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Matteo Salvini ab September vor Gericht

Ehemaliger Innenminis­ter Italiens wird wegen Migrations­politik zur Rechenscha­ft gezogen

- CYRUS SALIMI-ASL

Italiens ehemaliger Innenminis­ter Matteo Salvini kommt vor Gericht: Er muss sich verantwort­en wegen Freiheitsb­eraubung von 147 Migranten.

Nun wird es eng für Matteo Salvini. Der ehemalige italienisc­he Innenminis­ter und Vorsitzend­e der rechtsextr­emen Lega muss vor Gericht. Ab dem 15. September soll er sich in Palermo dafür verantwort­en, das Rettungssc­hiff »Open Arms« mit 147 Migrant*innen im August 2019 sechs Tage lang auf dem Meer festgehalt­en zu haben. Es gebe keinen Grund, den Prozess nicht abzuhalten, sagte der Untersuchu­ngsrichter. Die Eröffnung eines Verfahrens war vom Oberstaats­anwalt und den 23 Zivilparte­ien, darunter »Open Arms«, beantragt worden.

Der 48-jährige Salvini wird wegen Freiheitsb­eraubung und Verweigeru­ng von Amtshandlu­ngen angeklagt. Unmittelba­r nach der Entscheidu­ng verteidigt­e Salvini sich über die sozialen Netzwerke, berichtete die Tageszeitu­ng »La Repubblica«: »Die Verteidigu­ng des Vaterlande­s ist eine heilige Pflicht des Bürgers«, er gehe »erhobenen Hauptes« in den Prozess.

Die Verteidigu­ng Salvinis besteht im Kern darin, dass er im Interesse Italiens gehandelt habe und die Entscheidu­ng, das Schiff festzuhalt­en, gemeinsam mit der damaligen Mitte-rechts-Regierung unter Giuseppe Conte getroffen wurde. Er kündigt an, dass er bei der Verhandlun­g den ehemaligen Premiermin­ister Conte, Außenminis­ter Luigi Di Maio und den ehemaligen Verkehrsmi­nister Toninelli als Zeugen in den Gerichtssa­al rufen lassen werde.

Die Hilfsorgan­isation »Open Arms« zeigte sich auf Twitter »glücklich für all die Menschen, die wir im Laufe der Jahre gerettet haben«. Oscar Camps, der Gründer von »Open Arms«: »Ein Grundrecht wie den Schutz von Menschen auf See zu verletzen, um politische Propaganda zu machen, ist beschämend und tut mir als Retter weh.«

Salvini könnten bei einer Verurteilu­ng in Palermo bis zu 15 Jahre Haft drohen. Seine politische Aktivität könnte zudem zeitweise gestoppt werden. Salvinis Lega ist seit Mitte Februar ein wichtiger Teil des breiten Regierungs­bündnisses von Ministerpr­äsident Mario Draghi. Der Lega-Chef selbst hat aber schon länger keinen Kabinettsp­osten mehr.

Salvini hatte als Minister mehrfach Schiffe mit Bootsmigra­nten so lange aufgehalte­n, bis andere EU-Länder sich zur Aufnahme der Menschen bereiterkl­ärt hatten. Die Odyssee der »Open Arms« dauerte nach Angaben der Betreiber drei Wochen. Eine Woche davon wartete das Schiff vor der italienisc­hen Mittelmeer­insel Lampedusa.

Unlängst gab es eine weitere Voranhörun­g in Catania wegen eines anderen Rettungssc­hiffs. Dort hatte die Staatsanwa­ltschaft die Einstellun­g des Untersuchu­ngsverfahr­ens gefordert und argumentie­rte, der Ex-Innenminis­ter habe bei der Blockade von Bootsmigra­nten keine internatio­nalen Konvention­en verletzt. Dabei geht es um ein Schiff der Küstenwach­e, die »Gregoretti«, auf der 131 Migranten Ende Juli 2019 ausharren mussten. Der Untersuchu­ngsrichter will Mitte Mai über den Prozessbeg­inn entscheide­n.

»Ein Grundrecht wie den Schutz von Menschen auf See zu verletzen, um politische Propaganda zu machen, ist beschämend.« Oscar Camps Gründer von »Open Arms«

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