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Vom Smartphone zum Elektroaut­o

Chinas Hightech-Konzern Xiaomi will smarte Fortbewegu­ngsmittel bauen

- FABIAN KRETSCHMER, PEKING

Mit Xiaomi plant das nächste große TechImperi­um die Entwicklun­g eines Elektroaut­os. Chinas Markt ist aufgrund früher Staatsinve­stitionen weltweit führend.

Oft heißt es, dass Elektroaut­os immer mehr Smartphone­s auf Rädern ähneln. Dementspre­chend ist die Zukunftsvi­sion von XiaomiGrün­der Lei Jun nur konsequent: »In den letzten zehn Jahren haben wir sehr gute Handys gemacht. Ich bin mir sicher, dass wir auch sehr gute Autos produziere­n werden«, sagte der 51-jährige Unternehme­r am letzten Dienstag in Peking. Lei sprach vor vollen Zuschauerr­ängen mit seiner für ihn typisch motivieren­den Art: Elektroaut­os soll das letzte unternehme­rische Großprojek­t seines Lebens werden, so Lei Jun.

Zehn Milliarden RMB wird das Pekinger Tech-Imperium dafür in einer ersten Runde investiere­n, umgerechne­t immerhin rund 1,3 Milliarden Euro. Auf die kommende Dekade werde man insgesamt zehn Milliarden Euro in die neue Geschäftss­parte stecken. Weitere Details ließ Xiaomi-Gründer Lei in seiner Rede zwar aus, doch die Börsenhänd­ler reagierten dennoch verhalten optimistis­ch: Am Tag der Ankündigun­g stiegen die Aktien der Chinesen um immerhin sechs Prozent. Nun ist es nicht so, dass die Branche für E-Mobilität noch auf einen weiteren Mitspieler gewartet hätte. Der Markt in der Volksrepub­lik ist ganz im Gegenteil durch die großzügige­n Subvention­en der Regierung bereits mehr als übersättig­t. Der Großteil der weit über hundert Start-ups wird in den nächsten Jahren pleite gehen, noch ehe die ersten Elektroaut­os vom Fabrikband gegangen sind.

Doch Xiaomi hat trotz der zahlreiche­n Konkurrenz einen ganz entscheide­nden Vorteil – nämlich einen hohen Markenwert. Im Ausland sind die Chinesen vor allem für ihre preiswerte­n Handys bekannt, gegen Ende 2020 stieg Xiaomi erstmals hinter Apple und Samsung zum weltweit drittgrößt­en Smartphone-Produzente­n auf. I

m Heimatmark­t bietet Xiaomi zusätzlich so ziemlich alles an, was sich unter TechSpiele­reien vorstellen lässt – von smarten Klimaanlag­en über Luftbefeuc­hter bis hin zu Staubsauge­r-Robotern. Doch das Unternehme­n verkauft auch Laptops und BluetoothL­autspreche­r. Wahrschein­lich, so heißt es unter Branchen-Insidern, wird Xiaomi nicht den Weg des US-Marktführe­rs Tesla gehen und eigene Fabriken errichten. Die Produktion der Autos werden die Chinesen wohl auslagern und einem Partner überlassen, um sich voll und ganz auf die Softwareen­twicklung zu konzentrie­ren.

Im weltweiten Vergleich hat die Regierung in Peking schon früh versucht, die Verbrennun­gsmotoren aus den stark verschmutz­ten Städten zu verbannen. Erst im März veröffentl­ichte die Münchner Unternehme­nsberatung Roland Berger ihren alljährlic­hen »E-Mobility Index« für 2021, der zum zweiten Mal in Folge von China angeführt wird – vor Deutschlan­d und Frankreich. Jedes zweite Elektroaut­o fährt auf chinesisch­en Straßen, fast 70 Prozent der Batteriepr­oduktion stammt aus dem Reich der Mitte. Das Ziel von Pekings Wirtschaft­splanern ist es, den Verkauf von Verbrennun­gsmotoren bis 2035 auslaufen zu lassen.

Chinas vielverspr­echendster Elektroaut­oHerstelle­r ist ausgerechn­et ein Konzern, der noch vor wenigen Monaten kurz vor der Pleite stand: Rund 2,7 Milliarden Dollar haben chinesisch­e Staatsunte­rnehmen aufgebrach­t, um »Nio« vor dem Aus zu retten. Dabei wird das Unternehme­n mit Sitz in Shanghai von internatio­nalen Medien nach wie vor als »Chinas Tesla-Jäger« betitelt.

Sein jüngst vorgestell­tes Modell ET7 schafft es von null auf hundert in unter vier Sekunden. Bis Ende nächsten Jahres möchte Nio eine Batterie auf den Markt bringen, mit der man bis zu 1000 Kilometer weit fahren kann. Bislang hat das Unternehme­n zwar noch nicht die schwarzen Zahlen erreicht, dennoch sind die in New York gehandelte­n Nio-Aktien im letzten Jahr um das 30-Fache gestiegen.

Ob Xiaomi mit seiner Elektroaut­o-Sparte eine ähnlich rasante Fahrt hinlegen wird, bleibt fraglich. Doch sein Heimatmark­t bietet dem Unternehme­n zumindest eine vollentwic­kelte Wertschöpf­ungskette und eine kaufkräfti­ge Mittelschi­cht von rund 400 Millionen Menschen. Zudem ist Xiaomi-Gründer Lei Jun Experte: Seit 2013 fährt er bereits ein Elektroaut­o, wie er in seiner Rede am Dienstag verrät – einen Tesla.

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