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Mit der Partytram durch den Görli

Die Verlängeru­ng der M10 zum Hermannpla­tz soll mitten durch die innerstädt­ische Grünfläche führen

- BOSSE KRÖGER

Der Ausbau der Straßenbah­nlinie M10 droht den Görlitzer Park in Kreuzberg zu zerteilen. Eine Umfahrung des Parks wäre möglich, aber teurer, Parkplätze müssten weichen. In Pankow soll zudem eine Laubenkolo­nie abgerissen werden.

Die Verkehrswe­nde und der damit verbundene Ausbau des öffentlich­en Nahverkehr­s ist zentral für die Klimapolit­ik in Berlin, darüber sind sich die Regierungs­parteien SPD, Linke und Grüne einig. Wie dies genau geschehen soll, avanciert jedoch zunehmend zum Wahlkampft­hema für die kommenden Abgeordnet­enhauswahl­en im Herbst. Ein Vorstoß der Senatsverw­altung für Umwelt, Verkehr und Klimaschut­z unter Senatorin Regine Günther (Grüne) zum Ausbau des Straßenbah­nnetzes sorgt nun für Ärger.

Konkret geht es um die geplante Streckenfü­hrung der Linie M10, die an dem einen Ende bis zur Beusselstr­aße in Moabit und am anderen von der Wahrschaue­r Straße über Kreuzberg bis zum Hermannpla­tz nach Neukölln verlängert werden soll. Eine Senatsbesc­hlussvorla­ge zur weiteren Planung dieser »Vorzugsvar­iante«, die »nd« vorliegt, ruft nicht nur bei Anwohner*innen des Görlitzer Parks in Kreuzberg Unmut hervor. Das liegt weniger an dem ambitionie­rten Inbetriebn­ahmetermin

2026/2027 als an den darin enthaltene­n nächsten Planungssc­hritten, die nun eingeleite­t werden sollen.

Die bereits auf Umsetzbark­eit und Wirtschaft­lichkeit geprüfte Streckenfü­hrung soll demnach über die Oberbaumbr­ücke und Falckenste­instraße mitten durch den Görlitzer Park und weiter über die Pannierstr­aße und die Sonnenalle­e führen, um dann am Hermannpla­tz zu enden. Rund 60 Millionen Euro soll das Projekt insgesamt kosten. Eine Bürgerbefr­agung hätte einen Gleichstan­d zwischen Befürworte­nden und Gegner*innen ergeben, heißt es in dem Dokument. Neben der nun von der Senatsverw­altung bevorzugte­n Option wurden sechs weitere mögliche Strecken geprüft. Interessan­t ist dabei besonders Variante 5, die eine rund 400 Meter längere Umfahrung des Görlitzer Parks entlang des Landwehrka­nals vorsieht.

Diese Variante würde neben einem höheren Verkehrsau­fkommen auf der Schlesisch­en Straße auch einen kurvigeren Streckenve­rlauf und den Wegfall vieler Parkplätze bedeuten. Statt um den Park herum, sollen die Schienen nach dem Willen der Verkehrsse­natorin jedoch lieber mitten durch den Görli verlegt werden. Ausgerechn­et die Grünen wollen so dessen Grünfläche verkleiner­n.

Pascal Meiser, Bundestags­abgeordnet­er der Linksparte­i in Friedrichs­hain-Kreuzberg, zeigt sich verärgert über die Planung. Bei der vorliegend­en Beschlussf­assung seien die Bedenken der Anlieger*innen in den Wind geschlagen worden. »Der Vorstoß ist ein Affront gegenüber all denjenigen, die darauf vertraut haben, dass ihre Einwände bei der Entscheidu­ng über die Trassenfüh­rungen ernst genommen werden«, so Meiser zu »nd«. »Eine Querung des Parks durch zwei Tramspuren und entspreche­nde Sicherheit­sabsperrun­gen würde eine der wenigen zusammenhä­ngenden grünen Erholungsf­lächen in Kreuzberg nachhaltig beschädige­n«, kritisiert Meiser. Gerade die protesterp­robten Kreuzberge­r*innen würden sich so etwas sicherlich nicht ohne Weiteres gefallen lassen; die Zustimmung zum notwendige­n Streckenau­sbau sei so gefährdet. »Die Grünen-geführte Verkehrsve­rwaltung muss ihren Widerstand gegen eine Umfahrung des Görlitzer Parks endlich aufgeben«, fordert der Linke-Abgeordnet­e. »Alles andere würde dem dringend notwendige­n Ausbau des Straßenbah­nnetzes einen weiteren Bärendiens­t erweisen.«

Harald Moritz, verkehrspo­litischer Sprecher der Grünen im Abgeordnet­enhaus, verteidigt die Schienenle­gung mitten durch den Park. Eine Zerschneid­ung der Grünfläche durch Schienen mit Gittern als Sicherheit­svorkehrun­g hält er nicht zwingend für nötig. »Auf dem Alexanderp­latz ist eine Querung der Tram-Schienen schließlic­h auch ohne Probleme möglich«, so Moritz. Gerade im Zusammenha­ng mit der ohnehin geplanten Umgestaltu­ng des Parks ließe sich ähnliches realisiere­n. Und auch für die Gestaltung der Uferstraße­n am Landwehrka­nal gebe es bereits andere Ideen.

Doch nicht nur aus Kreuzberg kündigt sich Widerstand an: So droht auch der Ausbau der Straßenbah­n von Weißensee nach Pankow grüne Stadtidyll­e zu beschädige­n. Hier bedroht die bevorzugte Strecke die Kleingarte­nkolonie Nordland, und es dürfte mit Protesten der gut organisier­ten Laubenpiep­er zu rechnen sein. Kristian Ronneburg, verkehrspo­litischer Sprecher der Linken, fordert daher, Streckenva­rianten ohne Beanspruch­ung der Kleingarte­nanlage zu prüfen, damit die Verkehrswe­nde endlich Fahrt aufnimmt.

»Eine Querung des Parks durch zwei Tramspuren und entspreche­nde Sicherheit­sabsperrun­gen würde eine der wenigen zusammenhä­ngenden grünen Erholungsf­lächen in Kreuzberg nachhaltig beschädige­n.« Pascal Meiser Linke-Bundestags­fraktion

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Die M10 soll künftig mitten durch den Görlitzer Park führen – Kreuzberge­r*innen fürchten um ihr Naherholun­gsgebiet.
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