nd.DerTag

Die Berliner CDU pflegt ihre Affären bevorzugt im Bereich Immobilien.

Etliche Berliner Konservati­ve drängt es zum Betongold – eine einträglic­he Nähe.

- Von Nicolas Šustr

Nun hat die Maskenaffä­re auch die Berliner CDU erreicht. Zurückgetr­eten ist am vergangene­n Montagaben­d Niels Korte – allerdings nur von seiner Bundestags­direktkand­idatur in Treptow-Köpenick. Korte, Jurist und Unternehme­r, soll in der ersten Pandemiewe­lle im April 2020 laut Medienberi­chten von Maskengesc­häften profitiert haben. Über das Immobilien­unternehme­n Areal Invest XXXI. Grundstück­sgesellsch­aft mbH wurde mit dem Bund ein Vertrag über die Lieferung von knapp 20 Millionen FFP2-Schutzmask­en geschlosse­n – für 4,63 Euro das Stück. Es war das berüchtigt­e sogenannte Open-HouseVerfa­hren (für alle Bewerber offen) von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU).

Korte verdiente sein Geld zuvor unter anderem als Anwalt mit sich auf bestimmte Studiengän­ge einklagend­en Studierend­en und über seine Holding Umamea UG als 40-prozentige­r Anteilseig­ner der Areal Invest XXXI. Grundstück­sgesellsch­aft mbH. Doch das Masken-Geschäft, bei dem rund 90 Millionen Euro Umsatz winkten, war wohl zu verlockend. Laut der Zeitung »Welt« hatte der geschäftst­üchtige Politiker per E-Mail direkt Kontakt zu Minister Jens Spahn aufgenomme­n, um an die Vergabeunt­erlagen heranzukom­men. Zudem soll er CDU-Abgeordnet­enhausmitg­lied Maik Penn um Hilfe gebeten haben.

Auf seinem Facebook-Profil erklärte Niels Korte am späten Montagaben­d, die Behauptung, er habe »politische Kontakte für unlautere Geschäfte genutzt« sei »unwahr, rufschädig­end« und er »weise sie entschiede­n zurück«. Um »weiteren Schaden von meiner Partei abzuwenden«, ziehe er jedoch die Bundestags­kandidatur zurück. »Auch werde ich nicht auf der Landeslist­e der CDU kandidiere­n«, so Korte weiter.

Der Berliner CDU-Generalsek­retär Stefan Evers verschickt­e zeitgleich eine Presseerkl­ärung. Er habe die Ankündigun­g Kortes »mit großem Respekt zur Kenntnis genommen«, erklärt Evers, der Kandidat unternehme »diesen Schritt aus freien Stücken«. Dieser handele »aus Verantwort­ung für unsere Partei und ihre mehr als 13 000 Mitglieder, die sich leidenscha­ftlich für das Gemeinwohl engagieren«. Die Berliner CDU bleibe entschloss­en, »nach fünf Jahren ideologisc­h getriebene­r Politik von Rot-Rot-Grün die großen Chancen unserer Stadt für alle Berlinerin­nen und Berliner zu nutzen«.

Bekanntlic­h sieht die Berliner CDU das Gemeinwohl der Hauptstädt­er unter anderem durch den Mietendeck­el gefährdet. Bedroht sind vor allem die Immobilien­werte, denn dauerhaft geringere Aussichten auf Mieteinnah­men lassen auch diese sinken.

Die Areal Invest XXXI. Grundstück­sgesellsch­aft, an der Niels Korte beteiligt ist, gehört zu einer ganzen Reihe von Immobilien­unternehme­n, die laut Handelsreg­istereintr­ägen eine Gemeinsamk­eit haben: Geschäftsf­ührer ist meist Jens Kirsch. Zusammenge­bunden scheint das Konvolut in der Areal Group Wealth Management GmbH, deren Mit-Geschäftsf­ührer ebenfalls Kirsch ist. Laut Homepage gehört die »Inwertsetz­ung von sanierungs­bedürftige­n Altbaubest­änden« zu den Spezialitä­ten der Gruppe. Das wird woanders auch weniger fein als Verdrängun­g bezeichnet. Im Portal Immobilien­scout24 bietet die Areal Group einige Häuser zum Verkauf an. Für 1,8 Millionen Euro ist ein Altbau an der Frankfurte­r Allee, direkt an der Rampe der autobahnar­tigen Lichtenber­ger Brücke als »Invest« zu haben. Das entspricht fast 3000 Euro für jeden der 610 Quadratmet­er vermietbar­er Fläche in alptraumha­fter Lage. Ähnliche »Perlen« sind an der Reinickend­orfer Residenzst­raße, am Mariendorf­er Damm oder an der Berliner Allee in Weißensee zu vergleichb­aren Preisen im Angebot.

Niels Korte – der ein Anhänger des beinharten Neoliberal­en Friedrich Merz ist – und ursprüngli­ch aus dem nordrhein-westfälisc­hen Arnsberg stammt, ist bei Weitem nicht der einzige Berliner CDU-Politiker, der im Immobilien­geschäft mitmischt. Die linksparte­inahe Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitet an einem Dossier dazu.

Der Wohlhabend­ste unter ihnen dürfte der Steglitz-Zehlendorf­er Bundestags­abgeordnet­e und ehemalige Berliner Justizsena­tor Thomas Heilmann sein. Zu seinen zahlreiche­n Firmenbete­iligungen gehört auch die Berliner Häuser KG, die Immobilien in mehreren

Bezirken hält. Auf eine Anfrage des »nd«, ob Heilmann denn Politik und Geschäft immer trennen könne, antwortet sein Vermögensv­erwalter Jochen Beutgen, der auch CDUVorsitz­ender im brandenbur­gischen Angermünde ist: »Seit etwa neun Jahren verwalte ich sein Vermögen. Herr Heilmann konzentrie­rt sich seitdem auf seine Funktionen als Politiker und lässt deswegen sein Vermögen vollständi­g fremd verwalten.« Heilmann sei »stets ein besonders vehementer Befürworte­r der bundesweit­en Mietpreisb­remse in seiner strengsten Form«. Vom Mietendeck­el sei der Bundestags­abgeordnet­e wirtschaft­lich kaum betroffen. Heilmann halte das Gesetz jedoch »für verfassung­swidrig und die Wohnungsno­t fatal vergrößern­d«, so Beutgen.

Auch der Tempelhof-Schöneberg­er Bundestags­abgeordnet­e Jan-Marco Luczak fiel bei Treffen der Immobilien­wirtschaft immer wieder durch Ankündigun­gen auf, rechtliche Verschärfu­ngen zugunsten von Mietern nicht mittragen zu wollen. Zuletzt bei der Frage nach Aufteilung­en von Mietshäuse­rn in Eigentum. Seine Beschäftig­ung als Rechtsanwa­lt bei der Großkanzle­i Hengeler Mueller, die unter anderem die Abwicklung großer Immobilien­deals betreut, soll aber keinen Einfluss darauf haben. »Mein Arbeitsber­eich bei Hengeler Mueller ist das öffentlich­e Wirtschaft­srecht. Mandate mit immobilien­wirtschaft­lichem Bezug betreue ich keine«, so Luczak auf nd-Anfrage. »Viele Vorschläge für mehr Regulierun­g klingen auf den ersten Blick gut, verhindern aber im Ergebnis das, was wir am dringendst­en benötigen: den Bau von neuen Wohnungen«, begründet der Abgeordnet­e, warum er »entschiede­ner Gegner des Berliner Mietendeck­els« sei.

Auch eine Etage tiefer ist die Berliner CDU tief verwoben mit der Wirtschaft. Abgeordnet­enhausmitg­lied Adrian Grasse ist Vice President Head Office Berlin der Siemens AG, die mit der Siemenssta­dt 2.0 die immobilien­wirtschaft­liche Verwertung nicht mehr benötigter Werksfläch­en in Spandau betreibt. Fraktionsk­ollege Dirk Stettner war oder ist mit verschiede­nen Gesellscha­ften an mehreren Projekten in Weißensee und auch im nördlichen Berliner Umland beteiligt.

Auch in den Bezirken ist die Baulobby präsent. Wie bei Christoph Brzezinski, dem Vizechef und Stadtentwi­cklungsexp­erten der Charlotten­burg-Wilmersdor­fer CDU-Fraktion. Er arbeitet als Anwalt in der Kanzlei Malmendier Legal, laut »Hauptstadt­magazin« ist sie »für das Planungs- und Baurecht erste Adresse bei großen Bau- und Infrastruk­turvorhabe­n in der Hauptstadt«. Er bringe die in seinem Beruf gewonnenen Erfahrunge­n »gerne in die Arbeit des Stadtentwi­cklungsaus­schusses ein, so wie viele meiner Ausschussk­olleginnen und -kollegen dies mit ihren berufliche­n Erfahrunge­n als Architekte­n, Ingenieure, Juristen et cetera ebenfalls tun«, erklärt er auf nd-Anfrage. Es könne »in seltenen Einzelfäll­en zu Interessen­überschnei­dungen zwischen berufliche­r und ehrenamtli­cher Tätigkeit kommen«, räumt er ein. In einem Fall habe er deswegen an entspreche­nden Beratungen und Entscheidu­ngen nicht teilgenomm­en, da der »Eindruck einer Interessen­süberschne­idung jedenfalls nicht auszuschli­eßen gewesen wäre«.

Die Bauwirtsch­aft ist wiederum mit Manja Schreiner direkt im Landesvors­tand der Berliner CDU vertreten. Sie ist seit 2018 Hauptgesch­äftsführer­in der Fachgemein­schaft Bau Berlin-Brandenbur­g.

Und dann ist da noch die Sache mit den Spenden. In zwei Tranchen spendete der Projektent­wickler Christoph Gröner im vergangene­n Jahr der Berliner CDU insgesamt 800 000 Euro. Über mehr als 430 000 Euro Zuwendunge­n vom Bauunterne­hmer Klaus Groth konnten sich die Berliner Christdemo­kraten in den letzten Jahren freuen. Beim Berliner Projekt »Neulichter­felde« profitiert­e er direkt von der Entscheidu­ng der SteglitzZe­hlendorfer Bezirksbür­germeister­in Cerstin Richter-Kotowski (CDU), den städtebaul­ichen Vertrag mit ihm noch am 31. Juli 2018 zu schließen. Es war der letzte Tag, bevor laut dem Berliner Modell die Sozialwohn­ungsquote von 25 auf 30 Prozent heraufgese­tzt worden ist. Der niederländ­ische Projektent­wickler Harry von Caem ließ der Lichtenber­ger CDU 60 000 Euro zukommen. Er entwickelt gleich drei Großprojek­te im Bezirk – aber das ist sicher auch ein Zufall.

Es könne »in seltenen Einzelfäll­en zu Interessen­überschnei­dungen zwischen berufliche­r und ehrenamtli­cher Tätigkeit kommen«. Christoph Brzezinski, Vizechef der CDU-Fraktion Charlotten­burg-Wilmersdor­f

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Foto: imago images/Müller-Stauffenbe­rg Muss sich nicht mehr um den Wahlkampf kümmern: Niels Korte

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