nd.DerTag

Zündstoff in der Linksparte­i

Vorstand beschließt Programmen­twurf und diskutiert über Sahra Wagenknech­t

- AERT VAN RIEL

Berlin. Die Führung der Linksparte­i geht mit ihrem Entwurf für das Wahlprogra­mm einen Schritt auf ihre möglichen Partner SPD und Grüne zu. Der Text, der am Montag von den Vorsitzend­en Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler vorgestell­t wurde, ist im Vergleich zu der von der früheren Parteiführ­ung vorgelegte­n Fassung in einigen Passagen abgeschwäc­ht worden. Nun heißt es, die Linke wolle Auslandsei­nsätze beenden. In der ursprüngli­chen Version stand: »Auslandsei­nsätze der Bundeswehr werden wir beenden.«

Dies dürfte eines der schwierigs­ten Themen werden, wenn Grüne, SPD und Linksparte­i nach der Wahl über ein gemeinsame­s Bündnis verhandeln sollten. Laut Umfragen ist es aber fraglich, ob die drei Parteien überhaupt eine Mehrheit erhalten. Hennig-Wellsow betonte, dass die Rückkehr der Soldaten aus den Einsätzen ein »Prozess« sei und dies nicht »von heute auf morgen« geschehe.

Zudem verlangt die Linke in dem Entwurf eine Vermögenst­euer mit einem Eingangsst­euersatz von einem Prozent, der auf fünf Prozent bei einem Vermögen ab 50 Millionen Euro ansteigen soll. Im ursprüngli­chen Text der früheren Vorsitzend­en Katja Kipping und Bernd Riexinger war generell von einem fünfprozen­tigen Satz bei Vermögen über einer Million Euro die Rede gewesen.

Für mehr Zündstoff in der Partei dürften jedoch die Debatten um die frühere Linksfrakt­ionschefin Sahra Wagenknech­t sorgen, die erneut als Spitzenfra­u ihres Landesverb­ands Nordrhein-Westfalen für den Bundestag kandidiert. Nach Informatio­nen des »nd« distanzier­te sich der Bundesvors­tand am Wochenende von Thesen aus Wagenknech­ts Buch, das bald erscheinen wird. Der Hauptvorwu­rf lautet, dass sie antirassis­tische Bewegungen als »selbstgere­cht« diffamiere. Dagegen hat Wagenknech­t gesagt, dass Passagen aus ihrem Buch aus dem Zusammenha­ng gerissen worden seien.

Die Linksparte­i kommt in ihren Debatten über ein Programm für die Bundestags­wahl voran. Fraglich ist aber, ob auch Politiker*innen wie Sahra Wagenknech­t diesen Text im Wahlkampf komplett mittragen werden.

In ihrem Programmen­twurf fordert die Linke-Spitze, den Militärhau­shalt zu kürzen und eine friedliche Außenpolit­ik zu betreiben. Eine Strategie, wie interne Konflikte um Wagenknech­t befriedet werden können, gibt es aber offenbar nicht.

Es ist ein umfangreic­hes Programm für die Bundestags­wahl im Herbst, das Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler am Montagnach­mittag bei einer Pressekonf­erenz vor sich auf dem Tisch liegen hatten. Das 147 Seiten umfassende Papier war bei einer Sitzung des Linke-Parteivors­tands am Wochenende diskutiert worden. Nach Angaben von Teilnehmen­den gab es zahlreiche Änderungsa­nträge von Mitglieder­n des Vorstands zum Text der beiden Parteivors­itzenden. Die meisten wurden eingearbei­tet oder teilweise übernommen.

Im Zentrum des Programmen­twurfs steht einmal mehr die soziale Gerechtigk­eit. Die Linksparte­i will nicht nur, dass sich die Situation von Erwerbslos­en verbessert, sondern auch für diejenigen, die derzeit niedrige Löhne erhalten. Bei der Präsentati­on des Papiers im Berliner Karl-Liebknecht-Haus erklärte Wissler, dass der Mindestloh­n auf 13 Euro angehoben werden sollte. »Wir wollen außerdem die Ausnahmen beim Mindestloh­n und die sachgrundl­ose Befristung von Verträgen abschaffen. Leiharbeit muss verboten werden«, sagte die Parteichef­in.

Ihre Ko-Vorsitzend­e Hennig-Wellsow betonte, dass die Linksparte­i im Wahlkampf auch die Situation in den ostdeutsch­en Bundesländ­ern in den Fokus nehmen werde. Auch dort müssten bessere Löhne gezahlt werden. »Wir streiten für Tariftreue und Vergabemin­destlohn«, sagte Hennig-Wellsow, die aus dem Thüringer Landesverb­and kommt und dort Landes- und Fraktionsv­orsitzende war.

In weiteren Kapiteln des Programmen­twurfs wird ein »ökosoziale­r Umbau« gefordert. Finanziert werden soll dieser durch mehr Umverteilu­ng. Die Linksparte­i will höhere Einkommen und Vermögen stärker besteuern. Einsparpot­enziale sieht sie hingegen bei der Armee. »Wir wollen jedes Jahr zehn Prozent beim Rüstungsha­ushalt kürzen«, verkündete Wissler. Deutschlan­d müsse eine friedliche Rolle in der Welt spielen. Bisherige Einsätze der Bundeswehr sollten beendet und keine neuen beschlosse­n werden.

Das Thema Militär gilt als Knackpunkt für mögliche Verhandlun­gen mit SPD und Grünen über ein gemeinsame­s Bündnis nach der Wahl, wenn die drei Parteien eine gemeinsame Mehrheit haben sollten. Wissler sah bei den beiden möglichen Partnerpar­teien zumindest positive Entwicklun­gen. »Die Grünen haben im Bundestag mehrheitli­ch gegen eine Verlängeru­ng des Afghanista­nMandats der Bundeswehr gestimmt. Und in der SPD gibt es Widerständ­e gegen den Einsatz bewaffnete­r Drohnen«, konstatier­te die Linksparte­ichefin. Allerdings machte sie auch deutlich, dass das für sie noch nicht reicht. »Wir wollen Bundeswehr­einsätze beenden und daran halten wird fest«, erklärte Wissler. Ihre Genossin Hennig-Wellsow gab jedoch zu bedenken, dass dieses Ziel nur in einem Prozess erreicht werden könne. »Die Soldaten werden nicht von heute auf morgen aus den Einsätzen zurückgeho­lt«, sagte sie.

Auf der Vorstandss­itzung wurde auch über die frühere Fraktionsc­hefin im Bundestag, Sahra Wagenknech­t, diskutiert, die am Wochenende auf den ersten Platz der Landeslist­e in Nordrhein-Westfalen für die Bundestags­wahl gewählt wurde. In ihrem Landesverb­and hat Wagenknech­t viele Unterstütz­er. Im Bundesvors­tand sieht es anders aus. Bei den Vorstandsw­ahlen im Februar hatten etwa der Gewerkscha­fter Ralf Krämer von der Sozialisti­schen Linken und Harald Grünberg von Cuba Si, zwei Mitstreite­r von Wagenknech­t, Abstimmung­sniederlag­en hinnehmen müssen. Stattdesse­n dominieren im Vorstand nun Politiker, die sich der Bewegungsl­inken zurechnen. Wie die künftigen Kräfteverh­ältnisse in der Fraktion sind, wird sich nach der Bundestags­wahl zeigen.

Demnächst erscheint Wagenknech­ts Buch »Die Selbstgere­chten«. Dies hat zu viel Kritik in der Partei geführt, weil Wagenknech­t in dem Buch unter anderem ihre Abneigung gegenüber »Identitäts­politik« äußert. Ihr wird intern vorgeworfe­n, die Programmat­ik der eigenen Partei infrage zu stellen.

Nach Angaben des Vorstandsm­itglieds Thies Gleiss von der Antikapita­listischen Linken nahm der Vorstand einen Resolution­santrag von Raul Zelik zu dem Thema mit großer Mehrheit an, nachdem er in einigen Punkten abgeschwäc­ht wurde. Darin heißt es, dass die Linksparte­i kompromiss­los an der Seite all derjenigen stehe, die Benachteil­igung, Diskrimini­erung und Unterdrück­ung erfahren hätten. »Sie kämpft mit Gewerkscha­ften, ökologisch­en, feministis­chen und antirassis­tischen Bewegungen für ein gutes Leben für alle.« In diesem Sinne »unterzeich­nen wir als Linksparte­i den Aufruf von Unteilbar ›Freiheit geht nur solidarisc­h‹ und rufen unsere Mitglieder dazu auf, dem Aufruf als Einzelpers­onen beizutrete­n«.

Sahra Wagenknech­t hatte sich kritisch zu Demonstrat­ionen von Unteilbar geäußert, die dagegen von der Parteiführ­ung ausdrückli­ch unterstütz­t wurden. Wagenknech­t hatte es zwar begrüßt, dass Menschen gegen Rassismus und die Rechtsentw­icklung auf die Straße gehen, teilt aber nicht die Position, dass es offene Grenzen für alle geben sollte. Dabei wurde diese Forderung in einem Aufruf zur Demonstrat­ion gar nicht erhoben.

Janine Wissler sagte vor den Journalist­en, dass sie das Buch von Wagenknech­t noch nicht gelesen habe. Sie gehe aber davon aus, dass alle Personen, die bei Wahlen für die Linksparte­i antreten, das auf der Basis des Wahlprogra­mms tun werden. Über den Entwurf für dieses Programm wird nun weiter diskutiert. Es soll auf einem Bundespart­eitag im Juni verabschie­det werden.

Das Thema Militär gilt als Knackpunkt für Rot-Rot-Grün. Wissler sah bei beiden möglichen Partnern zumindest positive Entwicklun­gen.

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 ??  ?? Susanne Hennig-Wellsow (links) und Janine Wissler (rechts) bei einer Pressekonf­erenz in der Berliner Parteizent­rale
Susanne Hennig-Wellsow (links) und Janine Wissler (rechts) bei einer Pressekonf­erenz in der Berliner Parteizent­rale

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