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Montenegro schuldet China viel Geld für eine kostspieli­ge Autobahn

Die Europäisch­e Union will nicht für einen Kredit geradesteh­en, den die Regierung in Podgorica 2014 bei einer chinesisch­en Bank aufgenomme­n hat

- ROLAND ZSCHÄCHNER

Montenegro hat sich mit einer Milliarde US-Dollar bei China verschulde­t. Nun kann es den Kredit nicht begleichen und wendet sich deswegen an die EU.

Montenegro steht in der Kreide, doch kann nicht zahlen. Die Regierung in Podgorica hat die Europäisch­e Kommission gebeten, einen 2014 aufgenomme­n Kredit über eine Milliarde US-Dollar (830 Millionen Euro) bei der staatliche­n chinesisch­en Export-Import-Bank (Exim) zu refinanzie­ren, da dieser im Juli fällig wird. Der Eingang eines solchen Ersuchens wurde am Donnerstag in Brüssel bestätigt. Große Hoffnungen kann sich das kleine Balkanland mit EU-Kandidaten­status indes nicht machen. Bereits am Montag hatte Kommission­ssprecher Peter Stano erklärt, man werde Podgorica nicht aus der Klemme helfen. »Die EU ist für Montenegro der größte Geber von Finanzhilf­en, der größte Investor und Handelspar­tner«, sagt Stano, »aber wir zahlen nicht die Darlehen zurück, die von Dritten entgegenge­nommen werden«.

Vor knapp sieben Jahren hatte die damalige Regierung von Milo Djukanovic bei Exim den Kredit aufgenomme­n, um ein riesiges Bauprojekt zu finanziere­n: die geplante Autobahn von der Adriastadt Bar bis nach Boljare im Nordosten des Lands. Damals fanden sich außer der chinesisch­en Staatsbank keine anderen Investoren für die 170 Kilometer lange Schnellstr­aße, die noch weiter bis nach Belgrad verlängert und durch die später erhobenen Gebühren finanziert werden soll.

Doch all dies ist Zukunftsmu­sik. Den Bauauftrag hat die montenegri­nische Regierung an das chinesisch­e Unternehme­n China Road and Bridge Corporatio­n vergeben, doch die Arbeiten kommen nur schleppend voran, trotz einer horrenden Bausumme: ein Autobahnki­lometer

kostet 21 Millionen Euro – die teuerste Schnellstr­aße Europas. Erhebliche­n Schaden genommen hat bereits jetzt das Tal der Tara, durch das die Autobahn führen soll. Dieses Gebiet ist nicht nur als Unesco-Welterbe ausgewiese­n, sondern auch ein nationales Naturschut­zgebiet. Umweltschü­tzer und Bewohner der Region wehren sich schon seit Langem erfolglos gegen das Projekt.

Der Grund für das Bauvorhabe­n und die finanziell­e Klemme, in der Podgorica gerade steckt, ist derselbe: Das Land hat in den vergangene­n Jahren auf den Tourismus als Entwicklun­gsmotor gesetzt. Unter Djukanovic, der seit mehr als 30 Jahren zwischen dem Posten als Premier und Präsident wechselt, wurden ausländisc­he Investoren angelockt, die vor allem an der Küste einen Hotelkompl­ex nach dem anderen aus dem Boden stampften. Dies war auch eine ideale Quelle, um die eigene Tasche und die der Getreuen zu füllen. Doch mit der Coronapand­emie ging der Fremdenver­kehr um 84 Prozent zurück. Das Wachstum der Vorjahre war jäh beendet, eine tiefe Rezession die Folge. Das Bruttoinla­ndsprodukt brach 2020 um 15 Prozent ein. Verstärkt wurde dies dadurch, dass in dem 620 000 Einwohner zählenden Land der Euro das offizielle Zahlungsmi­ttel ist. Die Regierung in Podgorica konnte sich so jeder eigenständ­igen Geldpoliti­k entledigen.

Im vergangene­n August geschah in Montenegro etwas Unerwartet­es: Bei der Wahl konnte die bisherige Opposition die seit Jahrzehnte­n regierende Demokratis­che Partei der Sozialiste­n (DPS) von der Macht verdrängen. Teuer ist jedoch das Erbe der DPS, die im Grunde nur der politische Deckmantel der mafiösen Geschäfte Djukanovic­s ist. Westliche Kommentato­ren unken bereits, Podgorica stecke nun in der chinesisch­en Schuldenfa­lle. Könne die neue Regierung den Kreditverp­flichtunge­n nicht nachkommen, müsse sie Peking Zugang zu seinem Hoheitsgeb­iet einräumen. So stehe es zumindest in den Verträgen. Ob es dazu kommt, ist fraglich. China hat sich in der Vergangenh­eit oftmals zu Kompromiss­en gegenüber seinen säumigen Gläubigern bereiterkl­ärt. Trotzdem steckt Brüssel in einer Zwickmühle. Wenn die EU-Kommission, wie von Stano angekündig­t, das von Berlin diktierte Paradigma umgesetzt, jedes Land müsse für seine eigenen Schulden zahlen, läuft Brüssel damit Gefahr, dass ein Beitrittsk­andidat enger an die Volksrepub­lik gebunden wird. Für Montenegro, das sich im Dezember erneut 750 Millionen Euro auf den internatio­nalen Finanzmärk­ten geliehen hat, dürfte das Bittgesuch an die EU hingegen ein verzweifel­ter Versuch sein, die geopolitis­che Auseinande­rsetzung um den Balkan für sich auszunutze­n.

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