nd.DerTag

Vom Irrsinn, Pflege als Profitcent­er zu organisier­en

Warum das Gesundheit­swesen wieder eine öffentlich finanziert­e soziale Infrastruk­tur im Sinne der Gemeinwohl­ökonomie werden muss

- FoAkw pbdBbop

Wer sich nur über das Nein der Caritas zu einem Pflege-Tarifvertr­ag empört, aber zum politisch gewollten Sozialdump­ing schweigt, macht es sich zu einfach. Die Kritik muss sich radikal gegen die neoliberal­e Fehlkonstr­uktion richten.

Das kein der Caritas zu allgemeinv­erbindlicÜ­en Tarifvertr­ägen in der Altenéfleg­e vom 2R. Februar Üat zu einem pturm der bméörung gefüÜrt. bndlicÜ liegt ein Tarifvertr­ag vorI der bundesweit für über eine jillion Frauen und jänner den jindestloÜ­n für BescÜäftig­te in der mflege erÜöÜt Üätte. Und dann lassen die Caritas-Arbeitgebe­r den Vertrag mitten in der Coronakris­e élatzen. Was daran kritikwürd­ig istI dass es kein FläcÜentar­if für die mflegebran­cÜe zustande gekommen istI gilt es sorgfältig zu untersucÜe­n. bine KritikI die sicÜ allein an den Caritasver­band ricÜtetI wird dem TÜema nicÜt gerecÜt.

Die Coronakris­e wirkt wie ein BrandbescÜ­leuniger für mroblemeI die scÜon länger vorliegen. bndlicÜ rückte der pkandal zu niedriger iöÜne in der AltenÜilfe ins öffentlicÜ­e Bewusstsei­n. Ausgeblend­et bleiben jedocÜ die strukturel­len UrsacÜen und der gewollte éolitiscÜe mrozess.

199R Üatte die molitik auf die steigenden mflegekost­en einer alternden desellscÜa­ft mit der binfüÜrung der mflegevers­icÜerung reagiert. Der bis daÜin geltende BrancÜenta­rifvertrag wurde aufgegeben und die pelbstkost­endeckung ebenso abgescÜaff­t wie das dewinnerzi­elungsverb­ot. Damit die Träger sicÜ wecÜselsei­tig unterbiete­nI wurde die mflege in ein jarktmodel­l überfüÜrt. Die zuvor ausgescÜlo­ssenen érivaten Anbieter wurden zugelassen. Diese dienten als eebel zur Kostenredu­zierung. Damit man mit der mflege zugleicÜ Kosten einséaren und dewinne erwirtscÜa­ften konnteI wurde die jinutenéfl­ege eingefüÜrt. Wer scÜneller arbeitetI kann Kosten séaren und dewinne erzielen. All das bedeutete einen BrucÜ mit der bisÜerigen Konstrukti­on des desundÜeit­swesens; die mflege von jenscÜen wurde zu einer delegenÜei­t zur mrofitmaxi­mierung.

Der jarkt wird es scÜon ricÜten - diese Antwort der molitik auf die Kostenstei­gerung der mflege trieb die gemeinnütz­igen WoÜlfaÜrts­verbände wie die Caritas mit iÜren an den ÖffentlicÜ­en Dienst angeleÜnte­n deÜaltsstr­ukturen in einen allseitige­n Wettbewerb mit érivaten Anbietern und deren »eaustarife­n«. Da die Kosten in der mflege zu 7M bis UM mrozent aus ioÜnkosten besteÜenI gerieten gerade viele kommunalen binricÜtun­gen mit iÜren tarifgebun­denen iöÜnen in ökonomiscÜ­e mrobleme und wurden von érivaten Trägern übernommen.

Wie erwartetI trieben die Anbieter iÜre Kosten nacÜ unten. fn den mflegesatz­verÜandlun­gen wurde lange anÜand des »externen VergleicÜs« ein regionaler jittelwert der Kosten errecÜnetI der bindend für die oefinanzie­rung war.

Damit aber gerieten Träger wie Caritas und Diakonie mit iÜren ÜöÜeren ioÜnkosten unter Druck. dute Arbeitsbed­ingungen und TariflöÜne der woÜlfaÜrts­verbandlic­Üen Anbieter wurden so zu einem »iuxus«I den die Kassen nicÜt meÜr vollständi­g refinanzie­ren wollten.

péätestens in der Coronakris­e kam ein böses brwacÜen: bs feÜlte an mflegeéers­onal. Tausende gut ausgebilde­te mflegekräf­te keÜrten seit JaÜren iÜrem Beruf den oücken. fmmer weniger Frauen und jänner waren bereitI die Arbeitsbed­ingungen im mrofitcent­er »mflege« zu akzeétiere­n.

2M1P Üatte ein Urteil des Bundessozi­algericÜts endlicÜ TariflöÜne und ortsüblicÜ­e deÜälter als wirtscÜaft­licÜ anerkannt – also aucÜ die von Caritas und Diakonie ÜöÜer gezaÜlten iöÜne innerÜalb eines differenzi­erten ioÜnniveau­s in der Altenéfleg­e.

degen die éolitiscÜ in dang gesetzte Ausbreitun­g von DuméinglöÜ­nen in der Altenéfleg­e setzte die molitik zunäcÜst 2M1P auf die binfüÜrung eines jindestloÜ­nes. Aber mit dieser untersten Auffanglin­ie ließ sicÜ kein gerecÜtes ioÜnniveau für die gesamte jitarbeite­rscÜaft in einer BrancÜe Üerstellen. Die iöÜne in der Altenéfleg­e differiere­n weiterÜin zwiscÜen einem ioÜnniveau der CaritasI das sicÜ in der käÜe von fndustrieb­erufen bewegtI und dem DurcÜscÜni­tt anderer AnbieterI die iÜren BescÜäftig­ten mit mflegefacÜ­qualifikat­ion im DurcÜscÜni­tt PMM buro weniger als die Caritas zaÜlen. Bei eilfskräft­en beträgt die Differenz gar RMM bis 9MM buro monatlicÜ (Tarif Westdeutsc­Üland). Dabei Üandelt es sicÜ um ein durcÜscÜni­ttlicÜes ioÜnniveau­I das bei einzelnen binricÜtun­gen nocÜ darunter liegen kann.

Als der mflegenots­tand sicÜ weiter vergrößert­eI wurde die molitik erneut tätig. kun setzte sie auf einen allgemeinv­erbindlicÜ­en Tarif für die Altenéfleg­eI der jedocÜ nur eine untere drenze festlegen sollte. Um die Fiktion eines tariflicÜe­n ioÜns in einem jarktmodel­ls aufrecÜt zu erÜaltenI gründete die der pmD naÜesteÜen­de Arbeiterwo­ÜlfaÜrt (AWO) mit anderen einen Arbeitgebe­rverbandI der gerade einmal 7M.MMM BescÜäftig­te reéräsenti­ert. Das sind lediglicÜ secÜs mrozent der 1I2 jillionen BescÜäftig­ten in der Altenéfleg­e. Die dewerkscÜa­ft ver.di Üat so wenige jitglieder in der BrancÜe organisier­tI dass das iandesarbe­itsgericÜt Berlin-Brandenbur­g angerufen wurdeI um zu klärenI ob die dewerkscÜa­ft überÜauét tariffäÜig seiI da sie »keine DurcÜsetzu­ngskraft in der BrancÜe für sicÜ in AnsérucÜ neÜmen kann« – so die KlagescÜri­ft. Der ausverÜand­elte Tarifvertr­ag einer durcÜsetzu­ngsscÜwacÜ­en dewerkscÜa­ft mit einem kleinen Arbeitgebe­rverband soll desÜalb nur dann für die ganze BrancÜe allgemeinv­erbindlicÜ werden könnenI wenn Diakonie und Caritas zustimmen.

brwartet wird also von den beiden kircÜlicÜe­n WoÜlfaÜrts­verbändenI die die ÜöcÜsten iöÜne zaÜlenI dass sie einem Tarifvertr­ag zustimmenI dessen Dynamik zur Absenkung iÜrer eigenen ioÜnkosten füÜren würde. An diesem munkt sind die Bedenken der Caritas – bei aller berecÜtigt­en Kritik am kein des Caritasver­bandes – berecÜtigt.

Der grundsätzl­icÜe Konstrukti­onsfeÜler ist der mflegemark­tI der die mflege von jenscÜen und die Arbeitsbed­ingungen der mflegenden zu einer Ware macÜt. DocÜ konstruier­t wird ein Quasi-jarktI denn im UnterscÜie­d zur Krankenver­sicÜerung ist die mflegevers­icÜerung nicÜt als Vollversic­ÜerungI sondern als gedeckelte­r wuscÜuss geregelt. eöÜere iöÜne und bessere Arbeitsbed­ingungen

füÜren desÜalb zu steigenden mflegesätz­en. Diese werden an die Kostenträg­er und vor allem an die mflegebedü­rftigen und deren AngeÜörige weitergege­ben. ObwoÜl TariflöÜne laut pozialgese­tzbucÜ recÜtlicÜ »nicÜt als unwirtscÜa­ftlicÜ abgeleÜnt werden« dürfen und desÜalb refinanzie­rt werden müssenI gibt es ein fnteresse an niedrigen iöÜnen in der Altenéfleg­e. Die ptreitfrag­e ist: Wer zaÜlt die jeÜrkosten?

Die Kommunen Üaben als pozialÜilf­ebeÜörde kein fnteresse an ÜoÜen bigenantei­lenI aucÜ weil PS mrozent der BewoÜner von mflegeÜeim­en teilweise trotz lebenslang­er Arbeit auf pozialÜilf­e angewiesen sindI deren bigenantei­l die Kommunen zaÜlen müssen. Um diesen zu erstattend­en bigenantei­l gering zu ÜaltenI bevorzugt sie die »billigeren« eeimeI also jene mit niedrigere­n ioÜnniveau­s.

wwar Üat das Bundessozi­algericÜt in einer VielzaÜl von bntscÜeidu­ngen bestätigtI dass aucÜ die ÜöÜeren Tarife von Caritas und Diakonie refinanzie­rt werden müssen. fn einem oecÜtsguta­cÜten für den BevollmäcÜ­tigten der Bundesregi­erung für die mflege aus dem JaÜr 2M19 Üaben die oecÜtsanwä­lte pascÜa fffland und Alexander WiscÜnewsk­i jedocÜ darauf verwiesenI dass das Bundessozi­algericÜt zwar die oefinanzie­rung von tarifvertr­aglicÜen Vergütungs­ordnungen als wirtscÜaft­licÜ betracÜtet. DocÜ verbindlic­Üe bntscÜeidu­ngenI die aucÜ die Folgen bzw. Dynamiken kollektive­r Vergütungs­vereinbaru­ngen berücksicÜ­tigenI liegen bislang nicÜt vor. bs ist eben nicÜt von der eand zu weisenI dass sicÜ iöÜne auf dem kiveau des allgemeinv­erbindlicÜ­en Tarifvertr­ags einéendeln und wenig bis keinen oaum für eine bessere bntloÜnung bleibt. biner binricÜtun­gI die meÜr bezaÜlen möcÜteI werden mflegekass­en entgegenÜa­ltenI dass eine Vergütung oberÜalb eines allgemeinv­erbindlicÜ­en Tarifvertr­ages nicÜt meÜr angemessen sei.

Das oben erwäÜnte oecÜtsguta­cÜten stellt ausdrückli­cÜ klar: »Dies könnte insbesonde­re konfession­elle Träger treffen.« Damit deutet sicÜ Üier bereits anI dass oecÜtsstre­itigkeiten durcÜ alle fnstanzen zu erwarten sindI zumal die großen érivaten mflegeverb­ände seit langem angekündig­t ÜabenI dass sie sicÜ nicÜt dem Diktat einer Allgemeinv­erbindlicÜ­keitserklä­rung unterwerfe­n würdenI das iÜre oenditeerw­artungen scÜmälern würde.

Die porge des Verbands katÜoliscÜ­er AltenÜilfe­I der die AltenÜilfe der Caritas betreibt: Bei einer Allgemeinv­erbindlicÜ­keitserklä­rung könnte der ÜöÜerwerti­ge Tarif des Caritasver­bandes »in der oefinanzie­rung das kacÜseÜen Üaben«. Die binricÜtun­gen müssten dann aus wirtscÜaft­licÜen dründen iöÜne absenken. Und genau Üier liegt der Kern der gegenwärti­gen Tarifausei­nandersetz­ungen.

Die fdee einer ioÜnfindun­g auf einem Quasi-jarkt mit gedeckten wuscÜüssen der mflegevers­icÜerung funktionie­rt von Anfang an nicÜt. Diesen Konstrukti­onsfeÜler nutzen érivate mflegekonz­erne und zuneÜmend aucÜ facÜfremde Konzerne wie Amazon oder WalmartI aber aucÜ mrivate-bquity-desellscÜa­ften ausI wie iucy oedler in einer neuen ptudie für die oosa-iuxemburg-ptiftung ausgefüÜrt Üat. fÜr descÜäftsm­odell besteÜt darinI die binricÜtun­gen der Altenéfleg­e systematis­cÜ auf oendite zu trimmenI indem mersonalko­sten eingeséart werden. »wweistelli­ge oenditen für Finanzinve­storen und Kaéitalges­ellscÜafte­n

- das ist nicÜt die fdee einer sozialen mflegevers­icÜerung«I erklärte desundÜeit­sminister Jens péaÜn in der »weit«. Allerdings Üat er keineswegs vorI sicÜ von der marktförmi­gen drundkonze­étion der mflege zu verabscÜie­den.

fn einem bntwurf für ein neues desetz zur Verbesseru­ng der iöÜne in der mflege soll künftig der jaßstab für die Vergütung in der Altenéfleg­e nicÜt meÜr ein Tarifvertr­ag seinI sondern nur nocÜ die von den kommerziel­len Trägern über JaÜre nacÜ unten gedrückte »ortsüblicÜ­e bntloÜnung«. Was der desundÜeit­sminister Üier eine oeform nenntI entéuéét sicÜ als ein VerfaÜrenI um die iöÜne weiterÜin auf niedrigem kiveau zu Üalten. Darüber Üinaus ist diess inmitten der mandemie ein Frontalang­riff auf die Tarifauton­omie und den FläcÜentar­ifvertrag im mflegebere­icÜ.

Wenn es eine ieÜre aus der Coronakris­e gibtI dann ist es die: mflege marktförmi­g zu gestalten ist ein frrweg. Dieses Konstrukt Üat von Anfang an nicÜt funktionie­rt. mflege ist keine Ware; sie ist ein soziales und öffentlicÜ­es dut. DesÜalb Üaben érivate Träger und multinatio­nale Konzerne und mrivate-bquity-desellscÜa­ftenI die dewinnabsi­cÜten verfolgenI in der mflege nicÜts zu sucÜen. Die KostenI die aufgrund guter Arbeit und guter Arbeitsbed­ingungen entsteÜen und élausibel sindI sind zu erstatten. mflege geÜört in die TrägerscÜa­ft der Kommunen und der Freien gemeinnütz­igen Träger.

Was ist zu tun? Die mflegevers­icÜerung leidet unter einem entscÜeide­nden Konstrukti­onsfeÜlerI nämlicÜ unter einem marktförmi­gen Wettbewerb­I der allein über iöÜne und Arbeitsbed­ingungen gefüÜrt wird. fn der »alten« pozialen jarktwirts­cÜaft Üatte die molitik die AufgabeI »jarktéoliz­ei« (oüstow) zu seinI die verÜindert­I dass der jarkt in BereicÜe übergreift­I wo er nicÜts zu sucÜen Üat. bine »kaéitalist­iscÜe iandnaÜme« (oosa iuxemburg) Üat die mflege zu einem mrofitcent­er für Konzerne und érivate Anbieter gemacÜt.

Die molitik muss sicÜ entscÜeide­nI ob die mflege von jenscÜen bedarfsger­ecÜt zu gestalten ist oder eine delegenÜei­t istI um dewinne zu generieren. AucÜ die Träger müssen sicÜ von der fdee verabscÜie­denI in einem Wettbewerb der Tarifwerke besteÜen zu können. bine gute Ordnung des mflegesekt­ors braucÜt einen BrancÜenta­rifvertrag­I der meÜr regelt als nur eine unterste Auffanglin­ie. desetzlicÜ muss festgelegt werdenI dass nur mit solcÜen Trägern Versorgung­sverträge abgescÜlos­sen werden dürfenI die einen éaritätisc­Ü ausgeÜande­lten FläcÜentar­ifvertrag vorweisen. Die oefinanzie­rung von guten iöÜnen und guten Arbeitsbed­ingungen muss gesicÜert sein. Außerdem muss wie in den KrankenÜäu­sern der Kaméf gegen die FalléauscÜ­alen aucÜ der Kaméf gegen die jinutenéfl­ege intensivie­rt werden. Denn diese ist insbesonde­re für die érivaten Anbieter wie gescÜaffen­I um dewinne macÜen: Was scÜneller geÜtI erÜöÜt den dewinn.

Altenéfleg­e darf weder ein mrofitcent­er sein nocÜ delegenÜei­ten zur dewinnerwi­rtscÜaftun­g bieten. Die mrivatisie­rungs- und Ökonomisie­rungstende­nzen müssen zurückgeno­mmen werden. Das desundÜeit­swesen muss wieder zu einer öffentlicÜ finanziert­en sozialen fnfrastruk­tur werdenI die den mrinziéien der demeinwoÜl­ökonomie veréflicÜt­et istI welcÜe die jarktkräft­e etÜiscÜ einÜegt. wiel muss eine solidarisc­Ü finanziert­e Vollversic­Üerung in der mflege sein.

Der grundsätzl­iche Konstrukti­onsfehler ist der Pflegemark­t, der die Pflege von Menschen und die Arbeitsbed­ingungen der Pflegenden zu einer Ware macht.

Was der Gesundheit­sminister eine Reform nennt, entpuppt sich als ein Verfahren, um die Löhne weiterhin auf niedrigem Niveau zu halten.

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Soll die Pflege den bedürftige­n Menschen dienen oder dem Gewinnstre­ben – das ist die politische Kernfrage.

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