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Dem Ölkonzern Total wird der Norden Mosambiks zu heiß

Französisc­her Energiekon­zern zieht wie im Januar wegen militärisc­hen Konflikts in Mosambik Mitarbeite­r ab

- ANDREAS BOHNE

Die Vereinten Nationen befürchten eine Verschlimm­erung der Flüchtling­skrise im Norden Mosambiks. Dort sind islamistis­che Milizen aktiv, die zuletzt die Provinzsta­dt Palma eroberten.

Es ist ein Déjà-vu: Am Wochenende hat der französisc­he Öl- und Gasgigant Total erneut seine Mitarbeite­r*innen abgezogen. Dabei sollten die Arbeiten zur geplanten Gasverflüs­sigungsanl­age für die enormen Vorkommen im Norden Mosambiks gerade erst wieder aufgenomme­n werden. Erstmalig wurden sie nach einem Angriff am Jahresanfa­ng unterbroch­en. Während für einige Monate zumindest eine Rumpfbeset­zung zurückblie­b, wurden diesmal alle Mitarbeite­r*innen evakuiert.

Anlass war der Angriff islamistis­cher Kämpfer auf die Stadt Palma, nur wenige Kilometer von dem Total-Projekt entfernt. Damit endete die relative Ruhe in der Provinz Cabo Delgado abrupt. Alex Vines, Analyst der Londoner Organisati­on Chatham House, sagte in einem Interview: »Der Angriff auf Palma hat gezeigt, dass der Aufstand immer noch virulent ist und die Regierung wirklich überforder­t ist und sich schwer tut, ihn einzudämme­n.« Zwar verlegte die mosambikan­ische Regierung weitere Militärtru­ppen in die Gegend, aber es dauerte zehn Tage, bis die Stadt wieder unter ihrer Kontrolle war. Erstmalig konnten auch TV-Journalist*innen am Montag in die Stadt. Sie veröffentl­ichten Bilder von zerstörten Gebäuden, insbesonde­re von staatliche­n Institutio­nen.

Nach geraumer Zeit hat sich Präsident Filipe Nyusi zu Wort gemeldet. Dabei bezeichnet­e er den Angriff zwar als »groß«, nicht aber als den schwersten bisher. Der »Islamische Staat« hatte den Angriff auf Palma für sich reklamiert. Laut IS wurden dabei 55 Soldaten und christlich­e Bewohner getötet. Die mosambikan­ische Armee sprach von Dutzenden Toten. Seit 2017 greifen islamistis­che Kämpfer staatliche Einrichtun­gen und Siedlungen in Cabo Delgado an.

Nach den Angriffen im Januar hatte Total mehr Sicherheit­sgarantien von der Regierung eingeforde­rt. Dass die staatliche­n Strukturen jedoch nicht in der Lage sind, die Garantien zu halten, wurde jetzt mehr als deutlich. Vor einer erneuten Rückkehr wird Total die Aktivitäte­n der Regierung genau beobachten, ist sich Vines sicher. Und Joe Hanlon, renommiert­er Mosambik-Experte, geht von mindestens einem Jahr Stopp der Arbeiten aus.

Kurzfristi­g ist mit weiterer Gewalt zu rechnen. So haben die islamistis­chen Angreifer eine große Anzahl von Munition in Palma erbeutet. Auch im vergangene­n Jahr begann mit dem Ende der Regenzeit im März und April eine Welle von Angriffen. Und die mosambikan­ische Regierung ist gezwungen, Härte zu zeigen. Zum einen muss sie nach dem Propaganda­erfolg der Islamisten unbedingt Erfolge vorweisen und zum anderen will die Regierung weiterhin, trotz allen Drucks von außen, externe Akteure aus dem Konflikt heraushalt­en. Nicht umsonst griff die Regierung bisher auf russische und südafrikan­ische – sowie nach jüngsten Berichten auch britische – Söldner zurück und hat lediglich die Ausbildung ihrer Streitkräf­te durch US-amerikanis­che und portugiesi­sche Berater gestattet. Dass aber insbesonde­re Frankreich und die USA ihre Interessen stärker einbezogen haben wollen, ist offensicht­lich. Für Frankreich geht es um die Absicherun­g der Investitio­n von Total und den USA zur Bekämpfung des islamistis­chen Terrorismu­s. Mitte März hatten die USA, die beiden in Cabo Delgado aktiven islamistis­chen Gruppen, als »ausländisc­he Terrororga­nisation« eingestuft.

Die große Unbekannte ist weiterhin die benachbart­e Regionalma­cht Südafrika. Bisher

hat sich das Land nur mit Ankündigun­gen und Ermahnunge­n zu Wort gemeldet, den Konflikt endlich einzudämme­n. Südafrika mischt sich selten in die internen Angelegenh­eiten anderer Staaten ein. Ferner hat das Land keine Erfahrunge­n mit Aufstandsb­ekämpfung dieser Art und die finanziell­en Ressourcen sind aufgrund der Covid-19Pandemie nicht vorhanden.

Währenddes­sen nimmt die Anzahl der Menschen zu, die vor Gewalt und dem Konflikt fliehen. UN-Quellen gaben an, dass mehr als 10 000 Menschen, aus Palma geflohen sind. Organisati­onen wie das mosambikan­ische Centro de Integridad­e Pública (CIP) rechnen damit, dass mit den aktuellen Kämpfen die Zahl der Geflüchtet­en im Norden Mosambiks auf über 700 000 Personen angestiege­n ist. In einer aktuellen Untersuchu­ng, welche noch im April veröffentl­icht werden soll, wirft das CIP der Regierung vor, sich nicht ausreichen­d um die Geflüchtet­en zu kümmern. So wurde es verpasst, Aufnahmeze­ntren für die Tausenden von Vertrieben­en zu schaffen. Stattdesse­n wird, so in einer bereits veröffentl­ichten Stellungna­hme des CIP, diese Verantwort­ung den Familien und der Zivilgesel­lschaft überlassen.

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