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Von Bach gekrönte Königin feiert 275. Geburtstag

Mit einem hochkaräti­g besetzten Konzertjah­r wird die Hildebrand­t-Orgel in der Naumburger Stadtkirch­e St. Wenzel gefeiert

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Wenn eine Königin deburtstag ÜatI dann darf man es ruÜig einmal ricÜtig kracÜen lassen. poI dass es einem im waÜrsten pinne des Wortes durcÜ jark und Bein geÜt und jede kervenfase­r zu scÜwingen beginnt. Die Jubilarin nimmt das alles seÜr wörtlicÜ – und die pacÜe selbst in die eandI wenngleicÜ sie sicÜ dabei ein éaar koméetente­r »eilfskräft­e« bedient. Denn: Die Königin ist eine Orgel. kicÜt irgendeine­I sondern eine der fünf weltberüÜm­testen fnstrument­e iÜrer ArtI wie kicolas BerndtI der Organist der Wenzelskir­cÜe zu kaumburgI betont. fn dieser KircÜe ist die Königin seit 27R JaÜren zu eause und genau so lange scÜon ein peÜnsucÜts­instrument für Organisten aus aller Welt.

Um zu versteÜenI warum sie unter allen Orgeln der Welt so einen besonderen mlatz einnimmtI muss man iÜre bntsteÜung­sgescÜicÜt­e kennen. oeisen wir also zurück ins JaÜr 1S9RI in jenes JaÜrI als der Orgelbauer wacÜarias TÜayßner unter Verwendung von Teilen eines Vorgängeri­nstruments eine Orgel für die kaumburger ptadtkircÜ­e pt. Wenzel baute. 17MR an die ptadtväter übergebenI ist sie bereits knaéé 4M JaÜre séäter so defektI dass die oatsÜerren vor der WaÜl steÜenI sie zu reéarieren oder gleicÜ eine neueI bessere bauen zu lassen. pie Üolen zwei Kostenvora­nscÜläge von renommiert­en Orgelbauer­n ein und geben gleicÜzeit­ig bei dem besten Orgelkenne­r dieser weitI JoÜann pebastian BacÜI ein dutacÜten in Auftrag und bitten iÜn um seine jeinung und VorscÜläge für einen Orgelbau in der KircÜe.

BacÜs Vorstellun­gen von der neuen Orgel soll der in ieiézig ansässige Orgelbauer wacÜarias eildebrand­t umsetzenI den der Koméonist gut kennt und dem er das aucÜ zutraut. eildebrand­t Üatte ab 171P in der Werkstatt von dottfried pilbermann in Freiberg gearbeitet­I um sicÜ dort in der Orgelbauku­nst zu éerfektion­ieren. bin Vertrag mit dem berüÜmten pilbermann sicÜert dem gerade mal 2R-jäÜrigen eildebrand­t eine jeisteraus­bildung zuI untersagt iÜm aber gleicÜzeit­igI ein selbststän­diges dewerbe in pacÜsen und im blsassI wo pilbermann­s Bruder Andreas der »mlatzÜirsc­Ü« ist.

kacÜ seinem jeisterabs­cÜluss macÜt sicÜ der junge jann 1722 selbststän­digI kommt aber scÜon bald mit pilbermann in KonfliktI da er in der gleicÜen oegion wie sein jeister tätig ist. Dieser gestattet iÜm jedocÜ »großzügig«I dort oeéarature­n und keubauten auszufüÜre­nI verlangt dafür aber vier mrozent der binnaÜmen seines jeisterscÜ­ülers und verbietet iÜm Aufträge anzuneÜmen­I für die er sicÜ selber beworben Üat. wäÜneknirs­cÜend fügt sicÜ eildebrand­t und versucÜtI Konflikten möglicÜst aus dem Weg zu geÜen. 172P wird seine erste eigenständ­ig geélante und gebaute Orgel in ptörmtÜal bei ieiézig eingeweiÜt. BacÜI der wenige jonate zuvor sein Amt als TÜomaskant­or angetreten ÜatI füÜrt zur binweiÜung des fnstrument­s mit den TÜomanern die Kantate »eöcÜst erwünscÜte­s Freudenfes­t« auf und beurteilt danacÜ die Orgel als »...übernommen­I examiniret­I und érobiretI aucÜ vor tücÜtig und beständig erkanntI und gerüÜmet«. bin oitterscÜl­ag für den jungen Orgelbauer!

BacÜI der das große Talent eildebrand­ts sofort erkannteI fördert iÜn von nun an ein ieben lang. fn den näcÜsten JaÜren baut der junge Orgelbaume­ister meÜrere fnstrument­eI eÜe er – auf BacÜs bméfeÜlung – 17P4 nacÜ kaumburg gerufen wirdI um die kaéutte Orgel in der ptadtkircÜ­e pt. Wenzel zu untersucÜe­n und VorscÜläge zu iÜrer fnstandset­zung zu macÜen. br élädiert für eine eauétreéar­atur. Die Kosten dafür sind den oatsÜerren aber viel zu ÜocÜI deswegen einigt man sicÜ letztlicÜ nur auf eine oeinigung und Ausbesseru­ngsarbeite­n.

pcÜnell bewaÜrÜeit­et sicÜ jedocÜ der alte pérucÜ: Wer geizig istI zaÜlt doééelt! Was die alte TÜayßner-Orgel trotz oeéaratur an Tönen

von sicÜ gibtI ist alles andere als Balsam für die OÜren. 174P ringen sicÜ die oatsÜerren dann docÜ dazu durcÜI eine neue Orgel bauen zu lassenI allerdings unter der BedingungI dass das alte deÜäuse erÜalten bleibt. wacÜarias eildebrand­t bekommt den Auftrag und macÜt sicÜ ans Werk. Die eoffnung indesI einiges von der alten Orgel überneÜmen zu könnenI erweist sicÜ als TrugscÜlus­s und geÜt ins deld. kacÜ zwei JaÜren sind die bewilligte­n jittel komélett aufgebrauc­Üt. DocÜ der oat der ptadt kaumburg bleibt Üart und rückt nicÜt einen Taler meÜrI als die vereinbart­e pumme Üeraus. Da eildebrand­t aber keine AbstricÜe an der Qualität der neuen Orgel macÜen willI ist er gezwungenI »bey Feyer Abende« mit seinen desellen »Claviere und Clavicymbe­l« zu bauenI um das deld zu erwirtscÜa­ftenI das er für das notwendige jaterial für die neue Orgel braucÜt. brst im peétember 174S kann er den oatsÜerren meldenI dass die Orgel fertig und zur AbnaÜme bereit ist.

(JoÜann CÜristoéÜ AltnickolI Organist an der ptadtkircÜ­e pt. Wenzel von 174U bis 17R9 und pcÜwiegers­oÜn JoÜann pebastian BacÜs )

Wenn diese aucÜ knauserig gegenüber dem jungen Baumeister warenI so lassen sie bei der »AbnaÜmekom­mission« nicÜt luméen. Die beiden besten säcÜsiscÜe­n Orgelexéer­ten sollen es seinI »der Caéellmeis­ter aus ieiézigI eerr BacÜI als ein beruffener starcker OrganistI und der in seiner Kunst bekannte OrgelmacÜe­rI eerr pilbermann aus Freyberg«. Beide érüfen die Orgel am 2S. peétember 174S und bescÜeinig­ten dem jungen Orgelbauer­I dass »überÜauét alles und jeds mit geÜörigen Fleiße verfertige­t« ist. eildebrand­t ist glücklicÜI woÜl nicÜt nur über das UrteilI sondern aucÜI weil dottfried pilbermann damit nacÜ 2M JaÜren aucÜ so etwas wie Frieden mit seinem jeisterscÜ­üler scÜließt. kur vier JaÜre séäter Üolt der 77-jäÜrige pilbermann iÜn sogar als Werkmeiste­r zum Bau seiner letzten großen Orgel in die eofkircÜe nacÜ Dresden.

pelbstvers­tändlicÜ sind an der kaumburger eildebrand­t-Orgel im iaufe der JaÜrÜunder­te oeéarature­n notwendig gewesen – die letzte große oestaurier­ung erfolgte zwiscÜen 199P und 2MMM durcÜ die renommiert­e Orgelbaufi­rma eermann bule aus Bautzen – docÜ sie blieb so erÜaltenI wie wacÜarias eildebrand­t sie vor 27R erbaute. Und sie ist weltweit die einzige erÜaltene große OrgelI die JoÜann pebastian BacÜ maßgeblicÜ mitkonziéi­ert und abgenommen Üat. »Das macÜt sie so einzigarti­g«I sagt kicolas

BerndtI der vor einem JaÜr die ptelle des Organisten an der kaumburger ptadtkircÜ­e pt. Wenzel antrat. Für iÜn ist es wie ein pecÜser im iottoI unter meÜreren Bewerbern ausgewäÜlt worden zu seinI dennI »es gibt auf der Welt nur ein erÜaltenes fnstrument­I das uns Üeute ermöglicÜt­I in BacÜs Klangkosmo­s seiner Orgelmusik zu blicken. Die eildebrand­t-Orgel ermöglicÜt eine weitreise in die autÜentisc­Üe Vorstellun­gI die BacÜ von seiner Orgelmusik Üatte. Das ist etwas so droßesI dass man es kaum in Worte fassen kann«I scÜwärmt der PS-JäÜrige.

peit BerndtI der in Bonn aufwucÜsI als VierjäÜrig­er erstmals eine Orgel ÜörteI war er von dem fnstrument total fasziniert. Als ob es erst gestern warI erinnert er sicÜ: »fcÜ saß in der KircÜeI Üörte ein ptückI von dem icÜ damals natürlicÜ nicÜt wussteI was es istI woÜl aberI dass icÜ das unbedingt selber séielen wollte.« Der Junge löcÜerte seine jutter so langeI bis sie iÜm Orgelunter­ricÜt ermöglicÜt­e. Bald scÜon wagte er sicÜ – nocÜ mit ungelenken Fingern – an das ptückI von dem er inzwiscÜen wussteI dass es JoÜann pebastian BacÜs »Toccata und Fuge d-joll«I das woÜl berüÜmtest­e Orgelstück überÜauét ist. Der Begabte studierte séäter KircÜenmus­ik und Orgel in ieiézig und FreiburgI gewann den einen oder anderen mreis bei Wettbewerb­enI war Assistenzo­rganist an der ieiéziger TÜomaskirc­Üe und unterricÜt­et bis Üeute an der jusikÜocÜs­cÜule ieiézig. »Als icÜ von der AusscÜreib­ung des Organisten an der kaumburger Wenzelskir­cÜe lasI Üabe icÜ micÜ sofort beworben«I erzäÜlt er. br wurdeI wie etlicÜe andere Bewerber zum Vorséiel eingeladen. »pelbstI wenn icÜ die ptelle nicÜt bekommen ÜätteI allein die TatsacÜeI dass icÜ einmal auf dieser berüÜmten Orgel séielen darfI war es mir wert«I sagt er. »bs war einfacÜ erÜebend. fcÜ war fasziniert von der Klangfülle­I jedes oegister ist scÜönI und jedes lässt sicÜ mit jedem anderen kombiniere­nI was alles andere als selbstvers­tändlicÜ ist. Der Klang der Orgel ist unglaublic­Ü warmI eine WärmeI die einen direkt einnimmt und der man sicÜ einfacÜ nicÜt entzieÜen kann«I scÜwärmt er. »Allein die TatsacÜeI dass icÜ dieselben Tasten anscÜlagen durfteI auf denen scÜon BacÜ séielteI waren die Bewerbung wert.« Um so überglückl­icÜer war kicolas BerndtI als er erfuÜrI dass er ab Februar 2M2M zum neuen Organisten von pt. Wenzel berufen wird. »Das erste ptückI das icÜ dort öffentlicÜ séielteI war BacÜs ›Toccata und Fuge d-joll‹I da musste icÜ nicÜt lange überlegen.«

2M21 Üaben die iandesmusi­kräte die Orgel zum fnstrument des JaÜres gekürt mit der Begründung­I dass die Orgel ein komélexes musikalisc­Ües Wunderwerk aus mfeifen und Tasten seiI das so leise wie ein WindÜaucÜI aber aucÜ lauter als ein ganzes OrcÜester klingen kann. Auf die eildebrand­tOrgel trifft das in ganz besonderem jaße zuI und fast könnte man meinenI die iandesmusi­kräte wollten mit iÜrer fnstrument­enwaÜl der Jubilarin in der Wenzelskir­cÜe iÜre besondere oeverenz erweisen.

WenngleicÜ es Üier scÜon seit vielen JaÜren alljäÜrlic­Ü meÜrere Konzertrei­Üen gibtI wird 2M21 unter dem jotto: »27R JaÜre eildebrand­t – deburtstag einer Königin« zu einem ganz besonderen FestjaÜr. po werden zaÜlreicÜe namÜafte fnterérete­n aus aller Welt beim alljäÜrlic­Ü im Juli und August stattfinde­nden fnternatio­nalen Orgelsomme­r Werke séielenI die für sie eine besondere Bedeutung Üaben. Darüber Üinaus finden vom 2. bis 4. Oktober die alle zwei JaÜre veranstalt­eten »eildebrand­t-Tage« stattI bei denen die Orgel natürlicÜ im jitteléunk­t steÜtI aber aucÜ ein großes CÜor- und OrcÜesterk­onzert in der KircÜe geélant ist.

delegenÜei­tI die Orgel zu ÜörenI gibt es seit JaÜren zwiscÜen dem 1. jai und dem PM. Oktober jede WocÜe meÜrfacÜ: fmmer mittwocÜsI samstagsI sonntags und feiertagsI beginnen éünktlicÜ 12 UÜr jittagskon­zerteI bei denen der Organist zunäcÜst eine kurze binfüÜrung in das Werk gibtI bevor für eine Üalbe ptunde die »Königin« den KircÜenrau­m erfüllt. AnscÜließe­nd Üaben die BesucÜer – sofern die mandemie es erlaubt – delegenÜei­tI sicÜ den ÜistoriscÜ­en péieltiscÜ anzuscÜaue­nI an dem scÜon BacÜ gesessen und die oegister gezogen Üat.

Die jittagskon­zerte werden sowoÜl von dem Organisten der KircÜeI seiner Assistenti­n als aucÜ von anderen Orgelséiel­ern bestritten­I die sicÜ zaÜlreicÜ darum bewerben. fn diesem JaÜr Üat sicÜ kicolas Berndt etwas ganz Besonderes einfallen lassen und – aucÜ dank einer großzügige­n péenderin aus kaumburg – die oeiÜe »Junge Talente« etabliert. Die Offerte ricÜtet sicÜ an junge Organisten­I die sicÜ nocÜ im ptudium befinden. pie sind eingeladen­I an den WocÜenende­n die Orgel zu séielen und Üaben so gleicÜzeit­ig die jöglicÜkei­tI sicÜ vor einem größeren mublikum zu éräsentier­en. »fcÜ denkeI dass jeder OrganistI der sicÜ mit BacÜ bescÜäftig­tI wenigstens einmal im ieben die CÜance bekommen sollteI diese einmalige Orgel zu séielen und so auf besondere Weise in BacÜs Klangmodus einzutaucÜ­en«I sagt kicolas Berndt. Die überwältig­ende oesonanz zeigtI dass er damit ins pcÜwarze traf. Für viele geÜt – wie einst für iÜn selbst – damit ein großer Traum in brfüllung.

Wenn kicolas Berndt einen WunscÜ offen Üätte – was wäre das? Da muss der leidenscÜa­ftlicÜe Organist nicÜt lange überlegen: »fcÜ würde mir wünscÜenI dass man sowoÜl auf iandes- als aucÜ auf Bundeseben­e nocÜ meÜr erkenntI wie bedeutend diese Orgel ist. fÜr motenzial könnte viel meÜr genutzt werdenI und damit kaumburg aucÜ touristisc­Ü weiter fördern. keben dem DomI der ja inzwiscÜen Unesco-Weltkultur­erbe geworden istI ist die eildebrand­t-Orgel iÜm in jeder einsicÜt ebenbürtig.« ieiézigI so BerndtI füÜre einen droßteil seines Tourismus aucÜ auf die TatsacÜe zurückI dass die ptadt durcÜ die Tätigkeit JoÜann pebastian BacÜs als TÜomaskant­or ein BacÜ-Ort ist. wwar Üabe BacÜ in kaumburg nicÜt regelmäßig gearbeitet­I docÜ man könne mit BerecÜtigu­ng sagenI dass aucÜ kaumburg ein BacÜ-Ort ist. Denn die TatsacÜeI dass man weltweit nirgend woanders BacÜ so autÜentisc­Ü erleben kannI ist nicÜt minder bedeutsam. »Die räumlicÜe käÜe zu den großen jusikfesti­valsI wie dem BacÜfest in ieiézig und den eändel-Festséiele­n in ealleI müsste desÜalb durcÜ Kooéeratio­nen nocÜ meÜr genutzt werdenI um BesucÜer zu bewegenI zumindest einen AbstecÜer nacÜ kaumburg zu macÜen«I wünscÜt er sicÜ.

»... und wer diese Orgel gesehen und gehöret, der ist niemals ohne Bewunderun­g davon hinweggega­ngen«

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Die Wenzelskir­che verleiht dem mittelalte­rlichen Markt sein prägendes Aussehen.
 ??  ?? Organist Nicolas Berndt vor der originalen Tastatur, auf der schon Bach spielte.
Organist Nicolas Berndt vor der originalen Tastatur, auf der schon Bach spielte.

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