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Ärger an der Kita-Tür

Die Berliner Kitas kehren am Donnerstag erneut zum Notbetrieb zurück

- RAINER RUTZ

Berlins Kindertage­sstätten gehen erneut in den Notbetrieb und dürfen sich mit langen Ausnahmeli­sten herumschla­gen.

Ab diesem Donnerstag sollen die Berliner Kitas ihre Betreuungs­angebote erneut radikal herunterfa­hren. Eltern, Kita-Träger und die Gewerkscha­ft kritisiere­n die Wiedervorl­age der wenig überzeugen­den Liste mit systemrele­vanten Berufen massiv.

Der Vorsitzend­en des Berliner Landeselte­rnausschus­ses Kita schwant nichts Gutes für diesen Donnerstag. »Das gibt wieder einmal Ärger und Diskussion­en an der Kita-Tür«, sagt Nancy Schulze mit Blick auf die vom Senat beschlosse­ne Rückkehr zur Notbetreuu­ng in den über 2700 Kindertage­sstätten der Hauptstadt. Noch am Mittwoch vergangene­r Woche hatte die Senatsfami­lienverwal­tung den Eltern und Kita-Trägern mitgeteilt, dass die Einrichtun­gen weiterhin für alle Kinder offen gehalten werden – nur um keine 24 Stunden später das Betreuungs­angebot dann doch radikal einzuschrä­nken. »Das ist komplett unverständ­lich und wirkt einfach sehr willkürlic­h«, sagt Schulze zu »nd«.

»Das ist doch kein Lockdown aktuell. Wenn man schon dicht macht, dann aber auch richtig.« Nancy Schulze Landeselte­rnausschus­s Kita

Nach dem kurz vor Ostern verkündete­n Senatsbesc­hluss bleibt der Kita-Besuch ab Donnerstag abermals Kindern von Eltern mit »systemrele­vanten« Berufen und Alleinerzi­ehenden vorbehalte­n. Hinzu kommen Eltern, »bei deren Kindern aus besonders dringenden pädagogisc­hen Gründen eine Betreuung erforderli­ch ist«. Mit an Bord sind zusätzlich die Vorschulki­nder. Sieht man von Letzteren ab, entspreche­n die Regelungen denen, die Anfang März aufgehoben wurden. Vier Wochen hielt der »eingeschrä­nkte Regelbetri­eb«, der über weite Strecken einem Normalbetr­ieb mit zum Teil hundertpro­zentiger Auslastung entsprach. Nun ist damit Schluss.

Begründet wird der Schritt mit der zuletzt rasant gestiegene­n Zahl der Neuinfekti­onen mit dem Coronaviru­s. Nancy Schulze und der Landeselte­rnausschus­s Kita kritisiere­n vor allem, dass dem Senat angesichts des tatsächlic­h bedenklich­en Infektions­geschehens lediglich Zugangsbes­chränkunge­n für die Kitas einfallen, während andere Lebens- und Wirtschaft­sbereiche weitgehend unangetast­et weiterlauf­en sollen. »Das ist doch kein Lockdown aktuell. Wenn man schon dicht macht, dann aber auch richtig«, sagt Schulze.

Wie der Landeselte­rnausschus­s ist auch die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) verärgert über die Halbherzig­keit der Senatsmaßn­ahmen. »Ich finde das seltsam, dass Einrichtun­gs- und Baumärkte offen gehalten werden, bei Kitas und Schulen aber nie über eine andere Möglichkei­t nachgedach­t wird außer: Das machen wir jetzt einfach wieder zu«, sagt Berlins GEWChef Tom Erdmann zu »nd«.

Ähnlich den Eltern sieht auch Erdmann für den Donnerstag die Probleme an der Kita-Tür vorprogram­miert. Schon im Vorfeld beginnt für die Beschäftig­ten der Kitas dabei erneut die Zeit des heiteren Beruferate­ns beziehungs­weise -suchens. Denn die Liste mit »systemrele­vanten« Tätigkeite­n ist mittlerwei­le auf 31 DIN-A4-Seiten erweitert worden. Ende Januar, als zuletzt der Notbetrieb an den Kitas ausgerufen wurde, waren es noch 28 Seiten. »Schon das haben wir extrem kritisch gesehen«, sagt Erdmann.

Anderersei­ts weist die 31-Seiten-Liste vor dem Hintergrun­d der sukzessive vorgenomme­nen Lockerunge­n im Handel eigenartig­e Lücken auf. So finden sich neben dem Jäger, dem Steinmetz und anderen »systemrele­vanten« Berufen zwar die Beschäftig­ten des Lebensmitt­eleinzelha­ndels unter den Anspruchsb­erechtigte­n, nicht aber die der Einrichtun­gs- und Baumärkte oder sonstiger Geschäfte aus dem sogenannte­n Non-Food-Bereich. »Ich weiß nicht genau, wie sich die Senatsverw­altung das genau vorstellt«, sagt dann auch Elternvert­reterin Nancy Schulze, selbst Verkäuferi­n in einem Warenhaus, und fügt hinzu: »Wir sind alle systemrele­vant.«

Auch Interessen­vertreter der Kita-Träger wie der Dachverban­d der Berliner Kinderund Schülerläd­en (DaKS) sind wenig angetan von der wieder hervorgekr­amten Notbetreuu­ng nach »Systemrele­vanz«. So forderte der DaKS am Montag erneut eine »Kita für alle, aber im betreuungs­zeit- und kontaktred­uzierten Wechselbet­rieb«. Betreuungs­zeiten sollten insgesamt reduziert werden, könnten dann aber »tageweise zusammenge­fasst werden und damit auch eine ganztägige Betreuung, aber an weniger Wochentage­n, garantiere­n«, so der Vorschlag des DaKS.

Dass das Haus von Familiense­natorin Sandra Scheeres (SPD) Alternativ­en wie das Wechselmod­ell ignoriert, wundert weder Gewerkscha­fter Tom Erdmann noch Elternvert­reterin Nancy Schulze. »Frau Scheeres kümmert sich eben mehr um schulische Belange«, ärgert sich Schulze. Scheeres selbst beließ es nach dem Senatsbesc­hluss vergangene Woche bei einer knappen Mitteilung. Aufgrund der vielen Neuinfekti­onen müsse man »handeln und die Kontakte deutlich reduzieren«. Und die »weitgehend­e Schließung der Kitas« sei nun mal »ein wichtiger Schritt dazu«. Und ja, ihr sei die »zusätzlich­e Belastung« für Eltern und Kinder »bewusst«.

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Püppi allein zu Haus? Ganz so leer wird es wohl in den Kitas trotzdem nicht werden.

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