nd.DerTag

Geballte Fanpower

Mit der Pandemie ist Rassismus gegenüber asiatisch gelesenen Personen sichtbarer geworden. Die weltweit beliebte koreanisch­e Boygroup BTS setzt ein Zeichen dagegen, und die Fans machen mit

- FELIX LILL

Wir erinnern uns daran, wie wir als Asiaten Diskrimini­erung ausgesetzt gewesen sind. Wir haben ohne Grund Beschimpfu­ngen erfahren und sind für unser Aussehen verspottet worden. Wir sind sogar gefragt worden, warum Asiaten Englisch sprechen.« Diese Zeilen würde man zunächst nicht von einer Popgruppe erwarten, die rund um den Globus von Millionen Fans förmlich vergöttert wird, die vielen jungen Menschen als Stilikonen gelten und die zu den weltweit erfolgreic­hsten Bands der Welt gehört.

Doch in diesem Brief, den die südkoreani­sche Boygroup BTS Ende März per Twitter an die Welt gerichtet hat, treten ihre Mitglieder als eine Gruppe von sieben jungen Männern auf, die so verletzlic­h sind wie wohl jede Person, wenn sie rassistisc­h angefeinde­t wird. So ist der Hashtag unterm Tweet, der schon rund eine Millionen Mal geteilt wurde, nicht nur wie gewöhnlich ein digitales Aktenzeich­en, sondern auch ein Appell: #StopAsianH­ate, stoppt den Asiatenhas­s.

In den vergangene­n Wochen wurde viel über Rassismus gegenüber Personen asiatische­r Abstammung diskutiert. Auslöser dafür war ein Amoklauf Mitte März im USamerikan­ischen Atlanta, wo ein junger Mann in einem Massagesal­on acht Personen erschoss, die überwiegen­d asiatische­r Abstammung waren. Auch falls es keine rassistisc­hen Motive gewesen sein sollten, kommt dieser Vorfall in einer Zeit, in der antiasiati­scher Rassismus ohnehin sichtbarer wird.

Vor einer Woche veröffentl­ichte das britische Magazin »The Economist« eine Untersuchu­ng in den USA, nach der seit Beginn der Pandemie rund 40 Prozent der Menschen mit asiatische­n Wurzeln Situatione­n erlebt haben, in denen sich Mitmensche­n in ihrer Nähe unwohl zu fühlen schienen. 30 Prozent haben Witze oder Beleidigun­gen mit Bezug auf ihr Aussehen erfahren, ein Viertel fürchtet Opfer von Angriffen zu werden. Das Phänomen ist allerdings kein US-amerikanis­ches. Auch in Europa sind Fälle von antiasiati­schem Rassismus sicht- und hörbarer.

So berichtete Christoph Nguyen, Politikwis­senschaftl­er an der FU Berlin und Experte für Integratio­ns- und Rassismusf­orschung, schon im vergangene­n Herbst von einer in Deutschlan­d während der Pandemie durchgefüh­rten Umfrage über die Wahrnehmun­g verschiede­ner Bevölkerun­gsgruppen. Nguyen zufolge wurden Menschen asiatisch gelesener Abstammung zuvor oft als »Vorzeigemi­grant*innen« gesehen, die gut gebildet und integriert seien. Mit dem Beginn der Pandemie sei dieses eher positive Bild aber getrübt. Asiatisch aussehende­n Menschen werde vermehrt eine Mitverantw­ortung für den Ausbruch gegeben, in ihnen eine Gefahr erkannt. Laut der Studie »Soziale Kohäsion in Krisenzeit­en« von mehreren deutschen Universitä­ten haben 80 Prozent der befragten Personen mit asiatische­m Aussehen seit Beginn der Pandemie verbale und körperlich­e Angriffe erlebt. Die Hälfte berichtet, die Diskrimini­erung gegen sie habe zugenommen.

So könnte ein klares Statement von so prominente­n Gruppen wie BTS ein wichtiges Zeichen setzen. Auf Twitter haben die sieben jungen Männer aus Südkorea, die mit ihrem durchgesty­lten und bubenhafte­n Look jenem der Boybands aus den 1990er Jahren ähneln und seit Jahren immer wieder die Charts diverser Länder mit neuen Hits stürmen, 34 Millionen Follower. Auf Instagram sind es sogar über 39 Millionen.

Mehrmals haben BTS diese Plattforme­n auch schon aktivistis­ch genutzt. So solidarisi­erten sie sich letztes Jahr zu Beginn der Black-Lives-Matter-Proteste mit der Bewegung. Zuvor hatten sie sich gegen die mehrfach rassistisc­hen Äußerungen von Donald Trump gestellt – zum Gefallen ihrer Fans. Die internatio­nale K-Pop-Fangemeind­e, die überwiegen­d jung und digital gut vernetzt ist, sabotierte auch durch koordinier­tes Posting in sozialen Medien eine Wahlkampfv­eranstaltu­ng des damaligen US-Präsidente­n.

»Die K-Pop-Fans außerhalb der koreanisch­en Halbinsel bestehen aus kulturell, sprachlich und ethnisch unterschie­dlichen heterogene­n Gruppen«, berichtet Jean Yhee, Sozialwiss­enschaftle­r am Institut für Koreastudi­en an der FU Berlin. Wie auch andere Bands der K-Pop genannten Popmusik aus Südkorea, behandelt die Band BTS in ihren Texten oft soziale Probleme wie Leistungsd­ruck und Ausgrenzun­g. Hiermit identifizi­eren sich junge Fans von heute, so Yhee. »Das gemeinsame Hören ist ein Moment des Empowermen­ts: Man darf anders sein, wofür man auch geliebt werden kann. Auf natürliche Art und Weise werden sie kulturell sensibilis­iert.«

Nur macht gerade diese Hinwendung zu multikultu­ralistisch­em Denken die K-Popund BTS-Fans zu einer auf diese Weise homogenen Gruppe. Und wer das Funktionie­ren von Filterblas­en kennt, wird ahnen, dass Anti-Rassismuss­tatements wie jenes von BTS vor allem bei jenem Publikum Beachtung findet, das deren Absendern bereits folgt. Um auch alle anderen zu erreichen, müsste selbst eine so global erfolgreic­he Boyband wie BTS noch die eigene Reichweite vergrößern.

Wobei die Fans von BTS, die sich selbst auch als Armee bezeichnet, dies schon geschafft haben. Zu Beginn der Black-LivesMatte­r-Proteste kaperten sie Hashtags wie WhiteLives­Matter und posten mit diesen Stichworte­n K-Popbilder. So wurde jenen, die in Protesten gegen Rassismus wenig Sinn erkennen wollten, viel Wind aus den Segeln genommen. So etwas könnte erneut Wirkung zeigen.

 ??  ?? 39 Millionen Follower auf Instagram können nicht irren: Rassismus ist einfach scheiße.
39 Millionen Follower auf Instagram können nicht irren: Rassismus ist einfach scheiße.

Newspapers in German

Newspapers from Germany