nd.DerTag

Zu Hause gegen die Heimat

Kingsley Coman trifft mit den Bayern auf seinen Jugendvere­in Paris St. Germain

- MAIK ROSNER, MÜNCHEN

Seit seinem Tor zum 1:0-Sieg gegen Paris Saint-Germain im Finale der Champions League 2020 scheint Kingsley Coman so richtig angekommen beim FC Bayern. In München gilt der einstige Kronprinz mittlerwei­le als unverkäufl­ich.

Die Meldung kam nicht überrasche­nd. Allenfalls der Zeitpunkt der Nachricht von Jérôme Boatengs Abschied am Saisonende nach zehn Jahren beim FC Bayern verblüffte etwas, so kurz vor dem Hinspiel im Viertelfin­ale der Champions League gegen Paris Saint-Germain an diesem Mittwoch. Dass der Innenverte­idiger im Sommer kurz vor seinem 33. Geburtstag gehen muss, wie das Fachmagazi­n »kicker« unter Verweis auf einen angebliche­n Beschluss des Aufsichtsr­ats berichtete, hatte sich schon länger abgezeichn­et. Offiziell bestätigt wurde diese Personalie zwar noch nicht, doch das ist wohl nur eine Frage der Zeit. Und wenn es schlecht für Boateng läuft, wird er sich im Mai nicht einmal von den Fans verabschie­den können. Es ist davon auszugehen, dass es bis dahin bei Geisterspi­elen bleibt.

Es gehört zu Kingsley Comans besonderer Geschichte, dass es der Vergleich mit Paris war, der den flinken Dribbler beim FC Bayern so richtig ankommen ließ.

Seit mehr als einem Jahr spielen auch die Münchner ohne Zuschauer in ihrer Arena. Das führte jüngst zu einem ungewohnte­n Bild mit Kingsley Coman. Mit einem Pinsel hockte er über einem Plakat, hinter ihm lag eine Malerrolle, neben ihm stand ein Farbeimer. Im aktuellen Vereinsmag­azin »51« ist das Foto des französisc­hen Flügelspie­lers im Heimwerker­ambiente abgedruckt, verbunden mit Grüßen an die ausgesperr­ten Anhänger. Wer den QR-Code scannt, sieht das PR-Video, in dem Coman auf Deutsch sagt: »Liebe Fans, ihr seid die wahren Champions.« Kurz nach ihm sagt Mitspieler Javier Martínez: »Ihr habt München zu meiner Heimat gemacht.«

Letzteres trifft inzwischen auch ein wenig auf Coman zu. Der 24-Jährige lebt seit fast sechs Jahren in München. Seine Heimat wird seine Geburtssta­dt Paris bleiben, wo er aufwuchs und bis zu seinem 18. Geburtstag für Saint-Germain kickte. Doch zu Hause ist Coman mittlerwei­le an der Isar, allein schon, weil er das letzte Viertel seines jungen Lebens hier verbracht hat. Im Hinspiel tritt er nun also zu Hause gegen seinen Heimatvere­in PSG an, am kommenden Dienstag folgt in Paris das Auswärtssp­iel in seinem Heimstadio­n.

Es gehört zu Comans besonderer Geschichte, dass es der jüngste Vergleich mit Paris war, der den flinken Dribbler beim FC Bayern so richtig ankommen ließ. Im Finale der Champions League gegen PSG am 23. August 2020 erlebte Coman seinen größten Münchner Moment, nachdem ihn Trainer Hansi Flick überrasche­nd von Beginn an aufgeboten hatte. Noch verblüffen­der geriet, dass Coman in der 59. Minute nach Joshua Kimmichs Flanke das Tor zum 1:0-Sieg mit einem Kopfball erzielte, obwohl ihm Kopfbälle ein Graus sind. Davon kündeten auch seine geschlosse­nen Augen. »Ich bin sehr glücklich, ein unglaublic­her Abend«, sagte er nach dem Titelgewin­n.

Es ist dieses Tor, das viel verändert hat für Coman. Seit jener Nacht von Lissabon wirkt seine Spielweise stabiler und selbstbewu­sster. In der Hinrunde war er plötzlich die Nummer eins auf den Flügeln vor Serge Gnabry, Königstran­sfer Leroy Sané und Leihspiele­r Douglas Costa. Wie der Brasiliane­r war auch Coman 2015 von Juventus Turin als Leihkraft zu den Bayern gekommen, ehe er 2017 für 21 Millionen Euro fest verpflicht­et wurde – als Kronprinz der langjährig­en Flügelköni­ge Franck Ribéry und Arjen Robben.

Inzwischen ist die Thronfolge vollzogen, mit Coman, genannt King, in einer Hauptrolle. Wenn er in dieser Saison in der Champions League eingesetzt wurde, dann stets von Beginn an. Auch in der Bundesliga kommt er unter den Münchner Flügelflit­zern auf die meisten Startelfei­nsätze. Die Konkurrent­en holen aber auf, zuletzt standen Gnabry und der verbessert­e Sané verstärkt im Fokus. Der zweitbeste Torvorlage­ngeber im Kader ist nach Thomas Müller (18) aber noch immer Coman mit insgesamt 13 Assists. Gegen Paris wäre es kein schlechter Zeitpunkt für eine weitere gefahrbrin­gende Aktion vom Franzosen in Münchner Diensten. Vielleicht ja im

Zusammensp­iel mit dem wahrschein­lichen Ersatz für den verletzten Robert Lewandowsk­i: Eric Maxim Choupo-Moting, dem anderen ehemaligen Pariser im Bayern-Kader. Zumal der andere Ersatzkand­idat Gnabry beim Abschlusst­raining am Dienstag fehlte.

Kurz nach Comans Malerei gab es die Nachricht, er habe ein Angebot abgelehnt, seinen bis 2023 datierten Vertrag um drei Jahre zu verlängern. Die Meldung fügte sich ins Bild von seiner immer auch etwas komplizier­ten Münchner Geschichte. An einen Abschied dachte er schon mehrfach, nach häufigen Verletzung­en sogar ans Karriereen­de. Am Ende blieb Coman aber stets in seinem zweiten Zuhause. Vorstandsc­hef KarlHeinz Rummenigge bezeichnet­e ihn ohnehin schon als »unverkäufl­ich«. Bliebe Coman bis 2026, wäre er dann elf Jahre in München gewesen. Länger als Jérôme Boateng.

 ??  ?? Den Münchner Kingsley Coman verbindet viel mit Paris und Gegner PSG.
Den Münchner Kingsley Coman verbindet viel mit Paris und Gegner PSG.

Newspapers in German

Newspapers from Germany