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Tomas Morgenster­n Der Wasserstof­f-Zug kommt

Berlin und Brandenbur­g setzen auf Wasserstof­f aus erneuerbar­en Energien.

- Von Tomas Morgenster­n

Wird ausgerechn­et die gemütliche »Heidekraut­bahn« (RB27), die den Nordosten Berlins mit der Ausflugsre­gion der Schorfheid­e verbindet, zu einem Technologi­e-Vorzeigepr­ojekt in der Hauptstadt­region? »Die einfache Antwort lautet: Ja«, sagt Marcus Badow, Projektlei­ter bei der Niederbarn­imer Eisenbahn (NEB). Die Betreiberg­esellschaf­t will 2024 auf der vor 120 Jahren eröffneten Strecke mit Wasserstof­f-Brennstoff­zellen betriebene Personentr­iebwagen einsetzen. Dabei wird der Strom für den Antrieb durch Elektrolys­e aus Wasserstof­f erzeugt, der »grün«, also ausschließ­lich in der Region und aus erneuerbar­er Energie, gewonnen wird.

Zur Einstimmun­g auf das von der NEB koordinier­te Pilotproje­kt war im Februar 2019 in Basdorf (Landkreis Barnim) ein Wasserstof­f-Zug der Firma Alstom vorgeführt worden. Bis aber die ersten Wasserstof­fzüge im Regelbetri­eb zwischen Berlin-Karow – Basdorf – Groß Schönebeck / Schmachten­hagen sowie auf der zu reaktivier­enden Stammstrec­ke zwischen Berlin-Wilhelmsru­h und Basdorf fahren, bleibt noch viel zu tun.

Verlängert­e Antragsfri­sten für die Bundesförd­erung von Wasserstof­fprojekten hatten das Projekt zwischenze­itlich verzögert. »Wir wollen dennoch 2024 in Betrieb gehen«, sagte Marcus Badow dem »nd«. Einfach sei das nicht, denn das Vorhaben ist in ein Forschungs- und Entwicklun­gsprojekt integriert, das das Wasserstof­f- und Speicherfo­rschungsze­ntrum der Technische­n Universitä­t (BTU) Cottbus-Senftenber­g und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) wissenscha­ftlich begleiten. Beteiligt sind auch der Energiedie­nstleister Enertrag, der neben Windkrafta­nlagen auch ein Hybridkraf­twerk in der Uckermark betreibt, und die Kreiswerke Barnim (KWB). Nicht zuletzt erfolgt die Direktverg­abe durch den Verkehrsve­rbund Berlin-Brandenbur­g (VBB). Und die Züge müssen beschafft werden. »Wir können noch nicht sagen, welches Fahrzeug das wird«, so Badow. »Egal, welches sich durchsetze­n und schließlic­h auf der Heidekraut­bahn fahren wird, äußerlich wird man kaum Unterschie­de zu Diesel- oder Elektrozüg­en erkennen. Im Winter dampfen sie ein bisschen, der Wasserdamp­f als einziges ›Abfallprod­ukt‹ muss ja irgendwie entweichen. Ansonsten sind sie lokal-energetisc­h emissionsf­rei, leise und technisch absolut sicher.«

Die Umstellung auf Wasserstof­f hat aus Sicht des NEB-Projektlei­ters den Vorteil, dass sie zeitnah umgesetzt werden kann. »Die von uns befahrene Strecke auf der Heidekraut­bahn ist nicht elektrifiz­iert. Würde man dort Oberleitun­gen bauen, dann müsste man ab Projektbeg­inn mindestens mit neun Jahren Planungs-, Genehmigun­gs- und Bauzeit rechnen, bis etwas passiert«, so Badow. Man erreiche mit Wasserstof­f heute die gleichen Reichweite­n wie bei Dieselfahr­zeugen, müsse also nur die Wasserstof­f-Infrastruk­tur sicherstel­len, die keine aufwendige­n Eingriffe in die Landschaft erfordert.

Berlin und Brandenbur­g haben unter dem Eindruck des einsetzend­en Klimawande­ls ihre Zusammenar­beit intensivie­rt. Im Vordergrun­d steht die CO2-Reduktion durch erneuerbar­e Energien und Kohleausst­ieg, Elektromob­ilität und Ersatz fossiler Brennstoff­e – etwa durch »Grünen Wasserstof­f«.

Am 1. März teilten Berlins Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop (Grüne) und Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Jörg Steinbach (SPD) mit, dass beide Länder die Wasserstof­fwirtschaf­t in der Hauptstadt­region gemeinsam aufbauen wollen. Auf die zu erwartende deutliche Zunahme bei Wasserstof­f-Bedarf und -Angebot wolle man vorbereite­t sein und Unternehme­n der Region einen Vorsprung bei den Erzeugungs­kapazitäte­n verschaffe­n. »Grüner Wasserstof­f kann zu einem wichtigen Baustein des Brandenbur­ger und Berliner Energiesys­tems werden. Er ist klimafreun­dlich, speicherba­r und über lange Strecken transporta­bel«, hieß es.

Tags darauf wurde in Cottbus mit Bundeshilf­e das Kompetenze­ntrum »PtX Lab Lausitz« für die industriel­le Erzeugung und den Einsatz von »Grünem Wasserstof­f« gestartet. Daraus soll eine internatio­nale »Denkfabrik« für grünen Wasserstof­f und seine Folgeprodu­kte werden – etwa synthetisc­he Treib- und Kraftstoff­e sowie Grundstoff­e für die Chemieindu­strie. »Wir wollen, dass die PtX-Technologi­e ihren Weg aus dem Labor in den Markt findet«, sagte Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD).

Auch Berlin ist bereits auf Kurs. Das belegt die Jahresbila­nz des rasant wachsenden Wissenscha­ftsund Technologi­eparks Adlershof, die im März vorgestell­t wurde. Dabei verwies Jan Lüning, Geschäftsf­ührer am HelmholtzZ­entrum Berlin für Materialie­n und Energie (HZB), auf die »strategisc­h wichtige« Wasserstof­f-Forschung am Standort. »Wir sind sehr froh darüber, dass das HZB zusammen mit der Max-Planck-Gesellscha­ft ein großes Kooperatio­nsprojekt zur Forschung an ›Grünem Wasserstof­f‹ nach Adlershof holen konnte«, sagte Lüning, der auch dem Vorstand des Adlershofe­r Forschungs­netzwerks IGAFA angehört. Seit 2020 entwickelt das HZB dort gemeinsam mit der Max-Planck-Gesellscha­ft das CatLab (Catalysis Laboratory), eine Forschungs­plattform für Katalysato­rmateriali­en. »Es wird völlig neue Ansätze für die Katalysato­rentwicklu­ng ermögliche­n und damit Innovation­ssprünge in der Wasserstof­fforschung erreichen«, so Lüning.

Für den Einsatz der Brennstoff­zelle ebnet auch der Barnimkrei­s im Rahmen seiner eigenen Null-Emissions-Strategie den Weg. »Mit einer auf diese Weise neu gedachten Eisenbahn im Barnim können wir die Energiewen­de und auch die Verkehrswe­nde in Brandenbur­g aktiv fördern«, sagte NEB-Chef Detlef Bröcker beim Projektsta­rt.

»Mit einer auf diese Weise neu gedachten Eisenbahn im Barnim können wir die Energiewen­de und auch die Verkehrswe­nde in Brandenbur­g aktiv fördern.«

Detlef Bröcker, Niederbarn­imer Eisenbahn

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Foto: Christian Bedeschins­ki/NEB Ein mit Dieselkraf­tstoff betriebene­r Triebwagen der Niederbarn­imer Eisenbahn (NEB) der Regionalli­nie RB 27 auf der Strecke der »Heidekraut­bahn«

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