nd.DerTag

Eine Pflicht zum Angebot

Bundesregi­erung einig, dass Betriebe Coronatest­s zur Verfügung stellen müssen

- SIMON POELCHAU

Während die Arbeitgebe­r in Sachen Coronatest­s im Büro auf eine Selbstverp­flichtung setzen, fordern die Gewerkscha­ften verbindlic­he Vorgaben. Der Streit ist in der Bundesregi­erung angekommen.

Wie viele Unternehme­n bieten nun ihren Beschäftig­ten regelmäßig einen CoronaSchn­elltest an? Steht sechs von zehn Beschäftig­ten ein Test zur Verfügung, wie die Bundesregi­erung am Freitag erklärte? Planen über 90 Prozent der Unternehme­n, Coronatest­s anzubieten, wie der Industriev­erband BDI meint und es Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) jüngst als Ziel vorgab?

Auf der einen Seite werden im April sicherlich mehr Tests zur Verfügung stehen als im März. Auf der anderen Seite ist es auch ein großer Unterschie­d, ob der Chef tatsächlic­h Tests zur Verfügung stellt oder es nur verspricht. Auf jeden Fall ist um die Frage über eine Pflicht zum Bereitstel­len von Tests seitens der Arbeitgebe­r ein handfester Streit in der Bundesregi­erung entbrannt, den die SPD offenbar für sich entschied.

»40 Prozent der Beschäftig­ten bekommen keine Testangebo­te vom Arbeitgebe­r. Deshalb müssen wir die Wirtschaft verpflicht­en, den Beschäftig­ten einfach und unbürokrat­isch Testangebo­te zu machen«, erklärte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) gegenüber der »Bild am Sonntag«. Auch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz forderte dies. »Nur sechs von zehn Beschäftig­ten erhalten bislang ein Angebot ihres Arbeitgebe­rs, sich regelmäßig testen zu lassen«, sagte der SPD-Kanzlerkan­didat der »Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung«. »Das ist deutlich zu wenig, unsere Vereinbaru­ng zielte auf eine Testquote von 90 Prozent.«

Medienberi­chten zufolge einigte sich die Bundesregi­erung am Montagnach­mittag auf die Einführung einer Angebotspf­licht. Insbesonde­re das Wirtschaft­sministeri­um blockierte dies bislang. Zwar sei ein Ausbau der Zahlen nötig, er glaube aber, dass dies auch »ohne neue Regulierun­gen und Verordnung­en« gelinge, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) noch am Freitag. Nun hieß es aus Altmaiers Ressort, dass man »beidrehen« werde, wie der »Spiegel« auf seiner Internetse­ite am Montag berichtete.

Bei der Opposition rannte SPD-Politiker Hubertus Heil hingegen offene Türen ein: »Zu lange hat die Bundesregi­erung weitgehend in das Privatlebe­n eingegriff­en, Gastronomi­e und Kulturlebe­n stillgeleg­t, während viele Branchen ungeregelt weiterlauf­en. Die Corona-Testpflich­t ist mehr als überfällig«, sagte Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimm­ung und Arbeit der Linke-Bundestags­fraktion, gegenüber »nd.derTag« im Vorfeld der Entscheidu­ng. Ihr zufolge sollten die Angestellt­en jedoch nicht nur einmal, sondern zweimal pro Woche das Recht auf einen Test auf Kosten des Chefs haben.

Krellmann erinnert daran, dass Heil die Arbeitgebe­r schon im Januar dazu verpflicht­en wollte. »Wir als Linke haben das unterstütz­t. Doch die geballte Lobbymacht aus Union und Arbeitgebe­rverbänden hat es verhindert«, so Krellmann.

Doch der Arbeitgebe­rverband BDA sieht eine Testpflich­t als »unnötige Bürokratie« an. Der Industriev­erband BDI droht, dass Verordnung­en »kontraprod­uktiv« seien. »Das breit getragene Engagement zu Tests wird so gebremst und führt zu Unsicherhe­it, ob die bereits angestoßen­en Testverfah­ren auch die richtigen sind. Das fördert kein Vertrauen«, erklärte der BDI vergangene Woche. Gemeinsam mit der Industrie- und Handelskam­mer DIHK und der Handwerker­lobby ZDH setzen sie auf Selbstverp­flichtung. Diese entfalte ihre Wirkung, die Unternehme­n zeigten großen Einsatz, zitierte das »Handelsbla­tt« denn auch am Montag aus einem Papier der vier Arbeitgebe­rverbände.

Anders sehen es natürlich die Gewerkscha­ften. »Es ist schlicht nicht verständli­ch, weshalb sich Menschen im Privatbere­ich seit gut einem Jahr bis hin zu ihren Grundrecht­en einschränk­en, aber die Regeln für die Arbeitgebe­r nach wie vor butterweic­h sind«, erklärte der Vorsitzend­e des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes, Reiner Hoffmann, der FunkeMedie­ngruppe. In der Wirtschaft verweigert­en bislang 40 Prozent der Arbeitgebe­r ihren Beschäftig­ten Testangebo­te, forderte VerdiChef Frank Werneke verbindlic­he Vorgaben für Betriebe und Kitas. Insbesonde­re dort, wo mit Subunterne­hmen und Werkverträ­gen gearbeitet werde, sei die Situation unzureiche­nd, so der Gewerkscha­fter.

Aus Sicht der Linke-Politikeri­n Krellmann reicht eine Angebotspf­licht für Chefs allerdings nicht aus. »Es hapert insgesamt beim Corona-Arbeitssch­utz, weil niemand den Arbeitgebe­rn auf die Finger schaut«, sagt die Arbeitssch­utzexperti­n. Deshalb brauche es mehr und zielgerich­tetere Arbeitssch­utzkontrol­len. Dafür sei in der Pandemie zusätzlich­es Personal hinzuzuzie­hen.

»Es hapert insgesamt beim CoronaArbe­itsschutz, weil niemand den Arbeitgebe­rn auf die Finger schaut.«

Jutta Krellmann

Linke-Fraktionss­precherin für Mitbestimm­ung

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Nun müssen die Arbeitgebe­r ihren Angestellt­en Coronatest­s zur Verfügung stellen.

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