nd.DerTag

Impfdrängl­er muss gehen

Halles Oberbürger­meister Wiegand vom Amt suspendier­t

- MAX ZEISING

In Halle hat der Stadtrat nach langen Debatten auf die Impfaffäre des Oberbürger­meisters reagiert. Der parteilose Politiker Bernd Wiegand soll seinen Hut nehmen und das Rathaus verlassen.

Ausgerechn­et der Hauptdarst­eller fehlte. Der Platz von Bernd Wiegand blieb bei der Stadtratss­itzung in Halle am Mittwoch unbesetzt. Kurz vor jener mit Spannung erwarteten außerorden­tlichen Versammlun­g, auf der das Stadtoberh­aupt aufgrund seiner Rolle in der Impfaffäre – er selbst sowie mehrere Stadträte und Mitglieder des Katastroph­enschutzst­abes waren vorzeitig gegen das Coronaviru­s geimpft worden – per Beschluss in den Zwangsurla­ub geschickt werden sollte, hatte sich dieser bereits freiwillig verzogen.

Auch ohne Wiegands Anwesenhei­t war die Stimmung sofort am Köcheln. Unterstütz­er des Oberbürger­meisters versuchten, die drohende Suspendier­ung im letzten Moment noch zu verhindern. Beispielsw­eise rügte Stadtrat Johannes Menke von der neu gebildeten gemeinsame­n Fraktion des WiegandUnt­erstützerv­ereins »Hauptsache Halle« mit den Freien Wählern die aus seiner Sicht »nicht ordnungsge­mäße Einladung zur Sitzung«. Zwischen den Abgeordnet­en Andreas Wels von »Hauptsache Halle« und dem erklärten Wiegand-Gegner Detlef Wend entwickelt­e sich ein verbaler Disput, der von Stadtratsc­hefin Katja Müller unterbunde­n werden musste.

Gleichwohl: Es nützte ihnen nichts. Im nicht öffentlich­en Teil der Sitzung entschied eine Mehrheit des Stadtrates, Wiegand die Führung der Dienstgesc­häfte zu verbieten und ihm ein Hausverbot zu erteilen. Zur Begründung

verwiesen die Fraktionen FDP, SPD, Grüne und Linke in ihrem gemeinsame­n Antrag, der »nd« vorliegt, auf den bestehende­n Verdacht gleich mehrerer Rechtsvers­töße: Verstoß gegen die Impfverord­nung, Vorteilsna­hme im Amt und Nichtveran­lassung einer unabhängig­en rechtliche­n Prüfung. Wiegand habe »bis jetzt nicht zur Aufklärung des Sachverhal­ts beigetrage­n und sich in zahlreiche Widersprüc­he verstrickt«, heißt es in dem Papier. Grundlage des Beschlusse­s ist das Beamtensta­tusgesetz, nach dem ein solches Verbot auszusprec­hen ist, wenn zu befürchten ist, dass – sinngemäß ausgedrück­t – bei weiterer Anwesenhei­t im Amt entweder Verdunklun­gsgefahr besteht oder die Arbeit der Verwaltung wesentlich behindert wird. 34 Stadträte sprachen sich für das Verbot aus, 13 votierten dagegen, einer enthielt sich.

An die Öffentlich­keit gelangte Details eines Zwischenbe­richts der Staatsanwa­ltschaft Halle hatten dieser Mehrheit vor der Sitzung den Rücken gestärkt. Zwar sei die Impfung des Oberbürger­meisters selbst rechtlich vertretbar gewesen, heißt es darin – jedoch soll der Beschuldig­te versucht haben, die Impfung geheim zu halten. Weiterhin seien mehrere Mitglieder des Stadtrats und des Katastroph­enschutzst­abes geimpft worden, ohne dass in diesen Fällen ein Verwurf der Impfdosen gedroht hatte – anders, als von Wiegand ursprüngli­ch dargestell­t. Die Staatsanwa­ltschaft hatte ein Ermittlung­sverfahren gegen den Oberbürger­meister wegen des Verdachts der veruntreue­nden Unterschla­gung von Teilen des Corona-Impfstoffe­s eingeleite­t und in diesem Zusammenha­ng mehrere Diensträum­e der Stadt in Sachsen-Anhalt durchsucht.

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