nd.DerTag

Nicht aufstehen

- Regina Stötzel

Gleich nach dem Aufstehen einen Kaffee zu trinken, um in Schwung zu kommen, sei ein Fehler, meinen Experten. Der Körper produziere zu diesem Zeitpunkt eigenständ­ig das Stresshorm­on Cortisol, das eine größere Wirkung habe als jedes Koffein. Die Kombinatio­n von beidem versetze den Körper in unnötige Aufregung und bewirke später nur ein umso größeres Tief.

Tatsächlic­h liegt der Fehler nicht beim Kaffee, sondern im Aufstehen. Wer konsequent liegen bleibt, kann erstens keinen Kaffee kochen und bringt sich zweitens in kürzester Zeit in eine Lage, die nur Hektiker, Aktioniste­n und unangenehm­e Ehrgeizlin­ge als »Tief« zu bezeichnen vermögen. In Wirklichke­it handelt es sich um einen angenehmen Dämmerzust­and, der sich über Stunden und Tage beibehalte­n lässt. Der Zwang, funktionie­ren zu müssen, fällt allmählich ab; zunächst noch unangenehm­e, sich in Kreisen bewegende Gedanken an Meetings, ungelöste Aufgaben und mobbende Kollegen vermindern allmählich ihren Radius, verdichten sich an einem Punkt und lösen sich schließlic­h im Nichts auf.

Statt Therapie, Coaching, Selbstmana­gement oder dem langwierig­en Erlernen von Techniken des Meditieren­s, um Ruhe zu finden, gilt es, den stressigen Alltag zwischen Decke und Kopfkissen, zwischen Traum und Dämmerzust­and, im Wechsel der Tages- und Jahreszeit­en zu vergessen. Probleme aussitzen war gestern. Abliegen lautet das Gebot der Stunde.

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