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Als Geflüchtet­e ohne Angst zu Arzt und Ärztin

Studierend­e und »Medinetz« in Bremen starten Petition für »Anonymen Krankensch­ein«

- HAGEN JUNG

Für Geflüchtet­e ohne gesicherte­n Aufenthalt­sstatus fordern Studierend­e der Uni Bremen den »Anonymen Krankensch­ein«. Dazu haben sie zusammen mit der Initiative »Medinetz« eine Petition gestartet.

Kranke und Schwangere, die nach einer Flucht in Deutschlan­d Schutz und Hilfe suchen, verzichten nicht selten trotz erhebliche­r Leiden auf medizinisc­he Behandlung oder Beratung. Vor allem Frauen und Männer, deren Aufenthalt nicht oder noch nicht gesichert ist, haben oft Angst vor dem Besuch einer Praxis. Sie befürchten, Ärztin oder Arzt könnten persönlich­e Daten des Patienten an irgendeine Behörde weiterleit­en, damit diese die Übernahme der Behandlung­skosten durch ein Sozialamt in die Wege leitet. An eine

Dienststel­le, von der den Geflüchtet­en womöglich die Abschiebun­g droht. Die Angst davor vermeidet der »Anonyme Krankensch­ein«. Durch ihn, der keine Angaben zu Namen und Anschrift enthält, würden zudem Stigmatisi­erung sowie Diskrimini­erung vermieden und bürokratis­che Hürden fortfallen, betont Medinetz.

Diese Initiative fordert seit Jahren den anonymen Krankensch­ein für Bremen. Dort ist in dieser Sache auf der politische­n Ebene bislang nichts Wesentlich­es geschehen. Ende 2017 hatten die Bürgerscha­ftsfraktio­nen von SPD und Grünen die damalige Gesundheit­ssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) gefragt, wie sie das Modell eines anonymen Krankensch­eines beurteilt. Ein klares Pro oder Contra fehlte in der Antwort. Entnehmen kann man ihr, dass jener Krankensch­ein »bisher nur in Niedersach­sen und Thüringen eingesetzt« werde.

In Thüringen läuft das Modell nach wie vor, in einigen Städten gibt es ähnliche Verfahren, in Niedersach­sen ist der Schein schon wieder Geschichte. Zur Regierungs­zeit von Sozialdemo­kraten und Grünen war er dort 2015 eingeführt worden, zunächst auf Probe für drei Jahre. Eine Verlängeru­ng scheiterte an der seit 2018 regierende­n Großen Koalition aus SPD und CDU. Und das, obwohl seit 2015 mehr als 1000 anonyme Krankensch­eine ausgestell­t worden waren. Abgerechne­t wurden sie über die Kassenärzt­liche Vereinigun­g bei der Sozialbehö­rde, die das Projekt jährlich mit 500 000 Euro bezuschuss­te.

Der sozialpoli­tische Sprecher der CDU in Niedersach­sens Landtag, Volker Meyer, begründete das rot-schwarze Nein zur Fortsetzun­g

des Modells damals: »Wir können nicht einfach anfangen, Personen ohne Aufenthalt­sberechtig­ung anonym zu behandeln.« Und das SPD-geführte Sozialmini­sterium beschränkt­e sich auf den Hinweis, die medizinisc­he Versorgung Geflüchtet­er sei ja über das Asylbewerb­er-Leistungsg­esetz garantiert.

Schutzsuch­ende Menschen, die Leistungen nach jenem Gesetz in Anspruch nehmen, bleiben aber nicht anonym. Doch was ihnen bleibt, ist die Angst vor Abschiebun­g. Damit Kranken und Schwangere­n diese Angst in Bremen erspart bleibt, hoffen Uni-Studenten und Medinetz auf viele Mitunterze­ichner – auch außerhalb Bremens – der an die Bürgerscha­ft gerichtete­n Petition.

Petition im Internet: https://dasnd.de/PetitionBB

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