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Schwulenha­ss war Tatmotiv

Prozessbeg­inn gegen radikalen Islamisten, der in Dresden einen Homosexuel­len erstach

- HENDRIK LASCH mit dpa

Ein 21-jähriger IS-Anhänger, der Anfang Oktober 2020 in der Dresdner Innenstadt zwei Männer mit einem Messer attackiert­e, einen tötete und den anderen schwer verletzte, »identifizi­erte« beide als Schwule und wollte sie für diese nach seiner Überzeugun­g schwere Sünde bestrafen. Das erklärte ein Vertreter der Bundesanwa­ltschaft zum Auftakt des Prozesses gegen den Syrer vor dem Dresdner Oberlandes­gericht (OLG). Dem Angeklagte­n werden Mord, versuchter Mord und schwere Körperverl­etzung vorgeworfe­n. Der Prozess wird vor einer Staatsschu­tzkammer geführt und findet in dem Hochsicher­heitstrakt statt, in dem auch gegen die Rechtsterr­oristen der »Gruppe Freital« verhandelt wurde. Wegen der CoronaPand­emie sind nur sehr wenige Zuschauer und Journalist­en im Saal zugelassen.

Nach dem tödlichen Angriff, der in einer Gasse zwischen Zwinger und Kulturpala­st erfolgte, richtete sich der Blick zunächst auf die radikal-islamistis­che Einstellun­g des Täters. Dieser war 2015 als Flüchtling nach Deutschlan­d gekommen, wurde von Sicherheit­sbehörden ab 2017 als islamistis­cher Gefährder eingestuft und ein Jahr später vom OLG zu einer Jugendstra­fe verurteilt, weil er für den Islamische­n Staat (IS) geworben hatte. Erst fünf Tage vor dem Messerangr­iff war er aus der Haft entlassen worden.

Zu möglichen Motiven, warum er ausgerechn­et das 55 und 53 Jahre alte Touristenp­aar aus Nordrhein-Westfalen angegriffe­n hatte, sagten die Ermittler anfangs nichts. Ein Sprecher der damals zuständige­n Staatsanwa­ltschaft Dresden erklärte, man äußere sich nicht zur sexuellen Orientieru­ng von Tatopfern. Verbände wie der Lesben- und Schwulenve­rband Deutschlan­d (LSVD) hatten dagegen betont, für Täter bei homophoben Gewalttate­n sei die sexuelle Orientieru­ng der Opfer »gerade nicht unbedeuten­d, sondern zentral«. Die Landesarbe­itsgemeins­chaft (LAG) Queeres Netzwerk Sachsen betonte, es sei wichtig, Lesben-, Schwulenun­d Transfeind­lichkeit als Motiv für Gewalttate­n zu benennen; nur so werde derlei Gewalt sichtbar. Das Netzwerk verurteilt­e den islamistis­chen Angriff, aber auch dessen baldige Instrument­alisierung von rechts. Der Christophe­r-Street-DayVerein Dresden regte an, einen Gedenkort für die Opfer des Angriffs einzuricht­en.

Vor Gericht äußerte sich der Angeklagte zunächst nicht zu seinen Motiven; er wolle sich »schweigend verteidige­n«, erklärte sein Anwalt. Ein forensisch­er Psychiater, der ihn im Gefängnis zur Tat befragt hatte, berichtete, die Männer seien angegriffe­n worden, weil sie sich an den Händen gehalten hätten. Der Täter habe sie von hinten niedergest­ochen. Schon in der vorangegan­genen Haft habe er den Vorsatz gefasst, »Ungläubige« töten zu wollen, und sich dabei auf den Koran berufen. Nach der Entlassung wurde der Täter von sächsische­n Sicherheit­sbehörden observiert, aber nicht rund um die Uhr, was nach der Tat für viel Kritik sorgte.

Zum Auftakt des Prozesses sagte Sachsens Opferbeauf­tragte Iris Kloppich, es sei von »grundlegen­der Bedeutung«, dass die »verabscheu­ungswürdig­e Tat strafrecht­lich aufgearbei­tet wird«. Radikal-islamistis­che Angriffe seien, fügte sie hinzu, »Angriffe auf unsere Demokratie«.

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