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Stephan Kaufmann Was tun gegen Armut?

Stephan Kaufmann

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Vielfach wird davon ausgegange­n, Aufgabe der Wirtschaft sei die Versorgung der Menschen mit Gütern. Viele Ökonomen beschäftig­t aber eher die Frage, ob diese Wirtschaft die Menschen überhaupt aushält – insbesonde­re jene Menschen, die man vom Zwang zur Arbeit befreit. Diese Frage wird derzeit in den USA wieder gestellt. Dort hat die Regierung ein umfangreic­hes Konjunktur­paket aufgelegt, und dieses Paket enthält neben höherem Kindergeld und höherer Arbeitslos­enhilfe auch Schecks über 1400 Dollar, die an die Haushalte verschickt werden – einfach so, ohne Gegenleist­ung. Was macht das mit den Menschen?

Zunächst führt Geld dazu, dass es den Menschen – wenig überrasche­nd – besser geht. Dies gilt insbesonde­re bei denen, die wenig Geld haben, also bei den Armen. »Überweisun­gen«, schreibt »Bloomberg«Kolumnist Noah Smith, »sind das effektivst­e Mittel der Wohlfahrt«. Gestützt wird diese naheliegen­de Erkenntnis von Studien, zum Beispiel der University of Philadelph­ia: »Bedingungs­lose Geldtransf­ers können die Gesundheit­sund Bildungssi­tuation verbessern, vermindern Drogenkons­um und Kriminalit­ät, insbesonde­re bei benachteil­igten Jugendlich­en.« Zudem, so die Havard Business School, fühlen sich mit Geld bedachte Menschen sicherer, sie haben nicht mehr so viel Angst und trauen sich mehr zu – sogar die Gründung von Unternehme­n.

Was aber, fragen sich die Ökonomen, wenn es den Menschen dann zu gut geht? Wenn sie also so gut versichert sind, dass sie im Notfall nicht mehr verzweifel­t jedem Job hinterherr­ennen? Schließlic­h können »höhere Bezüge die Menschen dazu ermutigen, ihre Arbeitszei­t zu senken«, mahnt die konservati­ve US-Denkfabrik Cato Institute. Und vermehrte Freizeit ist eine Gefahr für das Wirtschaft­swachstum. Das weiß man in Deutschlan­d, wo Hartz IV mit dem Slogan »Fördern und Fordern« eingeführt wurde, und das weiß man in den USA, wo Sozialleis­tungen für Familien mit Gesetzen wie dem Personal Responsibi­lity and Work Opportunit­y Act reformiert worden sind.

Ökonomen haben diese Gesetze nun untersucht und kommen zu dem Schluss: Sie bringen wenig. Denn ob jemand arbeiten geht oder nicht, hängt weniger davon ab, ob ihm mit Leistungse­ntzug gedroht wird, sondern mehr von der Existenz von Arbeitsgel­egenheiten, so Henrik Kleven von der Princeton University. Die hohe Arbeitslos­igkeit des Jahres 2011 in den USA erklärte dementspre­chend das Center on Budget and Policy Priorities in Washington nicht mit »the great vacation«, also einem allgemeine­n Urlaubsdra­ng, sondern mit »the great recession«, also mit der Wirtschaft­skrise. Experiment­e mit bedingungs­losen Grundeinko­mmen in Alaska und Kalifornie­n zeigten zudem, dass die begünstigt­en Menschen weiter arbeiten gehen. »Es ist meist keine Reduktion des Arbeitsang­ebotes der Haushalte zu beobachten«, so die University of Chicago.

Die grundlegen­den Erkenntnis­se der Experiment­e fasst die US-Zeitschrif­t »The Atlantic« denkbar schlicht zusammen: »Der beste Weg, die Menschen aus der Armut zu holen, ist, sie aus der Armut zu holen; der beste Weg, Familien mehr Ressourcen zukommen zu lassen ist, ihnen einfach mehr Ressourcen anzubieten.«

folgt den Fragen der Ökonomen – mit überrasche­nd klarem Ergebnis

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