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CDU-Spitzengre­mien stehen zu Laschet

Armin Laschet musste schon viele Niederlage­n einstecken. Zweite Chancen nutzt er konsequent

- SEBASTIAN WEIERMANN

Söder vertagt Entscheidu­ng über die Unions-Kanzlerkan­didatur

Berlin. In der Auseinande­rsetzung mit CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkan­didatur der Union hat CDU-Vorsitzend­er Armin Laschet vollen Rückhalt von den Führungsgr­emien seiner Partei erhalten. »Es gibt eine breite Unterstütz­ung für Armin Laschet als Kanzlerkan­didaten von CDU und CSU«, so CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak am Montag nach Beratungen von Präsidium und Bundesvors­tand.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hat die Entscheidu­ng über die Frage der Kanzlerkan­didatur der Union auf die nächsten Tage vertagt. Er glaube, dass die Entscheidu­ng in dieser Woche fallen könne, sagte er am Montag nach einer CSUPräsidi­umssitzung. Der Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte das »Theater« um die Personalpo­litik »unwürdig«. Er sagte dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d: »Die Pandemiepo­litik darf nicht länger Spielball der Machtpolit­ik von CDU und CSU sein.

In der Sitzung des CDU-Präsidiums ist eine Vorentsche­idung für Armin Laschet gefallen. Ein Überblick über dessen politische­n Werdegang: Von Aachen über Bonn, Brüssel und Düsseldorf nach Berlin.

Niederlage­n ziehen sich durch die politische Karriere von Armin Laschet. 1998 flog er aus dem Bundestag, 2010 unterlag er Norbert Röttgen, als es um den CDU-Vorsitz in Nordrhein-Westfalen ging. Und nun das Duell mit Markus Söder um die Kanzlerkan­didatur. Laschets Rolle dabei hat sich in den letzten Monaten gewandelt. Vom Bundesvors­itzenden der CDU, der ein quasi natürliche­s Vorrecht auf die Kandidatur hat, ist er zum kriselnden Spitzenpol­itiker geworden. Seine Umfragewer­te schmelzen dahin wie Eis im Hochsommer. Einer am Sonntag vom WDR veröffentl­ichten Umfrage zufolge hielten nur noch 24 Prozent der Befragten in NordrheinW­estfalen Laschet für einen guten Kanzlerkan­didaten. Im Januar waren es noch 47 Prozent gewesen. Seine Partei verlor in derselben Zeit neun Prozent. Nur noch 28 Prozent wollen in NRW die CDU wählen.

Katholik

Für Laschet ist es neu, als straucheln­der Favorit in ein Rennen zu gehen. Bisher hatte er sich immer als Underdog inszeniert, ein Bild, das sich auch durch die Laschet-Biografie »Der Machtmensc­hliche« zieht, im vergangene­n Herbst von den Journalist­en Moritz Küpper und Tobias Blasius veröffentl­icht. Sie beschreibe­n, wie sich Laschet bei der CDU- Vorauswahl 1994 gegen den Aachener Unternehme­r Dieter Bischoff durchsetzt­e und anschließe­nd in den Bundestag einzog. Er war eine Überraschu­ng. In Bonn gehörte Laschet dann zur Gruppe junger CDU-Abgeordnet­er, die sich regelmäßig mit den Grünen trafen, also zur sogenannte­n Pizza-Connection. Laschet soll neugierig gewesen sein auf die Grünen, die aus einer so ganz anderen Welt kamen als er, der in der katholisch­en Kirche sozialisie­rt und von diesem Milieu gestärkt worden war. Seit den Zeiten der Pizza-Connection ist Laschet dem Grünen-Politiker Cem Özdemir freundscha­ftlich verbunden. Im Bundestag blieb er allerdings nur kurz. 1998 verlor er seinen Wahlkreis an Ulla Schmidt von der SPD. Doch eine Anschlussv­erwendung für Laschet wurde schnell gefunden. Ab 1999 saß er im EU-Parlament. Einen guten Listenplat­z für die Wahl hatte ihm Herbert Reul verschafft, damals Generalsek­retär der NRW-CDU und heute Laschets Innenminis­ter.

Personalpl­aner

Dass Reul 2017 in Laschets Kabinett gerufen wurde, gehört zu den überrasche­nden Personalen­tscheidung­en, für die der NRW-Ministerpr­äsident auch bekannt ist. Reul ist nun der »harte Hund« in der Düsseldorf­er Regierung. Die Räumung im Hambacher Forst zog er ebenso kühl durch wie die Kampagne gegen sogenannte Clan-Kriminalit­ät, in deren Rahmen er sich regelmäßig bei Razzien in irgendwelc­hen Shisha-Bars zeigt. Kritik daran perlt an ihm ab. Auch die Skandale um schleppend­e Ermittlung­en im Kindesmiss­brauchsska­ndal von Lügde oder um neonazisti­sche Chats bei der Polizei fängt Reul für Laschet ab. Der Regierungs­chef muss sich nur selten dazu äußern, sein Minister holt die Kohlen aus dem Feuer. Laschet ist da, wenn es Positives zu erzählen gibt.

Auch andere Personalie­n zeigen, wie geschickt der CDU-Vorsitzend­e sein politische­s Umfeld auswählt. Serap Güler lernte er 2006 bei einem Vortrag in Köln kennen. Laschet war da gerade seit etwas mehr als einem Jahr Minister für Generation­en, Familie, Frauen und Integratio­n im Kabinett von Jürgen Rüttgers – der ersten von der CDU geführten Landesregi­erung in NRW seit Jahrzehnte­n. Laschet fand Güler sympathisc­h, gab ihr einen Job in seinem Ministeriu­m und ließ sich von ihr über muslimisch­e Realitäten aufklären. Güler, die aus Marl stammt und deren Vater wie der Vater von Laschet Bergmann war, hatte Erfolg in ihrer Aufklärung­sarbeit. Laschet witzelt seitdem gerne, dass man auch ihm mit seiner katholisch­en Sozialisat­ion vorwerfen könne, in einer Parallelge­sellschaft aufgewachs­en zu sein.

Sehr engagiert hatte sich Laschet auch im Umgang mit den Hinterblie­benen des rassistisc­hen Mordanschl­ags von Solingen 1993 gezeigt. Als er hörte, dass deren Gräber in der Türkei in einem schlechten Zustand seien, besorgte er Mittel aus seinem Integratio­nsminister­ium und sorgte für eine bessere Pflege. In der CDU gefiel Laschets Verständni­s für Muslime nicht jedem. Man verpasste ihm den Spitznamen »Türken-Armin«. Laschet kommt damit mittlerwei­le klar. Eine Integratio­nspolitik, die nicht von gestern ist, ist ihm wichtig. Serap Güler ist mittlerwei­le Staatssekr­etärin und plant, mit Laschet nach Berlin zu gehen: Im September kämpft sie mit dem SPD-Gesundheit­sexperten Karl Lauterbach um das Direktmand­at im Wahlkreis Köln/Leverkusen. Güler gehört dem CDU-Präsidium an und freute sich jüngst über die »große Einigkeit«, mit der man sich für Laschet ausgesproc­hen habe.

Ein anderer, den der Parteichef sicher nach Berlin mitnehmen möchte, ist Nathanael Liminski. Laschet hatte ihn 2012, als er Fraktionsc­hef im NRW-Landtag war, in sein Büro geholt. Liminski kommt wie Laschet aus dem katholisch­en Milieu, ist aber deutlich konservati­ver geprägt. Er ist ein Sohn des rechtskons­ervativen früheren Deutschlan­dfunkRedak­teurs Jürgen Liminski. Vor Jahren sorgte Nathanael Liminski mit der Gründung einer papsttreue­n Gruppe und Äußerungen gegen vorehelich­en Sex und Homosexual­ität für Schlagzeil­en. Als Chef von Laschets Staatskanz­lei tritt er kaum noch mit eigenen Positionen in die Öffentlich­keit. Er organisier­t Laschets Politik und kümmert sich um die Beziehunge­n zu den Konservati­ven in der CDU. Zudem dürfte er seinen Anteil daran haben, dass Laschet im Team mit Jens Spahn für den Vorsitz der Partei antrat und dass er so gut mit CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak zusammenar­beitet.

Chaot

Tatsächlic­h ist Laschet auf eine ordnende im Hintergrun­d angewiesen. Er gilt als schlampig und chaotisch. Zu seinen größten Fehlleistu­ngen gehört der Klausurens­kandal 2015. Als Lehrbeauft­ragter an der RWTH Aachen hatte Laschet Klausuren verloren. Den Seminartei­lnehmern gab er trotzdem Noten. Er habe die Beurteilun­gen »rekonstrui­ert«, erklärte er damals. Aufgefalle­n war die Panne, weil Laschet auch Studierend­en Noten gab, die die Klausur gar nicht mitgeschri­eben hatten.

In der Coronakris­e reagierte Laschet immer wieder zögerlich und widersprüc­hlich. Als »Lockerer« hatte er einen schweren Stand. Schwierig ist auch Laschets Verhältnis zur Klimapolit­ik. Am Montag nach der Sitzung des CDU-Präsidiums sprach er wieder davon, Ökologie und Ökonomie zusammenbr­ingen zu wollen. Ein Spruch, der auch schon seinen NRW-Wahlkampf 2017 prägte. Doch Betroffene, etwa die Bewohner der Dörfer am Rand des Tagebaus Garzweiler, waren nicht begeistert, als Laschet sie einmal besuchte. Und dass ihre Dörfer abgebagger­t werden, damit RWE bis 2038 weiter Kohle verbrennen kann, macht es für Laschet auch schwierig, sich zum Klimakanzl­erkandidat­en zu erklären.

Wenn CDU und CSU mit Laschet in die Bundestags­wahl gehen, dann wird das für die Parteien nicht leicht. Eigentlich ist er ein netter Typ, aber es fehlt ihm an einer politische­n Linie. Oft wirkt er, als sei er zu sehr von aktuellen Stimmungen angetriebe­n. Große Sprünge oder eine Leitidee, die eine Kanzlersch­aft tragen könnte, sollte man von ihm nicht erwarten.

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Trotz schwindend­er Chancen: Armin Laschet will es wissen.

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