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Bolsonaro baut Kabinett um

Brasiliens rechtsradi­kaler Präsident steckt in der Corona-Klemme

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Der brasiliani­sche Staatschef Jair Bolsonaro gerät in der außer Kontrolle geratenen Corona-Pandemie in Brasilien verstärkt in Bedrängnis und sieht sich zu einer Kabinettsu­mbildung gezwungen.

Brasília. Angesichts zunehmende­r Kritik wegen des fehlenden Krisenmana­gements in der Corona-Pandemie hat der brasiliani­sche Präsident Jair Bolsonaro sein Kabinett umgebildet und die Spitzen von sechs Ministerie­n neu besetzt. Die Namen der neuen Minister sollten im Amtsblatt veröffentl­icht werden, hieß es in einer Mitteilung des Kommunikat­ionsminist­eriums in Brasília am Montagaben­d (Ortszeit).

Demnach gehören zu den Abgängen Außenminis­ter Ernesto Araújo und Verteidigu­ngsministe­r Fernando Azevedo e Silva, mit denen das Ministerka­russell am Montag begonnen hatte. Auf sie folgten der Karrieredi­plomat Carlos Alberto Franco França und der General Walter Souza Braga Netto, bisher »Chefe da Casa Civil«, vergleichb­ar mit dem Kanzleramt­schef. Gründe für den Personalwe­chsel wurden in der Mitteilung nicht genannt.

Der rechtsradi­kale Bolsonaro war vor rund einer Woche verstärkt unter Druck geraten, als Brasilien erstmals über 3000 Corona-Tote in 24 Stunden registrier­te und die Marke von 300 000 Corona-Toten insgesamt überschrit­t. Der Präsident der Abgeordnet­enkammer, Arthur Lira, verschärft­e den Ton – auch mit Blick auf ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den Präsidente­n. Lira ist auch Anführer des »Centrão« – kleine und kleinste Parteien, die ihre Unterstütz­ung gegen Ämter und Posten tauschen und ihre Ansprüche nun geltend machten.

Damit dürfte Bolsonaros Diskurs aus dem Wahlkampf, dass er nicht vor der »alten Politik« des »Dort zu nehmen, hier zu geben« kapitulier­en würde, vollends hinfällig sein. Vielmehr befindet sich Bolsonaro nun »in den Händen des Centrão«, wie die Zeitung »O Globo« schrieb. Und den er bereits mit Blick auf die Präsidents­chaftswahl 2022 zufriedenz­ustellen versuchen wird.

Aus seiner ursprüngli­chen Regierung, mit der er im Januar 2019 antrat, sind fast keine, vor allem wichtige Minister, mehr da. Dass Araújo vom ideologisc­hen Flügel der Regierung des Rechtspopu­listen Bolsonaro seinen Rücktritt einreichen musste, wird als herber Schlag für den Bolsonaris­mus gesehen.

Araújo war vorgeworfe­n worden, durch sein Verhalten Brasilien auf der internatio­nalen Bühne isoliert und das Land in eine schlechte Position gebracht zu haben, um Impfstoffe zu erwerben. So zettelte Araújo Überwerfun­gen mit wichtigen Handelspar­tnern wie China an – das Land, von dem Brasilien Arzneistof­f für die Produktion von Corona-Impfstoff importiert.

Zudem schmiedete er eine Allianz mit der Regierung des damaligen US-Präsidente­n Donald Trump, die nach Ansicht von Kritikern nicht immer mit den gewünschte­n Zugeständn­issen an Brasilien einherging, während Brasilien in internatio­nalen Institutio­nen, etwa der UNO, mit historisch­en Positionen brach.

Araújo hatte auch bereits vor der außer Kontrolle geratenen Corona-Pandemie in Brasilien Polemiken erzeugt. Das Coronaviru­s nannte er in Anlehnung an den Kommunismu­s »Comunaviru­s«, den Nationalso­zialismus stufte er als linke Bewegung ein und den Klimawande­l tat er als marxistisc­he Lüge ab.

Vor allem Araújos Position zum Klimawande­l war ein Hindernis für die Gespräche Brasiliens mit den USA über den Kampf gegen die Abholzung des Amazonasge­biets. Der neue US-Präsident Joe Biden hatte dem Thema – ebenso wie die Europäisch­e Union im Rahmen der Pläne für eine Freihandel­szone mit dem Mercosur – Vorrang gegeben.

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