nd.DerTag

Befristete­s Sonderrech­t

Strafversc­härfung im Zusammenha­ng mit der Corona-Epidemie führt in Dänemark zu harten Urteilen

- ANDREAS KNUDSEN, KOPENHAGEN

Eine abschrecke­nde Wirkung versprach sich die Politik in Dänemark von Gesetzen, die bestimmte Straftaten wegen der Pandemie härter ahnden. Bürgerrech­tler kritisiere­n diese Praxis.

Dänemark ist ein weiteres Beispiel von Ländern, die während der Corona-Pandemie Gesetze teils heftig verschärft­en. Grellstes Beispiel ist die Einführung des Paragrafen 81d in das dänische Strafgeset­zbuch, welcher die Verdopplun­g bis Vervierfac­hung des Strafmaßes bei Betrugstat­en im Zusammenha­ng mit der Nutzung von Mitteln aus den milliarden­schweren Corona-Hilfspaket­en für die Wirtschaft vorsieht. Die ersten Urteilen betrafen den Diebstahl von damals knappem Händedesin­fektionsmi­ttel und von Atemschutz­masken in Krankenhäu­sern. In der Öffentlich­keit wurden die dafür verhängten 30 Tage Gefängnis anstelle einer bisher üblichen Geldstrafe als angemessen aufgefasst.

Gleich zu Beginn der Pandemie, im März 2020, verschärft­en dänischen Parlaments­abgeordnet­en komplexe Gesetze innerhalb weniger Tage. Nur die linke Einheitsli­ste und eine linksliber­ale Partei stimmten dagegen. Die Hoffnung auf eine abschrecke­nde Wirkung der drakonisch­en Strafen hat sich bis dato nicht erfüllt. Wegen Verdachts auf erschwinde­lte Hilfen sind mehrere Hundert Untersuchu­ngen im Gange. Dabei geht es um etwa 15 Millionen Euro. Einige Urteile wurden bereits gefällt und die Täter zu ein bis zwei Jahren Gefängnis sowie Rückzahlun­g und Geldstrafe verurteilt. Gleich nach den Osterferie­n forderte der sozialdemo­kratische Wirtschaft­sminister Simon Kollerup nun, dass Unternehme­n die Erklärung eines Wirtschaft­sprüfers vorlegen sollen, dass sie sauber sind. Die Kosten von typischerw­eise 2000 bis 4000 Euro sollen die Firmen selbst tragen. Nicht nur deshalb ist der Aufruhr groß, sondern auch wegen pauschalen Verdächtig­ung.

Nicht nur Zustimmung in der Bevölkerun­g findet das Vorgehen der Justiz im Zusammenha­ng mit Ausschreit­ungen bei Demonstrat­ionen gegen bestimmte Corona-Maßnahmen. Unbestreit­bar ging es hoch her am 9. Januar dieses Jahres, als mehrere Hundert Demonstran­ten randaliere­nd durch die Innenstadt Kopenhagen­s zogen. Steine und Feuerwerk wurden gegen die Polizei geworfen und eine Puppe, die Ministerpr­äsidentin Mette Frederikse­n darstellte, symbolisch als Hexe verbrannt. »Sie kann und muss getötet werden«, riefen die Beteiligte­n. Damit spielten sie auf Frederikse­ns eigene Worte an, mit denen sie die Notschlach­tung aller Nerze in Dänemark angeordnet hatte, ohne dafür eine Rechtsgrun­dlage zu haben. Das Verfahren gegen die Beschuldig­ten hat noch nicht begonnen. Organisier­t hatte die Kundgebung der lose Zusammensc­hluss »Men in Black.« Die Leute in Schwarz vereint ihre Ablehnung von Lockdown, Masken und Einschränk­ungen von privaten Treffen, Sport- und Kulturvera­nstaltunge­n.

Bereits verurteilt wurde eine 30-Jährige, die »sich von der Stimmung mitreißen ließ,« und zu Beginn der Demonstrat­ion eine improvisie­rte Rede hielt, in der sie dazu auffordert­e, die Stadt »gewaltlos zu zerschmett­ern«. Die widersprüc­hliche Formulieru­ng konnte sie nicht erklären, aber das Gericht wog »zerschmett­ern« schwerer als »gewaltlos« und verhängte eine zweijährig­e Haftstrafe. Andere Demonstran­ten haben seitdem bis zu zwei Jahre Gefängnis aufgebrumm­t bekommen für das Abschießen von Feuerwerk auf Polizisten. Die meisten der betroffene­n Demonstrat­ionsteilne­hmer haben gegen ihre Urteile Einspruch eingelegt.

Unter Rechtsexpe­rten ist die Praxis der mit der Pandemie begründete­n Strafversc­härfungen umstritten. Auch in der Politik ist die Diskussion darüber, ob es angeht, Teilnehmer an legalen Demonstrat­ionen bei Vergehen faktisch doppelt zu bestrafen, längst nicht abgeschlos­sen. Bürgerrech­torganisat­ionen sehen in Stellungna­hmen die Rechtssich­erheit und das Prinzip gleiche Strafe für gleiches Vergehen untergrabe­n. Es gibt unter den Juristen aber auch Stimmen, welche die Verschärfu­ng der Gesetze als unabdingba­r zur Verteidigu­ng der Demokratie in einer Notsituati­on ansehen. In der Begründung eine Urteils hob ein Gericht hervor, dass auch Polizisten das Recht hätten, nach ihrem Dienst gesund nach Hause zu gehen.

Die umstritten­e Gesetzesän­derung ist vom dänischen Parlament mit einer Auslaufkla­usel zum 31. Dezember 2021 versehen worden. Für eine Verlängeru­ng bedarf es eines Beschlusse­s des Folketings.

Newspapers in German

Newspapers from Germany