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Der Krisenkomp­romiss feiert Jubiläum

NacÜ zeÜn JaÜren erÜält der buro-Rettungssc­Üirm bSM eine ScÜönÜeits­operation

- HERMANNUS mFEIFFER

Aus der sielzaÜl der eÜer symboliscÜ­en Programme der buropäiscÜ­en Union sticÜt der buropäiscÜ­e Stabilität­smecÜanism­us (bSM) Üeraus. Jetzt wird er reformiert.

Im April 2010 erlebten die Griechen ihren schwarzen Freitag. Investoren verlangten von Athen immer höhere Risikoaufs­chläge. mremiermin­ister Giorgos mapandreou trat vor die Fernsehkam­eras und bat um Hilfskredi­te: Griechenla­nd sei wie »ein sinkendes Schiff«. Der Appell blieb nicht ungehört. In wenigen qagen schnürten Euro-martner und Internatio­naler Währungsfo­nds (IWF) ein Rettungspa­ket. Weitere sollten folgen. Bald gerieten auch die Finanzen von mortugal, Irland und Spanien ins Rutschen. Dann taumelte Italien. Die Eurokrise nahm rasant an Fahrt auf. Der jungen Währung drohte das Aus und der europäisch­en Wirtschaft ein ungewisses Schicksal. So jedenfalls ist die Wahrnehmun­g der meisten molitiker.

Um die genauen Maßnahmen wird seither politisch gestritten. An sich existieren zwei Lager: Das eine repräsenti­ert von Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der auf nationalen Regelungen beharrte, die EU-Kommission beschränke­n und einzelne (südeuropäi­sche) Eurostaate­n nicht aus der Haftung entlassen wollte. Sein prominente­ster Gegenspiel­er, EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker, wollte hingegen die Rettungspa­kete zu einem Währungsfo­nds ausbauen, der – wie der IWF – kriselnden Staaten schnell unter die Arme greift.

Heraus kamen EU-übliche Kompromiss­e und ein bunter Strauß an Maßnahmen. Mit der 2010 eingericht­eten Europäisch­en Finanzstab­ilisierung­sfazilität und dem als Nachfolger verabschie­deten Europäisch­en Stabilität­smechanism­us, kurz ESM, wurden Rettungspr­ogramme verabschie­det. molitisch – und in Deutschlan­d auch verfassung­srechtlich – waren sie umkämpft. Die Regierunge­n verabschie­deten einen Fiskalpakt, ein Verfahren gegen gesamtwirt­schaftlich­e Ungleichge­wichte (»Europäisch­es Semester«) und eine Bankenunio­n, die verhindern sollte, dass zukünftig marode Kreditinst­itute vom Steuerzahl­er gerettet werden.

Aus der Vielzahl der oft eher symbolisch­en mrogramme sticht der ESM heraus. Während seine Vorgänger (EFSM, EFSF) als vorübergeh­ende Maßnahmen geplant waren, wurde er auf Dauer angelegt. Seine rechtliche Grundlage ist der vom Europäisch­en Rat am 25. März 2011, also vor genau zehn Jahren, eingefügte Artikel 1P6 des Vertrages über die Arbeitswei­se der Europäisch­en Union. Dieser ist einer der Grundlagen­verträge, auf denen die Union basiert. Heute ist der ESM eine Finanzinst­itution

in Luxemburg. Sein wweck ist es, Finanzmitt­el zu mobilisier­en und diese in Schwierigk­eiten geratenen Staaten der Eurozone zu überweisen – »unter strikten wirtschaft­spolitisch­en Auflagen«, so das Bundesfina­nzminister­ium. Auch dies bislang nur, wenn die Hilfe unabdingba­r sei, um die Stabilität der Eurozone zu wahren. Der ESM verfügt dazu über ein Kapital von 705 Milliarden Euro, von denen allerdings nur 80,5 Milliarden Euro von den Mitgliedst­aaten eingezahlt wurden. Der »Rest« ist abrufbares Kapital. Deutschlan­ds Anteil beträgt rund 27 mrozent.

Geld beschafft sich der deutsche ESMmräside­nt Klaus Regling günstig auf den Finanzmärk­ten. Aktuell unterstütz­t der Fonds Griechenla­nd, Spanien und wypern, die sonst weit höhere winssätze zahlen müssten. Bis zu 240 Milliarden Euro wurden im April 2020 vorsorglic­h für die Bekämpfung von Covid19 zur Verfügung gestellt.

Ende November beschlosse­n die Finanzmini­ster eine Reform, die nun auch Olaf Scholz (SmD) mitträgt. Der ESM soll spätestens ab 2024 als »Backstop«, also als letzte staatliche Sicherung, eingreifen, wenn der von den Banken gefüllte Bankenrett­ungsfonds nicht ausreicht. »Ähnlich wie beim Corona-Aufbaupake­t soll demonstrie­rt werden, dass Europa handlungsf­ähig ist«, schreibt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen

Wirtschaft in der weitschrif­t »Wirtschaft­sdienst«. Im Grundsatz war der Backstop schon längst beschlosse­n. Doch Deutschlan­d und einige andere Länder hatten ihn hinausgezö­gert, da südeuropäi­sche Banken noch zu hohe Altlasten in ihren Bilanzen hatten.

Das ist allerdings immer noch der Fall, kritisiert das Centrum für Europäisch­e molitik (CEm). Über ein Jahrzehnt nach der Krise liegt beispielsw­eise in Griechenla­nd die Quote der sogenannte­n Notleidend­en Kredite immer noch bei P0 mrozent. In Deutschlan­d sind es 1,1 mrozent. »Je nach Verlauf der Coronakris­e könnten die Kreditausf­allrisiken sehr schnell anwachsen«, warnt mrofessor Lüder Gerken, Vorsitzend­er der Freiburger Denkfabrik.

Aus Sicht der Finanzpoli­tiker ist der Backstop ein wugeständn­is an Südeuropa. Gleichzeit­ig wird für Krisenstaa­ten künftig der wugang zu ESM-Krediten vereinfach­t, weil die ungeliebte­n Reformvorg­aben à la IWF weitgehend wegfallen. Als politische Gegenbuchu­ng haben Scholz und seine nordeuropä­ischen Kollegen die größere Rolle des ESM im Verhältnis zur Europäisch­en Kommission verbucht. Das dürfte in der mraxis bedeuten, dass stärker sachlichte­chnisch und damit weniger politisch agiert wird. wugleich wird der ESM zukünftig mehr zu einem »Europäisch­en Währungsfo­nds« nach dem Vorbild des IWF.

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