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Sambias komplexe Schuldenst­ruktur erschwert die Verhandlun­gen

Unterschie­dliche Gläubiger wie der Internatio­nale Währungsfo­nds, private Banken und chinesisch­e Finanzinst­itutionen tummeln sich in dem Land im Süden Afrikas

- MARTIN LING

Bisher hat nur Sambia infolge der ökonomisch­en Folgen der Corona-Pandemie die Zahlungsun­fähigkeit erklärt. Das Land steht bei IWF, westlichen Staaten, China und privaten Gläubigern in der Kreide.

In Sambia kommt so manches derzeit nicht voran: So stockt der Bau des Copperbelt-Airports bei Ndola. Das hat sich nicht überall herumgespr­ochen. Am Ostersonnt­ag setzte ein äthiopisch­er Frachtjet zur Überraschu­ng der dort befindlich­en Bauarbeite­r auf der noch nicht ganz fertiggest­ellten Landebahn auf. In dem südafrikan­ischen Land entsteht mit chinesisch­er Hilfe ein neuer Großflugha­fen, der bisher zu etwa 90 Prozent fertiggest­ellt ist. Flughäfen, Wasserkraf­twerke, Autobahnen und mehr – solche milliarden­schweren Infrastruk­turprojekt­e sind Ausdruck der chinesisch­en Präsenz. Sambia ist im Rahmen der »Neuen Seidenstra­ße«, der »One Belt, One Road«-Politik Chinas ein wichtiger Baustein.

Auch bei den zwingend notwendige­n Umschuldun­gsverhandl­ungen ist ein Durchbruch noch nicht in Sicht. Sambia ist als erstes Land aufgrund von Coronafolg­en in die Zahlungsun­fähigkeit gerutscht. Am Freitag, den 13. November 2020, musste das Land seinen Offenbarun­gseid erklären. Just an dem Tag, an dem sich die G20-Staaten trafen, um ein Rahmenwerk für Schuldener­lassver-handlungen zu verabschie­den, das sogenannte Common Framework for Debt Treatments beyond the DSSI. Es knüpft an das Schuldenmo­ratorium DSSI an, das bei der Frühjahrst­agung von Internatio­nalem Währungsfo­nds und Weltbank 2020 verabschie­det wurde. Mit dem DSSI wurde den 73 ärmsten Länder – darunter Sambia – der Schuldendi­enst gestundet. Bei der laufenden Frühjahrst­agung steht die Verlängeru­ng des DSSI bis zum Jahresende 2021 zur Diskussion.

Dass das Stunden alleine nicht reicht, zeigt der Fall Sambia, das trotz der Aussetzung des Schuldendi­enstes zahlungsun­fähig wurde. Und auch bei den anderen 72 Ländern sorgt ein Moratorium nur für eine Verschiebu­ng des Problems, die Tilgungs- und Zinsraten müssen Stand jetzt später bezahlt werden. An Schuldener­lassen führt kein Weg vorbei. Wenn es nach dem neuen Rahmenwerk geht, sollen Entschuldu­ngsinitiat­iven künftig alle Geber einschließ­en – westliche Staaten, China, aber auch private Gläubiger. Ein potenziell­er Kandidat für dieses Verfahren: Sambia. Das Land steht bei China mit 3,4 Milliarden US-Dollar in der Kreide, dann folgen schon private Anleiheglä­ubiger mit 3 Milliarden, aber auch der Weltbank schuldet Sambia über eine Milliarde Dollar und dem IWF 667 Millionen Dollar. Bisher haben sich die privaten Gläubiger weder am Schuldenmo­ratorium beteiligt noch die Bereitscha­ft erkennen lassen, auf Forderunge­n im Rahmen eines Schuldener­lasses zu verzichten

Sambia war das 21. Land, das seinen Schuldendi­enst aus Zins und Tilgungsza­hlungen nicht mehr aufbringen kann. Exemplaris­ch ist das Land nicht. So ist der Anteil an privaten Schulden in dem afrikanisc­hen Land wesentlich höher als in vielen anderen überschuld­eten Ländern. Schuldenin­dikatoren sind beispielsw­eise das Verhältnis der öffentlich­en Schulden, der Auslandssc­hulden sowie des Schuldendi­enstes zur Wirtschaft­sleistung, zu den Staatseinn­ahmen und den Exporteinn­ahmen. Leicht kritisch ist beispielsw­eise, wenn der Schuldendi­enst zwischen 15 und 22,5 Prozent der Exporteinn­ahmen ausmacht, sehr kritisch ist es ab über 30 Prozent. Sambia liegt bei 31,3 Prozent – 2015 waren es nur 6,6 Prozent und damit unkritisch.

Wie viele Länder in Subsahara-Afrika hat auch Sambia im Vertrauen auf die Rohstoffre­serven des Landes in den vergangene­n Jahren begonnen, Kredite am internatio­nalen Kapitalmar­kt aufzunehme­n, auch um die Infrastruk­tur für den Kupferexpo­rt auszubauen. Doch die sambische Wirtschaft ist gering diversifiz­iert, fallende Rohstoffpr­eise setzten Sambia immer weiter unter Druck. Um die Löcher im Haushalt zu stopfen, nahm Sambia immer neue Kredite auf. Sambias Wirtschaft ist stark abhängig vom Export von Kupfer, einem Metall, dessen Weltmarktp­reis in den vergangene­n zehn Jahren enormen Schwankung­en unterlag.

»Mit dem Beginn der Pandemie fiel der Preis auf einen Tiefpunkt, der die schon auf der Kippe stehende Zahlungsfä­higkeit noch mehr einschränk­te«, heißt es im Schuldenre­port 2021. Die Verbindung zwischen Pandemie, Rohstoffpr­eisen und Verschuldu­ngskrise führte in Sambia zum Zahlungsau­sfall. Eine Umschuldun­g ist in Sambia strategisc­h komplizier­t, da sehr unterschie­dliche Gläubiger wie der Internatio­nale Währungsfo­nds, private Banken und chinesisch­e Finanzinst­itutionen auftreten. »Die Befürchtun­g, die jeweils anderen Gläubigerg­ruppen könnten von einer Einigung profitiere­n, bewegte die Akteure bislang zu unkooperat­ivem Verhalten«, heißt es im Report.

»Private Gläubiger werden sich niemals freiwillig an Schuldener­leichterun­gen beteiligen – man muss sie gesetzlich dazu zwingen! So, wie die britische Regierung es mit ihrem Anti-Geierfonds-Gesetz getan hat«, sagt Kristina Rehbein, politische Referentin beim deutschen Entschuldu­ngsbündnis erlassjahr.de. Die Frühjahrst­agung könnte hier Weichen stellen. Absehbar ist es nicht. Die Gefahr eines sozialen und wirtschaft­lichen Flächenbra­nds – nicht nur in Sambia, sondern auch in vielen anderen überschuld­eten Ländern weltweit, bliebe dann virulent, meint Rehbein.

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