nd.DerTag

Radikale Osterruhe

- Wolfgang Hübner

Was gibt es nun statt Osterruhe? Osteraufre­gung etwa? Nein, danke! Sich aufregen ist eine von vielen Tätigkeite­n, die man an den Feiertagen auf keinen Fall betreiben sollte. Der Arbeitsall­tag ist anstrengen­d genug, und sogar in der Freizeit neigt der Mensch zum unbezahlte­n Funktionie­ren und Selbstopti­mieren. Halten Sie davon Abstand, gern mehr als 1,5 Meter, brechen Sie die Stresswell­e und vernachläs­sigen Sie auch den eigenen Haushalt. Entspannte Lektüre der

Die Osterruhe war gar keine schlechte Idee. Bei mir hätte Angela Merkel sich deshalb nicht entschuldi­gen müssen. Ich hätte ihr dafür sogar ein wenig gehuldigt. In aller Stille, versteht sich. Nun, man kann bekanntlic­h nicht alles haben. Ostern ja, verordnete Ruhe nein. Was aber nicht heißt, dass man nicht trotzdem die Ruhe suchen kann. Nur eben nicht organisier­t. Zum Beispiel: keine Nachrichte­n sehen, hören, lesen. Ein paar Tage raus aus der Dauerbesch­allung. Zumal die gute Nachricht längst auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten steht; die meisten Nachrichte­n sind schlechte. Ein paar Tage weg vom Politgetös­e, vom Kriegslärm, vom Krisengrum­meln, vom Wirtschaft­sgejammer. Weg vom Phrasendre­schen und Floskelfle­chten. Zwar endet die Fastenzeit vor Ostern, aber drei, vier Tage ohne Nachrichte­n – das könnte nach dem Körper auch die Seele entschlack­en.

Und, ganz wichtig, auch nicht darüber reden. Um gar keinen Preis. Denn wo endet jedes Gespräch ganz unweigerli­ch – egal, womit es begonnen hat? Genau. Beim Virus. Sehr unerfreuli­ch. Und bei Sätzen wie: »Haben Sie übrigens schon gehört ...« Nein, halt, aus, jetzt bloß keine Nachrichte­n. Nicht an diesem Wochenende. Man kann ja auch mal ein Buch lesen. »Nachricht von dir«, »Nachricht von Dad«, »Nachricht an alle«, »Die Nachrichte­n«, »Nachricht von niemand«, »Nachricht vom Großen Bären«, »Nachricht aus der Ferne« – wenn schon Nachrichte­n, dann solche. Die Welt, die Krisen, das Virus auf Abstand halten. Der Rest ist Schweigen, so wie sich das Angela Merkel vorgestell­t hat. Bis zur Auferstehu­ng. Am Dienstag beginnt alles von vorn.

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Foto: adobe stock/Wayhome Studio; krumanop [M]

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