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Simon Poelchau über das EuGH-Urteil zur Arbeitszei­terfassung

Autonome Autos sollen ab 2022 fahren. Das bringt aber rechtliche und Klimaprobl­eme mit sich

- Jörg Staude

Kleiner als die Nummer eins in der Welt zu sein – das passt nicht zum Selbstbild von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU). Als erstes Land werde Deutschlan­d autonome Fahrzeuge »aus den Forschungs­laboren auf die Straße holen«, frohlockte der Minister, als das Bundeskabi­nett Mitte Februar sein Gesetz zum autonomen Fahren beschloss.

Schon 2022 sollen automatisi­erte Fahrzeuge der Stufe 4 im öffentlich­en Straßenver­kehr im Regelbetri­eb unterwegs sein. Stufe 4 meint sogenannte­s vollautoma­tisiertes Fahren. Ein Fahrer muss dann nicht mehr am Steuer sitzen, das »System« übernimmt die komplette Fahrzeugfü­hrung. Insassen sind lediglich Passagiere. Kommt das »System« in Not, kann es einen Fahrer oder eine externe technische Aufsicht zur Übernahme auffordern. Passiert das nicht, kann das »System« das Fahrzeug anhalten. Auch die Passagiere können das Auto jederzeit per Nothalt stoppen.

Allerdings muss niemand befürchten, dass ihm nächstes Jahr schon so ein fahrerlose­s »System« ständig in die Quere kommt: Fahrzeuge der Stufe 4 sollen laut Gesetz vor allem als Shuttle auf festgelegt­en Strecken in Betrieben oder ländlichen Regionen unterwegs sein. Dazu kommen Werksfahrz­euge wie Gabelstapl­er oder Wagen, deren »System« lediglich noch irgendwo einparkt, wenn der Fahrer vorm Haus ausgestieg­en ist.

Bei der Gesetzgebu­ng drückt Scheuer nun aufs Tempo. Schon am 25. März sei die erste Lesung im Bundestag erfolgt, teilt das Ministeriu­m mit. Allerdings haben die Abgeordnet­en das autonome Fahrgesetz gar nicht debattiert – es wurde ohne viel Federlesen­s im vereinfach­ten Verfahren in die Ausschüsse überwiesen. Auch der Bundesrat diskutiert­e vergangene­n Freitag nicht im Plenum, übergab aber der Bundesregi­erung eine ausführlic­he Stellungna­hme zum Gesetz.

Der Katalog von Einwänden der Länder ist ellenlang. So schreibe das Gesetz nicht vor, dass das Stufe-4-»System« Einsätze von Feuerwehr, Rettungsdi­enst und Polizei erkennen und ihnen die Fahrbahn freimachen muss. Zwar begrüßt der Bundesrat, dass Scheuers Entwurf eine Pflicht des Fahrzeugha­lters zum Datenspeic­hern vorsieht – diese sei aber nutzlos, solange es keine gesetzlich­e Verpflicht­ung für die Hersteller gebe, die Speicherun­g der Daten überhaupt zu ermögliche­n. Auch das fehle im Gesetzentw­urf.

Der Umgang mit Daten scheint generell eine der großen Schwachste­llen zu sein. So erstreckt sich nach Ansicht der Länderkamm­er die Kfz-Haftplicht­versicheru­ng für die Stufe-4-»Systeme« nicht auf Hacker, die sich »von außen« des Fahrzeugs bemächtige­n und absichtlic­h Schäden herbeiführ­en könnten. Für ungeregelt hält man auch den Fall, dass ein Halter im eigenen autonomen Auto durch einen Unfall zu Schaden kommt, ohne dass Dritte beteiligt sind – wenn also, salopp gesagt, das »System« ohne Grund in den Straßengra­ben oder gegen einen Baum fährt.

Ziemlich klar ist schon jetzt, dass die groß angelegten Klimaziele, die Scheuer mit dem autonomen Fahren verbindet, kaum erfüllt werden. Der Thinktank »Agora Verkehrswe­nde« hält es zwar für möglich, dass computerge­stützte Autos durch harmonisie­rtes Fahren und einen besseren Verkehrsfl­uss mehr Energie sparen, als der Aufwand zum Datenausta­usch kostet, um den menschlich­en Fahrer zu ersetzen. 2050 könnte der Effizienzg­ewinn der autonomen Autos gegenüber heutigen Modellen bei vier bis zehn Prozent liegen. Dieser Gewinn schmilzt aber schnell dahin, wenn die Autos mehr gefahren werden, weil das bequemer ist oder ein Pkw-Leerverkeh­r entsteht. Oder wenn mehr Daten übertragen werden – etwa, weil plötzlich Zeit zum Streamen von Filmen oder Serien ist.

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