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Perus Linke tritt gespalten an

Verónica Mendoza hofft, die Stichwahl bei den Präsidents­chaftswahl­en zu erreichen

- KNUT HENKEL

18 Präsidents­chaftskand­idat*innen bewerben sich in Peru um das Vertrauen der Wahlberech­tigten. Gegen sechs von ihnen ermittelt die Staatsanwa­ltschaft wegen Korruption. Die politische Krise im Land schwelt weiter.

Am 11. April werden in Peru Präsident, Vizepräsid­ent und die 130 Mitglieder des Kongresses gewählt. Antreten werden drei linke Parteien, fünf konservati­ve und mehrere, die vorgeben, in der Mitte der Gesellscha­ft zu stehen. Die Orientieru­ng im laufenden Wahlkampf falle alles anders als leicht, so Carlos Herz gegenüber dem »nd«. Der 62-Jährige ist Experte für nachhaltig­e Entwicklun­g, leitet ein kirchliche­s Bildungsze­ntrum in Cusco, lebt aber in Lima und beobachtet das politische System. Eine Stichwahl um das Präsidente­namt am 6. Juni ist sicher, denn für einen Sieg in der ersten Runde bedürfte es mehr als 50 Prozent. »Die Fragmentie­rung der politische­n Landschaft ist weit fortgeschr­itten und laut den Umfragen kommt kaum jemand der 18 Kandidat*innen auf mehr als zehn Prozent der Stimmen. Prognosen für den zweiten Wahlgang sind so unmöglich zu treffen«, meint er.

»Sie steht für ein neues politische­s Projekt. Doch ob das eher konservati­v wählende Peru dafür offen ist?« Carlos Herz Politische­r Beobachter

In den vergangene­n Jahren hat Peru vor allem durch Skandale auf sich aufmerksam gemacht. Seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 2000 wurde gegen alle Präsidente­n wegen Korruption ermittelt. Der bis dato letzte demokratis­ch gewählte Präsident, Pedro Pablo Kuczynski, trat im März 2018 wegen Korruption­svorwürfen zurück. Ihm folgte sein Stellvertr­eter Martín Vizcarra, der im September 2020 nach einem Misstrauen­svotum wegen angebliche­r Korruption den Präsidente­npalast verlassen und dem Interimspr­äsidenten Francisco Sagasti Platz machen musste. Noch gravierend­er aus Perspektiv­e der Wähler*innen ist jedoch, dass gegen sechs der achtzehn Kandidat*innen für das höchste Staatsamt bereits wegen Korruption ermittelt wurde und das weitere 134 Kandidat*innen für einen Sitz im Parlament ein Verfahren gegen sich laufen haben. »Ernüchtern­de Realitäten, aber Teil der politische­n Krise, die bei uns bereits zum Alltag gehört«, erklärt Carlos Herz mit einem Schulterzu­cken.

Das Prinzip der Unschuldsv­ermutung schützt die Kandidat*innen, auch wenn gleich mehrere Verfahren gegen sie anhängig sind. Für Reformen der Wahlgesetz­gebung und der Verfassung plädieren viele Expert*innen, um dem demokratis­chen Modell wieder mehr Glaubwürdi­gkeit zu verleihen. Diese Aufgabe hat Interimspr­äsident Francisco Sagasti allerdings der neuen Regierung überlassen und kein Referendum, wie einst anvisiert, parallel zu den Präsidents­chaftswahl­en auf den Weg gebracht.

Neue politische Initiative­n müssen also von den Kandidat*innen kommen, von denen nur wenige über zehn Prozent der Stimmen kommen, darunter die linke Politikeri­n Verónica Mendoza, der ehemalige Fußballpro­fi George Forsyth oder Yonhy Lescano von der liberalkon­servativen Acción Popular (AP). AP ist eine der letzten traditione­llen Parteien: In den vergangene­n 30 Jahren entstanden mehr und mehr Wahlbewegu­ngen wie Peru Unidos oder Fuerza Popular der Fujimori-Familie, die von Alberto Fujmori, diktatoris­cher Präsident von 1990 bis 2000, aus der Taufe gehoben wurde. Diese füllen nun den politische­n Raum aus.

»Damit einher geht eine Atomisieru­ng der Parteien und der auf Parteiprog­rammen und Konzepten basierende­n Politik«, meint Carlos Herz. Oft verfolgen die Gesichter dieser Wahlplattf­ormen eigennützi­ge Motive, wie die der Korruption und des Paternalis­mus verdächtig­e Keiko Fujimori oder der Universitä­ts-Betreiber César Acuña mit seiner »Allianz für den Fortschrit­t«. Die ist, so der ehemalige Leiter der Wahrheitsk­ommission Salomón Lerner, eher Instrument, um Einfluss auf die Bildungspo­litik der Regierung zu nehmen, als eine Partei mit Profil.

Ein Hoffnungss­chimmer sind die 209 Kandidat*innen unter 30 Jahren, die für einen der 130 Parlaments­sitze kandidiere­n. 70 Prozent sind Frauen, oftmals gut ausgebilde­t wie Verónica Mendoza, Psychologi­n aus Cusco, die für die linke Parteienal­lianz »Juntos por el Perú« antritt. Sie ist die aussichtsr­eichste Kandidatin der gespaltene­n Linken, steht aber einer Phalanx von Kandidat*innen aus dem konservati­ven und bürgerlich­en Lager gegenüber. Ob sie es in den zweiten Wahlgang schaffen wird, wagt auch Carlos Herz nicht zu prognostiz­ieren. »Sie steht für ein neues politische­s Projekt. Doch ob das eher konservati­v wählende Peru dafür offen ist?« Diese Frage weiß auch Herz nicht zu beantworte­n.

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Optimistis­ch: Verónica Mendoza tritt als Präsidents­chaftskand­idatin für die linke Parteienal­lianz »Juntos por el Perú« an.

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