Müllstreik gegen Militärjunta
Mehr als 500 Menschen seit Putsch in Myanmar getötet
Mit immer neuen Protestformen demonstriert die Bevölkerung in Myanmar gegen den Staatsstreich. Der UN-Sicherheitsrat beschäftigt sich am Mittwoch mit der Gewalt durch das Militärregime.
Die Zahl der Toten in Myanmar seit dem Putsch vor zwei Monaten ist nach dem bislang blutigsten Wochenende weiter gestiegen. Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP zufolge sind bislang mindestens 510 Menschen durch die Gewalt des Militärs ums Leben gekommen. Beobachter gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus. Allein am Samstag hatten Einsatzkräfte mehr als 100 Menschen getötet. Am Montag seien landesweit mindestens 14 weitere erschossen worden, teilte AAPP mit. Das brutale Vorgehen der Armee sorgt auch international für immer größeres Entsetzen.
UN-Generalsekretär António Guterres hat die internationale Gemeinschaft zu mehr Engagement gegenüber der Junta in Myanmar aufgefordert. »Es ist absolut inakzeptabel, Gewalt gegen Menschen von einem derartigen Ausmaß zu sehen, so viele tote Menschen«, sagte Guterres. Der Weltsicherheitsrat will sich am Mittwoch mit der jüngsten Gewalt gegen Demonstranten beschäftigen. Die Sitzung hinter verschlossenen Türen finde auf Antrag Großbritanniens statt, hieß aus Diplomatenkreisen in New York. Dabei werde zu Beginn ein Bericht zur Lage in Myanmar von der UN-Sondergesandten Christine Schraner-Burgener erwartet.
Trotz all der Gewalt gegen die Demonstranten lassen diese nicht von ihrem Protest gegen den Militärputsch ab, sondern erfinden immer wieder neue Taktiken. So beteiligten sich am Dienstag zahlreiche Menschen in der ehemaligen Hauptstadt Yangon an einem »Müllstreik«. Die Organisation »Clean Yangon«, die normalerweise dabei hilft, die Straßen Yangons sauber zu halten, hat die Bürger auf Facebook aufgefordert, möglichst viele
Abfälle mitten auf den Straßen abzuladen. »Müll ist auch eine Waffe, um Widerstand gegen die Junta zu leisten«, hieß es. »Lasst uns Müllbeutel und anderen Unrat aus unseren Häusern auf die Straße werfen.« Fotos in »Sozialen Netzwerken« zufolge türmten die Abfälle in verschiedenen Stadtvierteln. Proteste mit Tausenden Teilnehmern gab es auch wieder in anderen Regionen des Landes.
Drei bewaffnete ethnische Gruppen drohten derweil, die Bevölkerung zu unterstützen, sollte die Junta die Gewalt nicht beenden. Die sogenannte Bruderschaftsallianz, zu der die Myanmar National Democratic Alliance Army, die Ta’ang National Liberation Army und die Arakan Army (AA) gehören, verurteilte am Montag die Militärjunta. Die AA, die für eine größere Autonomie im Rakhine-Staat im Westen des Landes kämpft, haben sich in den vergangenen zwei Jahren zu einer der stärksten Kräfte entwickelt, die sich dem Militär in Myanmar entgegenstellen. Die Kämpfe zwischen den AA und dem myanmarischen Militär intensivierten sich von November 2018 bis Anfang November 2020 stetig. Der Konflikt verursachte Hunderte von zivilen Todesopfern und führte zur Vertreibung von mehr als 200 000 Einwohnern. Das Regime hat die AA kürzlich von seiner Liste der »terroristischen« Gruppen gestrichen, nachdem die Kämpfe zwischen den beiden Seiten im November pausierten. Die neue Militärführung müsse die politische Krise lösen und auf die Forderungen der Bevölkerung eingehen, so die Rebellengruppen. Wenn das Militär diese Forderungen nicht erfülle und weiter töte, dann werde man den Menschen dabei helfen, sich selbst zu verteidigen.
Angesichts des brutalen Vorgehens der Militärjunta in Myanmar gegen Demonstranten bereitet sich das Nachbarland Thailand auf viele Flüchtlingen vor. Wie Ministerpräsident Prayut Chan-o-cha am Montag sagte, bereiten die örtlichen Behörden demnach Areale zur Unterbringung vor.