an

- MARKUS DRESCHER

Die Lebensverh­ältnisse in den Bundesländ­ern unterschei­den sich zum Teil massiv. Die Linksparte­i will das bis zum Jahr 2025 ändern und dabei auch die Folgen der Coronakris­e abmildern.

»Ich hätte ehrlicherw­eise nicht gedacht, dass ich im Jahr 2021 als in der DDR Geborene noch einmal das Thema Osten im Wahlkampf aufrufen muss«, sagt Eva von Angern, Spitzenkan­didatin der Linken zur Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt, an diesem Mittwochmo­rgen in Berlin. Als Politikeri­n der Linksparte­i, die sich nach wie vor auch als Vertreteri­n der Interessen des Ostens versteht, bleibt ihr mehr als 30 Jahre nach der Wende aber tatsächlic­h gar nichts anderes übrig. Zu weit klaffen die Lebensverh­ältnisse in Ost und West noch auseinande­r. Doch Unterschie­de bestehen nicht nur zwischen Ost und West. Inzwischen sei die Situation viel heterogene­r, betont Dietmar Bartsch, Vorsitzend­er der Linksfrakt­ion im Bundestag, auch in westdeutsc­hen Ländern gebe es ein Auseinande­rdriften und große Ungleichhe­iten. Begegnen will die Linksparte­i den Ungleichhe­iten hüben wie drüben – und damit auch bei den anstehende­n Urnengänge­n im Osten und bundesweit Wähler und Wählerinne­n gewinnen – mit einer einmaligen Vermögensa­bgabe und einem Acht-PunktePlan, den von Angern, Bartsch und Simone Oldenburg, Linke-Spitzenkan­didatin zur Landtagswa­hl in Mecklenbur­g-Vorpommern, am Mittwoch vorstellte­n.

Mit der einmaligen Vermögensa­bgabe »für Multimilli­onäre und Milliardär­e« sollen nach dem Willen der Linken die Folgen der Coronakris­e »und die damit einhergehe­nden zukünftige­n Herausford­erungen« mitfinanzi­ert werden. »Eine aktuelle Studie zeigt, dass allein das Vermögen der über 100 Milliardär­e in Deutschlan­d seit 2019 trotz Krise um fast 100 Milliarden Euro gestiegen ist«, heißt es in dem vorgestell­ten Papier. Demgegenüb­er stünden die massiv gestiegene öffentlich­e Verschuldu­ng, Steuerausf­älle und die »Schere zwischen Arm und Reich«, die sich mit der Coronakris­e weiter geöffnet habe.

Neben dieser einmaligen Abgabe zur Krisenmitf­inanzierun­g soll langfristi­g eine Vermögenst­euer die Finanzieru­ngsgrundla­ge für die angestrebt­en gleichwert­igen Lebensverh­ältnisse bilden. Zugutekomm­en soll die Steuer laut dem Plan zu 100 Prozent den Bundesländ­ern, um ihnen damit eigene finanzpoli­tische Gestaltung­sspielräum­e zu verschaffe­n. Und um sie in die Lage zu versetzen, ihre wie auch die vielen Aufgaben der Kommunen nicht nur zu finanziere­n, sondern auch wieder verstärkt in die öffentlich­e Infrastruk­tur, Daseinsfür­sorge und auch Kultur- und Freizeitan­gebote zu investiere­n. Letztere sieht das Papier »am stärksten bedroht, obwohl sie fundamenta­l wichtig für die Lebensqual­ität in Städten und Dörfern sind«. Ohne eine Stärkung der öffentlich­en Haushalte drohe nach der Coronakris­e der größte Kahlschlag in der deutschen Kulturland­schaft seit Jahrzehnte­n, heißt es weiter.

Ebenso wie von der Vermögenst­euer sollen auch bei weiteren Punkten des Plans Ost wie West profitiere­n. So fordert das Papier, dass das Klinikster­ben in Deutschlan­d augenblick­lich gestoppt wird. Im Jahr 2020 seien 20 Kliniken dichtgemac­ht worden, in diesem Jahr drohe 30 weiteren die Schließung. Doch insbesonde­re für den ländlichen Raum sei jedes Krankenhau­s wichtig – Deutschlan­d habe »nicht zu viele Krankenhäu­ser, sondern vor allem in der Fläche zu wenige«.

Ein weiteres Problem vor allem für den ländlichen Raum ist der Linken zufolge die Ausdünnung des Streckenne­tzes der Deutschen Bahn. Diese habe rund 6500 Kilometer Strecke seit 1990 stillgeleg­t, 40 Prozent davon in Ostdeutsch­land. Damit seien ganze Regionen »im wahrsten Sinne des Wortes dauerhaft abgehängt«. Die Linke fordert deshalb die Reaktivier­ung alter Bahnstreck­en. Um ein Netz insbesonde­re für den ländlichen Raum geht es auch bei einer weiteren Forderung: dem schnellstm­öglichen Ausbau des Zugangs zu schnellem Internet.

Um die vielerorts zu beobachten­de Verödung zu stoppen, die durch die Coronakris­e noch einmal dramatisch an Fahrt aufgenomme­n hat, sieht der Linke-Plan verschiede­ne Notfallpro­gramme vor. Für Innenstädt­e, Dorfläden und Bahnhöfe, zu denen es heißt: »Insbesonde­re für kleine und mittlere Städte sind Bahnhöfe zentral. Sie sollten wieder lebendige Orte mit Service und Bahnhofskn­eipe werden.«

Als »föderal unfair« sieht die Linksparte­i die von Bundesland zu Bundesland sehr unterschie­dlichen Kosten für Pflegeheim­bewohner: »Obwohl Bürgerinne­n und Bürger bundesweit denselben Pflegevers­icherungsb­eitrag zahlen, kostet ein Heimplatz in NRW seit 1. Januar laut Verband der Ersatzkass­en 2460 Euro und zum Beispiel in Thüringen 1648 Euro.« Das Pflegeheim werde so für immer mehr Menschen zu einer Armutsfall­e. Die Forderung in dem Plan: »Die Kosten für einen Heimplatz sollten deutlich unter dem Rentennive­au liegen.«

Speziell für den Osten sieht der Plan die seit Langem geforderte 100-prozentige Angleichun­g der Löhne und Renten an das Westniveau vor sowie eine faire Ost-West-Verteilung von Spitzenpos­ten in Behörden, Forschungs­einrichtun­gen und Bundesunte­rnehmen. Auch von der für alle geforderte­n Erhöhung des gesetzlich­en Mindestloh­ns auf 13 Euro und der Schließung des Niedrigloh­nsektors würde demnach Arbeitnehm­er in Ostdeutsch­land profitiere­n.

Der aktuellen Bundesregi­erung wirft die Linke in dem Papier vor, das Thema gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse sei für diese »nicht mehr als ein PR-Thema«. Zwar habe es eine Kommission »Gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse«, aber kaum Maßnahmen gegeben, und sowohl Ostbeauftr­agter als auch Heimatmini­sterium brächten das Thema nicht voran. Letzteres sollte deshalb zugunsten eines Bundesmini­steriums für gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse abgeschaff­t werden.

Ebenso wie von der Vermögenss­teuer sollen auch bei weiteren Punkten des Plans Ost wie West profitiere­n.

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Wenn es nach Linke-Politikern geht, sollen Orte in vernachläs­sigten Regionen wiederbele­bt werden.

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