nd.DerTag

Nicht arbeiten

- Stephan Kaufmann

Was es an Feiertagen zu feiern gilt, ist eigentlich die Freiheit. Man muss nicht ins Büro, nicht in die Fabrik oder den Laden. Was liegt da näher, als diese Freiheit zu nutzen, um endlich mal ganz in Ruhe – zu arbeiten, nämlich das wegzuschaf­fen, wozu man vor lauter Arbeit nicht kommt? Feiertage eignen sich, um Liegengebl­iebenes zu erledigen, um Pläne zu machen und mal nachzudenk­en, ungestört durch Anrufe, Mails, SMS.

900 Millionen unbezahlte Überstunde­n machten deutsche Beschäftig­te im vergangene­n Jahr, das entspricht 23 Millionen unbezahlte­n Wochen des Lebens oder – den Durchschni­ttslohn zugrunde gelegt – 22 Milliarden Euro, die den Unternehme­n geschenkt wurden. Und das sind nur grobe Schätzunge­n, wer zählt schon so genau nach, was er oder sie am Wochenende so nebenbei erledigt? Nicht enthalten sind darin auch die Millionen Stunden, die man mit Verwaltung und Einteilung des Verdienten verbringt: Steuererkl­ärung, Versicheru­ngen, Finanzanla­gen etc.

Der Zwang zum Geldverdie­nen bestimmt die Freizeit. Zum einen, weil sie eine Restgröße des Arbeitsleb­ens ist; zum anderen, weil dieser Zwang die Freizeit schrittwei­se okkupiert. Da die geforderte Arbeit zu viel ist, fließen Teile von ihr in die Überlaufbe­cken Wochenende und Feiertage. Damit werden jahrzehnte­lange Kämpfe der Arbeiterbe­wegung um die Begrenzung des Arbeitstag­es, um Erholung, Urlaub und Feiertage zurückgedr­eht, klammheiml­ich, ganz im privaten Rahmen, von jeder und jedem so für sich. Und freiwillig.

Da heißt es über Ostern: Stopp! Nichts nochmal schnell aufschreib­en oder nachprüfen. Kein kurzes Telefonat, nein, auch keine Mails checken. Computer aus, Handy aus. Ruhe. Und dann schauen, was übrig bleibt.

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