Verfassungsschutz bespitzelt Linke-Aktive
Geheimdienst überwachte drei Parteimitglieder in Niedersachsen offenbar mit V-Leuten
Drei Linke-Mitglieder fordern mit ihren Anwälten Akteneinsicht beim Verfassungsschutz. Noch ist das Ausmaß der Überwachungsmaßnahmen unklar.
Rund ein halbes Jahr vor den Kommunalwahlen in Niedersachsen hat der Verfassungsschutz des Landes drei Linkspartei-Mitglieder über ihre Überwachung informiert. Die Aktiven aus Hannover und Göttingen erhielten Ende März einen Brief der Behörde. Demnach hatte der Geheimdienst offenbar auch »Vertrauenspersonen« eingesetzt, um Informationen über sie zu gewinnen. Nach dem niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz müssen Betroffene nach Beendigung der Maßnahmen über diese informiert werden. Die Details sind jedoch noch unbekannt.
Bekommen hatte solch einen Brief unter anderem der Soziologe und Autor Thomas Goes. »Der Verfassungsschutz und insbesondere das Innenministerium stehen jetzt in der
Pflicht, Aufklärung zu leisten«, forderte der Aktivist, der vor allem für seine Auseinandersetzung mit neuer Klassenpolitik bekannt ist, gegenüber »nd«. Dass gerade Mitglieder einer Partei, die sich für soziale Gerechtigkeit und Demokratie einsetzt, überwacht wurden, sei für ihn ein Skandal. »Wir wollen von der heutigen Demokratie nichts nehmen, wir wollen aber noch viel mehr demokratische Rechte hinzufügen«, betonte Goes. Der Aktivist wies darauf hin, dass die Betroffenen der Überwachung ganz unterschiedlichen Richtungen der Partei angehörten. Das lege für ihn die Frage nahe, ob nicht größere Teile der Partei beobachtet worden sind. Betroffen ist laut »taz« auch Maren Kaminski, vormals Landesgeschäftsführerin der Linken in Niedersachsen und heute Gewerkschaftssekretärin bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Empörung über die Bespitzelung gab es aus verschiedenen Bereichen der Linkspartei. »Wir verlangen vollständige Transparenz über den Hintergrund und den Ablauf der Bespitzelung und die Löschung der Daten«, erklärte Heidi Reichinnek, die Vorsitzende der niedersächsischen Linkspartei. Auch eine Entschuldigung bei den Betroffenen sei aus Sicht der Politikerin fällig. Dass die Überwachung vor den anstehenden Kommunal- und Bundestagswahlen sowie der Landtagswahl im kommenden Jahr bekannt geworden ist, hat für Reichinnek zudem ein »besonderes Geschmäckle«. »Will das SPD-geführte Innenministerium hier im Vorfeld von Wahlen etwa politische Konkurrenz und mögliche Kandidaten in Verruf bringen?«, fragte das Ratsmitglied der Linksfraktion in Osnabrück.
Auch die Ko-Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, forderte Aufklärung und kritisierte den Geheimdienst scharf. »Dieser Skandal zeigt einmal wieder, warum der sogenannte Verfassungsschutz abgeschafft gehört«, sagte die Politikerin am Dienstag. Der Inlandsgeheimdienst sei nicht demokratisch kontrollierbar, könne aber instrumentalisiert werden, um politische Gegner einzuschüchtern und zu diskreditieren. »Statt die tatsächlichen Gefahren durch rechte Strukturen und Rechtsterror zu bekämpfen, werden linke Demokraten überwacht und V-Leute in der Linken eingesetzt«, so Wissler.
Um Einblick in die Überwachungsmaßnahmen zu erhalten, verlangen die Betroffenen nun über Anwälte Auskunft vom Land. Eine Anfrage von »nd« beim Landesinnenministerium sowie beim Landesamt für Verfassungsschutz zum Grund und Ausmaß der Bespitzelungsmaßnahmen blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.
Der Verfassungsschutz Niedersachsen steht derweil nicht das erste Mal in der Kritik. 2013 wurde bekannt, dass die Behörde jahrelang rechtswidrig mehrere Journalisten und Publizisten sowie eine Landtagsmitarbeiterin und einen Anwalt überwachen ließ. 1999 hatte das Landesamt kurzzeitig den NSU-Unterstützer Holger G. aus Hannover überwacht, dann aber trotz Terror-Hinweisen nach drei Tagen die Maßnahmen eingestellt.