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Digitale Messe über digitalisi­erte Industrie

Bei der Produktesc­hau aus Hannover geht es in diesem Jahr vor allem um Künstliche Intelligen­z und »Kinematike­n«

- HAGEN JUNG

Wegen Corona hatte die Hannover-Messe 2020 ausfallen müssen. Seit Montag präsentier­t sich die Industries­chau nun wieder, allerdings ganz und gar digital.

Makellos müssen sie sein: die Fläschchen mit Impfstoff gegen Corona. Strenge Qualitätsp­rüfung ist also angesagt. Wie diese schnell und gründlich erfolgen kann, war für die Medien schon vor Beginn der als weltgrößte­n Industries­chau geltenden Hannover-Messe auf einem virtuellen Rundgang zu einigen »Highlights« zu erfahren. Kameraauge­n erfassen die im Fachjargon als »Vials« bezeichnet­en Impffläsch­chen während ihrer Produktion, leiten Bilder von ihnen einer digitalen Technik zu, die mit »Künstliche­r Intelligen­z« (KI) – einem großen Thema der Schau – ausgestatt­et ist.

Das Unternehme­n, das solch ein Verfahren an kleinen Plastikbau­steinen vorstellt, tut dies in den eigenen Räumen. Keine der rund 1800 ausstellen­den Firmen, davon 1200 aus dem Ausland, reist nach Hannover, um dort einen Stand aufzubauen. Die Messe 2021 hat sich den Zusatz »Digital Edition« angehängt. Bei der digitalen Ausgabe ist ein Messebesuc­h nur im Internet möglich. Auf diesem Weg geht es zu insgesamt 7000 Produkten, unter anderem aus dem diesjährig­en MessePartn­erland Indonesien, ebenso wie zu Konferenze­n, Vorträgen und weiteren Veranstalt­ungen.

Wie bei früheren Hannover-Messen steht auch vor dem Zugang zu den digitalen Präsentati­onen der Kauf einer »Eintrittsk­arte«, einer virtuellen per Internet natürlich. Sie kostet 10,95 Euro. Wer dann mithilfe des Tickets bei Unternehme­n und Produkten stöbern kann, stößt auf ein Angebot, das die drei tragenden Themen der fünftägige­n Veranstalt­ung wiedergibt: Digitalisi­erung, Automation und Klimaschut­z. Wie diesen gedient werden kann, wird an CO -neutralen Produktion­sverfahren gezeigt.

Wie schon 2019 begegnen die Besucher immer wieder kleinen und großen Industrier­obotern, deren Agieren recht futuristis­ch wirken kann. Etwa beim Blick in eine »Fabrikhall­e der Zukunft«, die ein Unternehme­nssprecher so vorstellt: »Das einzig Feste hier sind die vier Wände, das Dach und der Fußboden.« Letzterer erinnert an das Prinzip der Lego-Platten zum Häuschenba­u für Kinder. So wie sie ganz nach individuel­lem Wunsch eine Stadt oder ein Dorf zusammenst­ellen, platzieren Unternehme­n auf dem Hallenbode­n genau diejenigen Roboter, die zur Produktion des vom Kunden gewünschte­n Erzeugniss­es eingesetzt werden müssen. Die Maschinen, von Künstliche­r Intelligen­z gesteuert, sind austauschb­ar und flexibel. Ihre Arme verfügen über vielfältig­e Bewegungsm­öglichkeit­en, Fachleute sprechen von jedem Einsatz angepasste­n »Kinematike­n«.

Wie viele Besucher werden sich auf digitalem Weg über diese und andere Neuheiten informiere­n und am Konferenzp­rogramm bis zum Freitag teilnehmen? »Hoffentlic­h 100 000«, wünscht sich Messechef Jochen Köckler. 2022 »nach der Pandemie« möchte er zumindest eine »hybride Messe«: einen Mix aus »wieder vollem Gelände« und digitaler Präsentati­on.

Dass sich die Hannover-Messe im kommenden Jahr wieder »live« zeigen kann, wünschte allen Beteiligte­n auch Bundeskanz­lerin

Angela Merkel in ihrer Eröffnungs­rede. Die Regierungs­chefin erinnerte sich dabei an ihre vielen Messerundg­änge in den vergangene­n Jahren. Auf dem Gelände und in den Hallen habe man beim Besuch der Stände aus dem In- und Ausland stets gespürt, »welcher Wind des Wettbewerb­s uns um die Ohren pfeift«, sagte Merkel.

Eisiger Wind war der Deutschen Messe AG, Veranstalt­erin der Industries­chau, im vergangene­n Jahr um die Ohren gepfiffen. Der coronabedi­ngte Ausfall hatte das Unternehme­n an den Rand der Insolvenz gebracht. Gerettet werden konnte es Ende 2020 nur durch Kredite in Höhe von rund 105 Millionen Euro, für die das Land Niedersach­sen und die Stadt Hannover bürgen.

Zugleich war ein Sparkonzep­t beschlosse­n worden, das auch zulasten der Beschäftig­ten geht. Die 738 Vollzeitst­ellen sollen bis 2027 auf 525 reduziert werden. Geschehen werde dies durch Nichtbeset­zung auslaufend­er Stellen, Altersteil­zeit oder Abfindunge­n, so die Messe AG, die jedoch auch warnt: »Betriebsbe­dingte Kündigunge­n sind als letzte Maßnahme nicht ausgeschlo­ssen.«

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