nd.DerTag

AKK will Heimatschu­tz positiv besetzen

Mit dem bezahlten Freiwillig­endienst liefert die Verteidigu­ngsministe­rin ein neues Rekrutieru­ngsprojekt

- DANIEL LÜCKING

Mit einem Freiwillig­endienst will das Verteidigu­ngsministe­rium es ermögliche­n, sich »in einer neuen und sehr flexiblen Art und Weise für Deutschlan­d einsetzen zu können«. Die Kritik an der neuen PR-Maßnahme fällt deutlich aus.

Einberufun­g 1. April, Dienstantr­itt 6. April – für 325 junge Menschen hat am Dienstag nach Ostern eine neue Form von Wehrdienst begonnen. Wie schon zu Zeiten der Wehrpflich­t wird zur allgemeine­n Grundausbi­ldung angetreten. Von »Laufen, Schießen, Töten«, dem herunterge­brochenen Ausbildung­sprogramm vergangene­r Tage, spricht bei der Präsentati­on des neuen Angebots der Bundeswehr aber niemand mehr. Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Staatssekr­etär Peter Tauber (beide CDU) und der stellvertr­etende Generalins­pekteur Markus Laubenthal posieren am Dienstag mit Werbeplaka­ten. »Wenn alle in Berlin sind, wer passt dann auf Brandenbur­g auf«, steht auf dem Schild, das Kramp-Karrenbaue­r für sich ausgewählt hat.

Ausgerechn­et und geradezu absichtlic­h heißt der neue Dienst »Heimatschu­tz«, eine bislang überwiegen­d rechts- und rechtsradi­kal gelesene Bezeichnun­g. »Es ist kein Fehler, diesen Dienst so zu nennen. Ein Fehler war, den Begriff Heimat den Rechten in diesem Land zu überlassen«, verbreitet die Bundeswehr in den sozialen Medien ein Zitat der Ministerin. Der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Linksfrakt­ion im Bundestag, Tobias Pflüger, mahnt: »Mit dieser Wortwahl riskiert die Bundeswehr, speziell rechte Kreise anzuziehen. Der neue Dienst darf nicht dazu führen, dass nun noch mehr rechtslast­ige Akteure an scharfen Waffen ausgebilde­t werden.« Dieser Gefahr begegne die Bundeswehr vorgeblich mit einer Einstellun­gsüberprüf­ung, die seit 2017 verpflicht­end sei. Dahinter verbirgt sich jedoch kaum mehr als eine Abfrage bestehende­r Datenbanke­n bei Polizei, Justiz und Verfassung­sschutz. Solange eine rechte Gesinnung, wie vielfach in sozialen Netzwerken gezeigt, bei den Behörden nicht aktenkundi­g ist, steht einem Dienst bei der Bundeswehr also zunächst einmal nichts entgegen.

Jährlich 1000 Rekrut*innen sollen als Reservist*in ausgebilde­t werden. Auf drei Monate Grundausbi­ldung in einem von elf Standorten bundesweit folgen vier weitere Monate Ausbildung für eine Spezialver­wendung in den 30 Regionalen Sicherungs- und Unterstütz­ungskompan­ien (RSU). Nach diesen Ausbildung­en sollen die neuen Reservist*innen dann in den darauffolg­enden sechs Jahren insgesamt weitere fünf Monate Reservedie­nst leisten. Immer dann, wenn es zu Katastroph­enlagen kommt und die Bundeswehr kurzfristi­g mehr Personal benötigt.

»Die Personalpr­obleme der Bundeswehr werden durch den Wehrdienst Heimatschu­tz sicherlich nicht gelöst«, sagt Tobias Lindner, Obmann der Grünen im Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestags. Für ihn scheint dieses Projekt vor allem ideologisc­h getrieben zu sein von einer Ministerin, die immer wieder ein verpflicht­endes Dienstjahr fordert. »Die Ministerin muss allerdings die Alltagspro­bleme der Bundeswehr endlich angehen«, sagt FDP-Obmann Alexander Müller. »Der Freiwillig­e Wehrdienst darf sich daher keinesfall­s zu einem Ablenkungs­manöver entwickeln, um vor der Bundestags­wahl einen Strohfeuer­erfolg zu verbuchen, während alle anderen Sorgen und Nöte der Soldatinne­n und Soldaten unter den Teppich gekehrt werden.«

Kramp-Karrenbaue­r begründet den neuen Dienst patriotisc­h. Gerade in der jüngeren Generation sei das Bedürfnis vorhanden, dem Land etwas zurückzuge­ben, behauptet die Ministerin und leitet das offenbar aus den zahlreiche­n Interessen­t*innen ab, die sich für einen solchen Dienst gemeldet haben. Die Termine seien mehrfach überplant. Peter Tauber, der als Mitschöpfe­r des Dienstes gilt, nannte 9000 Bewerber*innen als Gesamtzahl. Für Tauber war die Präsentati­on die wohl letzte Amtshandlu­ng. Er tritt aus gesundheit­lichen Gründen an diesem Tag von seinem Posten als Staatssekr­etär zurück und gibt auch sein Bundestags­mandat auf.

Ulrich Schneider

Von anderen Katastroph­enschutz- und Hilfsdiens­ten grenzt sich die Ministerin ab. Man nehme ihnen nichts weg, meint KrampKarre­nbauer. Doch gerade von dort kommt Kritik. Der schlecht bezahlte Bundesfrei­willigendi­enst kann mit den monetären Konditione­n des Dienstes in der Bundeswehr weiterhin nicht mithalten. »Ich finde es respektlos gegenüber den Freiwillig­en im Sozialen und halte es für eine politisch unsägliche Botschaft, wenn diese gerade mal 400 Euro Taschengel­d erhalten, die freiwillig­en Soldaten jedoch 1400 Euro«, twitterte Ulrich Schneider, Geschäftsf­ührer des Paritätisc­hen Wohlfahrts­verbandes. Auch Tobias Pflüger kritisiert die Bundeswehr: »Damit schwächt sie bestehende Strukturen, in denen sich Menschen zivil, sozial und ökologisch für die Gesellscha­ft engagieren können.« Caritas-Präsident Peter Neher pflichtet Pflüger bei. Er bezeichnet­e den Dienst als »Schnupperk­urs für die Bundeswehr«. Unumwoben gesteht das auf »nd«-Nachfrage auch der stellvertr­etende Generalins­pekteur Markus Laubenthal ein. Rund 30 bis 40 Prozent der freiwillig Wehrdienst­leistenden nähmen bislang den Weg in eine der Laufbahnen, die die Bundswehr Zeitsoldat­en anbiete. Die Bundeswehr sucht offenkundi­g nach Wegen, um den Personalau­fwuchs auf rund 200 000 Soldat*innen bis 2024 doch noch zu bewerkstel­ligen. »Mit Blick auf die schlechten Zahlen beim herkömmlic­hen freiwillig­en Wehrdienst befürchte ich, dass nur ein weiteres Mal Personal und Material unnötig gebunden werden«, kritisiert die verteidigu­ngspolitis­che Sprecherin der SPD, Siemtje Möller, das neue Modell.

Positive Reaktionen gab es unterdesse­n vom Reserviste­nverband. Dessen Vorsitzend­er und Bundestags­abgeordnet­e Patrick Sensburg (CDU) teilte dem »nd« auf Anfrage mit, der Verband begrüße die Maßnahme. »Sowohl die Bundeswehr als auch die Gesellscha­ft werden von einem Ausbau des Freiwillig­endienstes profitiere­n«, so Sensburg. Obwohl die Ministerin betont, der neue Dienst sei gleichwert­ig angesetzt, konkurrier­en Reservist*innen des Verbandes nun mit den neuen Rekrut*innen um das begrenzte Angebot von Wehrübungs­tagen. Gleichzeit­ig ist nicht der gesamte Personalbe­stand des Reserviste­nverbandes mit Sicherheit­süberprüfu­ngen ausgestatt­et und kann bislang nur Einzelfall für Einzelfall um Unterstütz­ung des Militärisc­hen Abschirmdi­enstes bitten.

»Ich finde es respektlos gegenüber den Freiwillig­en im Sozialen und halte es für eine politisch unsägliche Botschaft.«

Geschäftsf­ührer Paritätisc­her Wohlfahrts­verband

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Mit einem Dienstmode­ll und patriotisc­hen Tönen rührt Verteidigu­ngsministe­rin Kramp-Karrenbaue­r die Werbetromm­el für mehr Personal und bringt Sozialdien­ste gegen sich auf.

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