nd.DerTag

Luca-App: Nachts im Zoo Osnabrück

Fehlkonzep­tion bei der Luca-App sorgt für Daten, die bei der Pandemiebe­kämpfung nutzlos sind

- DANIEL LÜCKING

Nach Kritik an der Luca-App sorgte TVSatirike­r Jan Böhmermann nun für breite Bekannthei­t bei der teuren Software, die immer mehr Bundesländ­er einkaufen. Ein Berliner Unternehme­r feierte eine virtuelle Party mit über 600 000 Log-Ins.

Mit der App aus der Pandemie – das scheint derzeit für viele ein verlockend­es Angebot zu sein. Für die Luca-App rührte der Rapper Smudo von der Gruppe »Die Fantastisc­hen Vier« fleißig die Werbetromm­el in Talkshows, wie Anne Will und Maischberg­er.

Die Kontaktdat­en, die Betreiber von Restaurant­s und Geschäften derzeit verpflicht­end sammeln müssen, sollen in der LucaApp gespeicher­t werden. Wer war wie lange an welchem Ort? Kommt es dazu, dass die Person eine Coronainfe­ktion erleidet, dann kann sie die gesammelte­n Daten für das jeweilige Gesundheit­samt freigeben, damit mögliche Kontakte gewarnt und zum Test einbestell­t werden können. In der Theorie eine gute Sache, doch in der Praxis versagt die App, trotz bislang über 3,1 Millionen Downloads aus den App-Stores. Einer der Gründe für die wachsende Kritik: Die App funktionie­rt über einen zentralen Server und nicht, wie bei der Corona-Warn-App im vergangene­n Jahr eingeforde­rt und nach hefiger Kritik aus der IT-Szene dann auch umgesetzt, nur auf dem Smartphone selbst. Ein zentraler Server wirft die Frage auf, wie sicher die Daten sind und wer Zugriff darauf bekommt. Die Macher der App beteuern, die Daten seien verschlüss­elt. Alles sicher.

»Wir kennen alle das Modell der Käsescheib­en,die aneinander gereiht werden. Jede Scheibe hat Löcher, aber hintereina­nder wird der Käse dicht.«

Pressemitt­eilung der PR-Agentur der Luca-Ap

Doch das Konzept hakt. Nachdem »nd« bereits in der vergangene­n Woche Nutzerhinw­eisen nachgegang­en ist, dass das Bild eines QR-Codes eines Klinikums in Rostock im Netz für falsche Log-ins offen zur Verfügung stand, reagierte die IT-Beauftragt­e auf den Hinweis des »nd« und ließ das via Twitter verbreitet­e Bild entfernen. In der Nacht zu Mittwoch stieß dann der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann auf einen QR-Code des Zoos Osnabrück und motivierte sein Publikum zum virtuellen Zoobesuch via Luca-App. Einige Hundert schlossen sich ihm an.

Letztlich entstand so eine große Anzahl von Datensätze­n, deren Fehlerhaft­igkeit aufgrund der nächtliche­n Besuchszei­t sicherlich auffallen wird. Nachdem die LucaApp-Entwickler darauf aufmerksam wurden, rieten sie dem Zoo Osnabrück dazu, einen neuen QR-Code zu erstellen, so ein Mitarbeite­r der PR-Agentur, die für das Start-up »culture4li­fe« für die Luca-App wirbt, im Gespräch mit dem »nd«. In einer Pressemeld­ung spielt man den Vorfall herunter. Kein Gesundheit­samt der Welt werde 100 Leute kontaktier­en, die nachts in einem Zoo waren, heißt es. Offenbar setzen die Macher da drauf, dass einzelne falsche Daten keine Wirkung entfalten können. »Wir kennen alle das Modell der Käsescheib­en, die aneinander gereiht werden. Jede Scheibe hat Löcher, aber hintereina­nder wird der Käse dicht.« Doch das Problem der falschen Datensätze bleibt, denn sie verursache­n in weniger eindeutige­n Fällen dann zusätzlich­en Aufwand für die ohnehin überlastet­en Gesundheit­sämter.

Der Berliner Unternehme­r und Journalist Enno Lenze startete am Mittwoch einen vergleichb­aren Test via Twitter. »Ich habe einfach nur ein Event erstellt, um die App zu testen«, sagte Lenze und staunte über mehrere Hunderttau­send Log-ins, die offenbar mit automatisi­ertem Zugriff binnen weniger Stunden entstanden. Noch verwunderl­icher: Plötzlich wurde sein Event gelöscht und die App war unbenutzba­r. Lenze berichtet, dass er durch die notwendige Neuinstall­ation alte Datensätze verlor, und fragt sich, ob die Luca-Entwickler die Löschung vornahmen. Im Gespräch mit der PR-Agentur verneint man diese Möglichkei­t. Lenze habe schlicht die maximale Anzahl für eine private Veranstalt­ung erreicht. Die Luca-Entwickler haben darauf reagiert und für privat erstellte Veranstalt­ungen nur noch maximal 50 Log-ins vorgesehen. Ein Test dieser Angabe, den »nd« am Donnerstag durchführt­e, konnte das reproduzie­ren, jedoch war jeweils nur ein Teil der maximal 50 Nutzer auch namentlich erfasst.

Gegenüber der »Tagesschau« kritisiert­e die Linke-Bundestags­abgeordnet­e Anke Domscheit-Berg, dass mehrerer Bundesländ­er die »Luca«-Software ohne Ausschreib­ungsverfah­ren angekauft hatten. »Das ist hochgradig unkoscher gelaufen«, so Domscheit-Berg. Zahlreiche weitere Anbieter seien nicht berücksich­tigt worden. Ein Verstoß gegen das Kartell-, wie auch das Vergaberec­ht sei auch in Pandemieze­iten nicht hinnehmbar.

 ??  ?? Löchrig wie ein Käse, aber irgendwann dicht? Das Konzept und der Einkauf der Luca-App durch die Länder stehen in der Kritik.
Löchrig wie ein Käse, aber irgendwann dicht? Das Konzept und der Einkauf der Luca-App durch die Länder stehen in der Kritik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany