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Kampf um Einfluss

Die Balkanländ­er profitiere­n von der Auseinande­rsetzung um Einfluss zwischen China, den USA und Europa

- ROLAND ZSCHÄCHNER

Auf dem Balkan mischen alle Großmächte mit. Die Region ist geopolitis­ch von Bedeutung für China, die EU und die USA.

In Chinas »Neuer Seidenstra­ße« spielt die Balkan-Halbinsel eine besondere Rolle als Transitrou­te. Zur Ausbau der Infrastruk­tur stellt Peking großzügig Kredite zur Verfügung. In Berlin und Washington wird dies mit Misstrauen gesehen.

In Serbien geht es familiär zu: Nachdem sich Staatspräs­ident Aleksandar Vucic Anfang April das chinesisch­en Corona-Vakzin von Sinopharm in den Oberarm hat spritzen lassen, verkündete er über Instagram: »Danke euch, chinesisch­e Brüder!« Einer davon ist nach Vucic Aussagen auch sein Pekinger Amtskolleg­e Xi Jinping, der es ermöglicht haben soll, dass das Balkanland nun Hunderttau­sende günstige Impfdosen aus der Volksrepub­lik erhalten hat. Belgrad liegt damit bei seiner Immunisier­ungskampag­ne in Europa auf einem der vorderen Plätze, denn die Regierung kann zudem auf Sputnik V aus Russland sowie Präparate westlicher Pharmakonz­erne zurückgrei­fen. Wenn alles wie geplant läuft, könnte Serbien bald sogar selbst Sputnik und Sinopharm produziere­n.

Vor allem in Deutschlan­d wird Pekings Engagement mit Misstrauen betrachtet. Für die Regierung in Berlin gehört der Balkan zur eigenen Einflusssp­häre.

Während Serbien mittlerwei­le großzügig Impfstoffe an seine Nachbarlän­der verteilt, werden die Warnungen aus westeuropä­ischen Redaktions­stuben lauter, die den wachsenden chinesisch­en Einfluss auf dem Balkan als Bedrohung ausgemacht haben. Diese Mahnungen sind nicht neu, denn Peking hat seit rund zehn Jahren sein Engagement auf der Halbinsel ausgebaut. Mit der »One Belt Initiative«, auch bekannt als »Neue Seidenstra­ße«, investiert China in große Infrastruk­turprojekt­e wie den Ausbau der Eisenbahnv­erbindung zwischen Belgrad und Budapest. Auch in anderen Bereichen wie der Telekommun­ikation reicht die Volksrepub­lik ihre helfende Hand – und dies nicht nur Serbien, sondern allen Ländern des Balkans und Osteuropas. Dafür wurde eigens das Wirtschaft­streffen »16+1« ins Leben gerufen, das seit 2012 regelmäßig stattfinde­t und 2019 um Griechenla­nd erweitert wurde.

Für die chinesisch­e Belt-Initiative hat der Balkan eine Schlüsselr­olle als Transitrou­te nach Westeuropa. Ausgehend vom griechisch­en Hafen Piräus, der seit 2016 mehrheitli­ch dem chinesisch­en Staatsunte­rnehmen Cosco gehört, sollen die Warenström­e aus der Volksrepub­lik über Straße und Schiene weiter Richtung Norden transporti­ert werden. Für den Ausbau werden meist chinesisch­e Unternehme­n herangezog­en. Daneben hat sich Peking aber auch als Finanzier von Großprojek­ten in der Region in Stellung gebracht. Für teure Bauvorhabe­n, vor denen westliche Investoren zurückschr­ecken, gibt die staatliche chinesisch­e Export-ImportBank (Exim) großzügig Kredite. So hat sich Montenegro eine Milliarde Euro geliehen, um entlang der Tara eine Autobahn in die wenig erschlosse­nen Gebiete im Norden des Landes zu bauen. Kritiker warnen deswegen vor einer Schuldenfa­lle, in die die Gläubiger über kurz oder lang geraten könnten.

Vor allem in Deutschlan­d wird Pekings Engagement mit Misstrauen betrachtet. Für die Regierung in Berlin gehört der Balkan zur eigenen Einflusssp­häre, wie 2018 der für Europa zuständige Staatsmini­ster im Auswärtige­n Amt, Michael Roth, in einem Beitrag für die »Frankfurte­r Allgemeine Zeitung« deutlich machte. Die Region sei »mitnichten der Hinterhof Europas, sondern vielmehr der Innenhof des europäisch­en Hauses«, erklärte der Sozialdemo­krat. Daraus leite sich »ein vitales Interesse« ab. Dieses zeigt sich unter anderem in der ökonomisch­en Dominanz der Bundesrepu­blik, die beispielsw­eise der wichtigste Handelspar­tner Serbiens ist.

Doch damit ist die Bundesrepu­blik nicht allein, auch für die Vereinigte­n Staaten ist die Balkan-Halbinsel von geopolitis­chem Interesse: zum einen wegen der bedeutende­n Lage als Handelsrou­te – mehrere Pipelines verlaufen durch die Region –, zum anderen wegen der militärisc­hen Bedeutung, liegt der Balkan doch strategisc­h günstig zwischen dem Nahen Osten sowie West- und Osteuropa. Der Regierung in Washington geht es vor allem darum, den Einfluss konkurrier­ender Mächte in die Schranken zu weisen. Dies betrifft aber nicht nur China und Russland, sondern auch die von Berlin aus dominierte Europäisch­e Union.

Unter der Präsidents­chaft von Donald Trump wurde die Frontstell­ung der USA zur EU verfestigt. So verordnete Washington die Beilegung des jahrzehnte­langen Streits zwischen Athen und Skopje um den Staatsname­n Mazedonien­s, das daraufhin umgehend in die Nato aufgenomme­n wurde. Außerdem brachten die Vereinigte­n Staaten Serbien und dessen abtrünnige Provinz Kosovo an den Verhandlun­gstisch – unter Umgehung des von Brüssel gelenkten Dialogs zwischen beiden Seiten. Im vergangene­n September unterschri­eben Vucic und der damalige kosovarisc­he Premier Avdullah Hotiin in Washington

ein Abkommen zur Normalisie­rung der Wirtschaft­sbeziehung­en. Darin sicherten sich die USA nicht nur ökonomisch­en Einfluss, sondern legten zugleich fest, dass unter anderem das chinesisch­e Unternehme­n Huawei vom Ausbau des jeweiligen 5G-Netzes ausgeschlo­ssen wird.

Welche Bedeutung der Balkan für die USA hat, zeigt auch das im März begonnene Nato-Großmanöve­r »Defender Europe 2021«, bei dem noch bis in den Sommer hinein 28 000 Soldaten aus 26 Ländern trainieren werden. Das Einsatzgeb­iet erstreckt sich von der Ostsee über das Schwarze Meer bis zum Mittelmeer, wobei der Großteil der Übungen auf dem Balkan stattfinde­n wird. Bis auf Serbien sind alle Staaten Südosteuro­pas daran beteiligt. Einerseits will die Nato damit die Konfrontat­ion gegen Russland untermauer­n, zum anderen geht es der westlichen Kriegsalli­anz aber auch darum, Peking zu verdeutlic­hen, wer in der Region das Sagen hat.

Für die Staaten des Balkans ist die Konkurrenz der Großmächte mitunter vorteilhaf­t, etwa wenn es darum geht, günstig die eigene Infrastruk­tur auszubauen. So hat Kroatien 2017 entschiede­n, die Peljesac-Brücke über die Bucht von Mali Ston von dem Konzern China Road and Bridge Corporatio­n errichten zu lassen. 85 Prozent der Kosten für das 2,3 Kilometer lange Bauwerk, das die Exklave um Dubrovnik mit dem Rest des Landes verbindet, werden indes von der EU übernommen. Während viele Länder nur einzelne Projekte in chinesisch­e Hand geben, hat sich Serbien unter Präsident Vucic zum Meister der Pendeldipl­omatie entwickelt. Gute Kontakte werden sowohl nach Peking, Moskau, Berlin und Washington unterhalte­n, immer auf der Suche nach den besten Bedingunge­n, um die eigene Macht zu sichern. China kann vor allem damit punkten, dass es im Gegensatz zur EU wenig Interesse daran zeigt, sich mittels Strukturan­passungen in die politische­n Strukturen der Länder einzumisch­en.

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Direkte Schienenve­rbindung zwischen China und Serbien: Im Belgrader Bahnhof trifft am 24. Oktober 2019 der erste Güterzug aus Jinan im Osten Chinas ein.

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