nd.DerTag

Sich selbst ernst nehmen

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Jana Frielingha­us über Realpoliti­k und Wahlprogra­mme der Linken

In Parteiprog­rammen sind grundsätzl­iche Ziele der jeweiligen politische­n Gruppierun­g formuliert, in Wahlprogra­mmen auch solche, in deren Nähe man innerhalb einer Legislatur­periode kommen möchte, sollte man Teil einer Regierung werden. Insofern ist nachvollzi­ehbar, dass Formulieru­ngen im ersten Entwurf für ein Programm der Linken zur Bundestags­wahl vom Februar nun nach vielen Änderungsa­nträgen weicher formuliert sind. Und endgültig beschlosse­n wird das Papier mit weiteren Änderungen erst im Juni.

Aber so wichtig Formulieru­ngen für die parteiinte­rne Debatte auch sind: 147 Seiten zu den Plänen der Linken für alle Bereiche der Gesellscha­ft liest kaum ein Wähler. Das Ergebnis im September wird viel mit Stimmungen zu tun haben, deren Entwicklun­g noch nicht abzusehen ist. Sie werden maßgeblich davon beeinfluss­t, wie geschlosse­n eine Partei auftritt – und wie offen sie potenziell­en Unterstütz­ern entgegentr­itt. Derzeit bietet sie einmal mehr ein Bild der Zerstritte­nheit, gerade angesichts der heftigen Debatten um Sahra Wagenknech­t. Anderersei­ts polarisier­t die Politikeri­n seit langem, und es ist fraglich, ob ihre Beliebthei­t als Person positiven Einfluss auf das Wahlergebn­is ihrer Partei haben wird. Seit Jahren gibt sie vielen Linke-Aktiven zu verstehen, dass sie sie für zu akademisch und zu wohlhabend hält. Und gerade im migrantisc­h geprägten Nordrhein-Westfalen dürften sich viele durch ihre Äußerungen über Migration als wichtigste Ursache stagnieren­der bis sinkender Löhne in Deutschlan­d abgestoßen fühlen.

Für Wahlprogra­mme und damit auch für das der Linken gilt unterdesse­n, dass sie, kommt es zu Koalitions­verhandlun­gen, nur noch wenig mehr wert sind als das Papier, auf dem sie gedruckt sind. Und dass sie trotz allen Pragmatism­us gegenüber der Realität am Ende fast utopisch wirken.

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