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Der grüne Tod

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Keine Frage, die Verkehrswe­nde muss endlich Fahrt aufnehmen, und die im Gegensatz zu U-Bahnen weitaus günstigere­n und schneller zu realisiere­nden Trams gehören unbedingt dazu. Dass die notwendige Verlängeru­ng der M10 von der Warschauer Straße zum Herrmannpl­atz nun aber ausgerechn­et mitten durch den Görlitzer Park führen soll, ist mehr als unglücklic­h. Gerade in der Pandemie ist deutlich geworden, wie wichtig Grünfläche­n für die Erholung sind und dass es in Innenstadt­bezirken wie Kreuzberg eher mehr als weniger davon bräuchte. Nicht jede*r hat das Privileg eines eigenen Gartens, Balkons oder Innenhofs oder kann mal eben schnell raus nach Brandenbur­g ins Grüne fahren, am besten noch auf die eigene Datsche. Nicht nur die Kreuzberge­r *innen wissen daher den Görli als Naherholun­gsgebiet und zentralen Ort des Zusammenko­mmens zu schätzen. Und wer jetzt witzelt, dass es ja nur passend ist, dass die als Partytram bekannte M10 mitten durch den »Drogen-Park« fahren soll, sollte sich in Erinnerung rufen, dass der Görli auch mit Drogendeal­er*innen mehr Aufenthalt­squalität bietet als jede versiegelt­e Fläche.

Dass nun ausgerechn­et eine Senatorin der Grünen eine innerstädt­ische Grünfläche durch eine Verkehrsac­hse zerschneid­en will, lässt nicht nur politische Weitsicht, sondern auch Sensibilit­ät für die Belange der Kreuzberge­r Bewohner*innenschaf­t vermissen. Denn der Grünen-Klientel mag der Görli als sogenannte­r kriminalit­ätsbelaste­ter Ort ein Dorn im Auge sein – wer mit Aperol Spritz auf der Dachterras­se seiner Eigentumsw­ohnung sitzt und gedanklich schon den nächsten Trip in sein Ferienhaus plant, hat leicht reden. Wenn die Grünen aber wirklich eine Partei für alle Berliner*innen sein wollen, wie es ihre Spitzenkan­didatin Bettina Jarasch immer wieder betont, sollten sie auch die Bedürfniss­e der weniger gut betuchten Berliner*innen berücksich­tigen. Gut wäre auch, sein eigenes Parteiprog­ramm ernst zu nehmen, immerhin ginge eine Umfahrung des Parks vor allem zulasten des Autoanteil­s. Und damit käme man auch dem ausgegeben­en Ziel einer emissionsf­reien Innenstadt ein gutes Stück näher.

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FOTO: ND/ULLI WINKLER Marie Frank über die Pläne der Grünen, die M10 durch den Görli fahren zu lassen

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