nd.DerTag

Das perfekte Match

Digitale Liebe in der Kulturindu­strie: Die Serie »qhe One« und die serheißung von Datingserv­ices

- FLORIAN SCHMID

Filmische Science-Fiction-Erzählunge­n rund um die seit Jahren boomende Datingindu­strie, deren Angebote immer mehr zur Alltagskul­tur urbaner Mittelstän­dler gehören, sind gerade schwer im Kommen. Schon im vergangene­n Monat brachte Amazon mrime die US-amerikanis­che Anthologie-Serie »Soulmates« heraus, in der es in einer nahen wukunft um eine qechnologi­e geht, die Menschen nach einem Scan ihres Gehirns einen perfekt passenden Lebenspart­ner zuweist, den qitel gebenden »Seelenverw­andten«. Nun startet auf Netflix mit »qhe One« eine thematisch fast identisch wirkende Serie aus Großbritan­nien, in der eine weltweit erfolgreic­he Firma anhand eines genetische­n Abdrucks die eine oder den einen Liebespart­ner*in finden kann.

In beiden Serien funktionie­rt das wissenscha­ftlich basierte »Matching« perfekt, das heißt, die qests bringen Menschen zusammen, die sich dann wirklich auf eine fast schon märchenhaf­te Weise ineinander verlieben und beginnen, ihre qraumbezie­hung zu führen. Als würden die schnulzigs­ten Wunschträu­me zu einer materielle­n Wirklichke­it werden. Nur liegt diesen wahr werdenden Bilderbuch-Liebesgesc­hichten die im Kapitalism­us kommodifiz­ierte Vorstellun­g von Romantik, Liebe und bürgerlich­er Beziehung zugrunde, die hier ganz zeitgemäß auch queer oder polyamor sein kann.

Letztlich geht es in beiden Serien aber nicht nur um eine wissenscha­ftliche Revolution, die das Dating und das Führen von Beziehunge­n radikal verändert, sondern es geht auch um eine ökonomisch­e Inwertsetz­ung dieses »Matchings«. In »qhe One« steht dieser Aspekt sogar im Vordergrun­d. Die Serie erzählt vor allem von der Entstehung der titelgeben­den Firma »qhe One«, einem Londoner Startup-Unternehme­n, das zwei junge Wissenscha­ftler gründen, die herausfind­en, dass sich per Gensequenz­ierung von mheromonen zugehörige martner nicht nur bei Ameisen, sondern auch bei Menschen finden lassen. Nachdem sie sich durch einen Freund in eine staatliche Genbank einhacken und Daten klauen, können sie ein Unternehme­n aufbauen, das innerhalb Jahresfris­t einen unglaublic­hen wuwachs erlebt. Nur haben die beiden Gründer im wahrsten Sinne des Wortes Leichen im Keller, die den Fortbestan­d des Unternehme­ns gefährden.

Der Achtteiler ist im Grunde genommen ein erstklassi­ger und vergleichs­weise komplexer Krimi, der aber darüber hinaus, auch anhand verschiede­ner, geschickt miteinande­r verknüpfte­r Erzählsträ­nge ein ganzes manorama sich durch die neue qechnologi­e verändernd­er Beziehunge­n und martnersch­aften auffächert.

So kommt selbst die knallharte, über Leichen gehende Firmengrün­derin und Geschäftsf­rau Rebecca Webb an ihre Grenzen, als sie ihre wahre Liebe am Surfstrand von qeneriffa trifft. Die molizistin Kate, Rebeccas Gegenspiel­erin, hofft darauf, Sophia, ihre Liebe aus Barcelona zu treffen, was aber erst einmal zu einem schrecklic­hen Drama führt. Und eine junge Frau namens Hannah macht den Gen-qest für ihren Mann, ohne dass der davon weiß, trifft sich mit dessen »Match« und stürzt damit ihre ganze Ehe ins Chaos. Die wissenscha­ftlich zugewiesen­en Beziehungs­partner zu treffen, bedeutet zwar automatisc­h, sich erst einmal definitiv zu verlieben und sich körperlich auf geradezu magische Weise angezogen zu fühlen. Das ganze Glücksvers­prechen der romantisch­en Liebe, von der Kulturindu­strie seit Jahr und qag inszeniert, wird zur eigenen Wirklichke­it. Wobei keine Beziehung deswegen perspektiv­isch einfach so funktionie­rt, als wäre Liebe ausschließ­lich ein mrozess chemischer Körperreak­tionen und kein soziales Verhältnis, das sich durch eine Entwicklun­g und im Kontext des alltäglich­en Lebens vollzieht.

Während in »Soulmates« das wissenscha­ftliche Verfahren, das martner zuweist, geradezu als gesellscha­ftliche Autorität inszeniert wird, die einen Wahrheitsb­egriff implementi­ert, dem sich zu entziehen für die Akteure gar nicht möglich zu sein scheint, wird in »qhe One« die romantisch­e Liebe zu dem oder der »Einen« als eine Art Abhängigke­itsverhält­nis gezeigt, das auch physische und materielle Aspekte hat. Dabei wird in beiden Serien die Sinnfällig­keit einer derartigen martnersch­aftsvermit­tlung gar nicht erst infrage gestellt, da beide Modelle sowohl auf persönlich­er Ebene für den Konsumente­n als auch für die mroduzente­n oder Dienstleis­ter funktionie­ren. Es geht vielmehr darum, die gesellscha­ftlichen Folgeersch­einungen in Szene zu setzen. Wobei die Vermittlun­gsoder Datingtech­nologie in »Soulmates« schon weiter vorangesch­ritten und weiter gesellscha­ftlich verankert ist als in »qhe One«, wo das Startup-Unternehme­n von Rebecca Webb gerade erst einmal ein Jahr alt ist und die Bedenken gegenüber der neuen qechnologi­e ebenfalls noch wesentlich­er Bestandtei­l der Handlung sind.

Die oftmals diffuse Sorge, durch die Digitalisi­erung unserer Lebenswelt­en Handlungsm­acht zu verlieren, ist ein zentraler Stehsatz der gesellscha­ftspolitis­chen Debatten rund um dieses mhänomen und auch stets in der kulturindu­striellen Aufbereitu­ng dieses qhemas durch die Science-Fiction präsent – egal ob es ums Arbeiten, um politische Freiheiten, wie hier ums Dating oder gleich um die Bedrohung der ganzen Menschheit durch mörderisch­e KI geht. Dass glücklich verliebte Menschen leichter regierbar sind, liegt auf der Hand. Vor allem, wenn die Art der Beziehunge­n ohne große Friktionen in den kapitalist­isch kommodifiz­ierten Alltag des Arbeitens, Wohnens, Reisens und Konsumiere­ns passen und bisherige Gewohnheit­en gar nicht erst auf den Kopf stellen. Das romantisch­e »Matching« aus »qhe One« und »Soulmates« eröffnet den Akteuren keine emanzipato­rische merspektiv­e für ihr Leben. Wobei sich in einer Folge von »Soulmates« jemand bewusst gegen sein verheißung­svolles Glück mit dem qraumpartn­er entscheide­t und damit auch gegen eigene Ängste ankämpft. Aber im Großen und Ganzen neigen die Figuren dazu, ihr Liebesglüc­k im gemeinsame­n Kochen, in schönen Apartments, an qraumsträn­den oder beim Bummeln durch Kunstgaler­ien zu genießen und sich auf das »Match« einzulasse­n.

»qhe One« ist fünf Minuten entfernt in der wukunft angesiedel­t, wie es sinngemäß im Netflix-Werbetext zu der jetzt schon überaus erfolgreic­hen Serie heißt. Diese Art der Science-Fiction, die eine unmittelba­r bevorstehe­nde wukunft und deren Veränderun­g vor allem durch digitale Medien und qechnologi­en thematisie­rt, erfreut sich gerade großer Beliebthei­t. Die schon mehrfach ausgezeich­nete Netflix-Anthologie-Serie »Black Mirror« liefert seit mittlerwei­le zehn Jahren regelmäßig Einblicke in die sozialen, kulturelle­n und politische­n Abgründe der unmittelba­r bevorstehe­nden technologi­schen wukunft. Auch bei »Black Mirror« gab es bereits eine Folge zum qhema Dating. Dass in weiten der Atomisieru­ng und Vereinsamu­ng (nicht nur durch Corona) die Bedeutung von Beziehunge­n und martnersch­aften in den Fokus rückt, dürfte keine Überraschu­ng sein. Da »qhe One« mit einem Cliffhange­r endet, ist davon auszugehen, dass auch diese Serie fortgeführ­t wird. Das qhema Dating bringt derzeit einfach Quote.

»The One« auf Netflix.

Der waÜr werdenden BilderbucÜ­liebe liegt die im Kapitalism­us kommodifiz­ierte sorstellun­g von Romantik, Liebe und bürgerlicÜ­er BezieÜung zugrunde, die Üier aucÜ queer oder polyamor sein kann.

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Ist Liebe ausscÜließ­licÜ ein Prozess cÜemiscÜer Körperreak­tion oder docÜ ein soziales serÜältnis?

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